Marvin Schwäbe bückte sich, um seine Handschuhe und die Trinkflasche aufzulesen und machte sich dann auf den Weg zu seinen Mannschaft, die am Mittelkreis auf ihn wartete. Den Gesichtern sah man an, dass sich die Freude über den Punkt nach dem 0:0 des 1. FC Köln gegen den VfB Stuttgart in sehr überschaubaren Grenzen hielt. Steffen Baumgart gratulierte Schwäbe zu seiner Leistung, die Mitspieler taten es ihm nach. Timo Hübers brachte dies später so zum Ausdruck: “Marvin macht es heute extrem gut, vor allem im Eins-gegen-eins. Dafür kriegt er gleich einen Schulterklopfer”.
“Marvin macht es heute extrem gut, vor allem im Eins-gegen-eins. Dafür kriegt er gleich einen Schulterklopfer.” (Timo Hübers)
Eine tadellose Torwartleistung, gewiss, doch auch Schwäbes Miene war abzulesen, dass ihm ein Sieg lieber gewesen wäre als alle Glückwünsche. Doch mehr als den einen Zähler gab das Spiel nicht her, und ihn in Müngersdorf zu behalten war in erster Linie ihm, dem Torwart des 1. FC Köln, zu verdanken.
Fehlende Frische, stürmische Stuttgarter – und Marvin Schwäbe
In einer Begegnung, die der 1. FC Köln unter das Motto “Lebe wie Du bist” gestellt hatte und auch optisch durch ein buntes Sondertrikot ein Bekenntnis zu Diversität, Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung abgab, nahm Trainer Steffen Baumgart mit Chabot, Hector, Schindler, Olesen und Thielmann fünf Änderungen in der Startelf im Vergleich zum Playoff-Rückspiel in Fehérvár vor.
Das Team hatte sichtbar Mühe sich zu finden und so spielten eigentlich nur die Akteure aus dem Schwabenland. Marvin Schwäbe reagierte blitzschnell bei einem Kopfball von Konstantinos Mavropanos (5.) und danach ließen sich weite Teile der ersten Hälfte auf den Zweikampf zwischen dem Kölner Zerberus und Silas, der pfeilschnellen Sturmspitze der Stuttgarter, reduzieren. Zweimal vor der Pause tauchte Silas vor Schwäbe auf – und zweimal hielt der FC-Keeper großartig.
Erst in der Nachspielzeit der ersten Hälfte kamen die Kölner zu ihrer ersten Torchance. Nach einer Ecke verhinderte Mavropanos kurz vor der Torlinie die Kölner Führung nach einem Kopfball ausgerechnet von Jeff Chabot, dem am Kopf verletzten und mit einem Turban-Verband weiterspielenden Kölner Innenverteidiger. Steffen Baumgart konnte nicht recht gefallen, was er bis dato gesehen hatte: “Stuttgart hat ein sehr gutes Spiel gemacht und wir sind erst nach 30 Minuten reingekommen. Man hat gesehen, dass die Frische gefehlt hat.”
Nach der Pause kam es zu Teil 3 des Duells zwischen Silas und Schwäbe – erneut mit dem besseren Ende für den Kölner Keeper (48.). Die zweite Sturmspitze der Schwaben, Luca Pfeiffer, war bis dahin noch nicht in Erscheinung getreten, holte dies aber nachhaltig nach. Zunächst verletzte sich Chabot nach einem Zweikampf mit dem Ex-Darmstädter am Fuß und musste ausgewechselt werden (50.), dann räumte Pfeiffer Timo Hübers, der für Chabot ins Spiel gekommen war, rabiat ab und ließ Schiedsrichter Harm Osmers keine andere Wahl, als ihn vom Platz zu stellen.
Trotz der Einwechselung von Florian Kainz und Dejan Ljubicic gelang es dem 1. FC Köln nicht, die numerische Überlegenheit in Torchancen, geschweige denn Toren umzumünzen. Erst in der letzten Minute der Nachspielzeit musste VfB-Keeper Florian Müller eingreifen, dabei jedoch sein ganzes Können aufbieten, um den Volleyschuss von Jan Thielmann aus dem Winkel zu kratzen und so das 0:0 zu bewahren. Ein Punktgewinn, den die Kölner durch die Verletzungen von Chabot, Schmitz, Olesen und Martel allerdings teuer, allzu teuer bezahlen mussten.
Erkenntnisse: Die vergebliche Suche nach Torgefahr
Die Begegnung gehört gewiss zu den schwächeren Heimvorstellungen der Kölner – bedingt durch die vielen Wechsel, sicherlich auch geschuldet der Belastung von fünf Partien in den letzten 14 Tagen. Und doch – es ergeben sich Muster auch unabhängig von der fehlenden Frische der Spieler. Eines betrifft die mangelnde Torgefahr, die die Kölner zu erzeugen vermögen. Der Modeste-Abgang, so nachvollziehbar und finanziell segensreich er auch war, schmerzt immer noch. Dietz, Tigges, Adamyan – zur Zeit greifen diese Alternativen nicht. Und zukünftig?
“Stuttgart hat ein sehr gutes Spiel gemacht und wir sind erst nach 30 Minuten reingekommen. Man hat gesehen, dass die Frische gefehlt hat.” (Steffen Baumgart)
Was war gut? Marvin Schwäbe. Hätte Yann Sommer nicht so brillant gegen die Bayern gehalten, wäre der Kölner Keeper heute in aller Munde. Und zu Recht. Jan Thielmann bewies, dass er aus der Elf kaum mehr wegzudenken ist, wobei die Suche nach seiner Idealposition gewiss noch nicht abgeschlossen ist. Und Jonas Hector. Auch ihm merkt man die vielen Spiele an, trotzdem geht er als Kapitän voran mit all seiner Routine und tadellosen Mentalität. Die Mannschaft hat bis Mittwoch frei. Zum Aufladen der Akkus – in den Beinen und im Kopf.
Das nächste Spiel: Wolfsburg wartet
Am nächsten Samstag (15.30 Uhr) tritt der 1. FC Köln in Wolfsburg an, einer Mannschaft mit hochwertigem Spielermaterial, die jedoch auch unter ihrem neuen Trainer, Nico Kovac, den Ansprüchen bislang kaum gerecht wird. Zwei Remis und zwei Niederlagen – viel zu wenig für ein Team, das dem eigenen Selbstverständnis nach und auch dem der dortigen Verantwortlichen um die Champions League-Plätze mitspielen müsste.
Dagegen nehmen sich die Ansprüche des 1. FC Köln geradezu bescheiden aus. Der Klassenerhalt und ein ordentliches Abschneiden in der Gruppenphase der Conference League – möglicherweise mit einem 2. Platz belohnt, der in einer weiteren Playoff-Runde eine Aussicht auf das Erreichen des Achtelfinales eröffnen würde – viel mehr wünscht man sich rund um das Geißbockheim nicht. Für die Partie in Wolfsburg wäre es als Erfolg zu werten, wenn man weiter ungeschlagen bliebe. Ob das gelingt? Man wird sehen.