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Stefan Ruthenbecks Umgang mit dem Debakel: Woran lag es wirklich?

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/GettyImages

Die Niederlage des 1. FC Köln in Hoffenheim kann man nicht nur damit erklären, dass die Mannschaft von Stefan Ruthenbeck nicht genügend “Dreck gefressen” hat. Vielmehr fehlte es an den richtigen Impulsen von der Seitenlinie.

Nur noch die kühnsten Optimisten dürften mittlerweile noch daran glauben, dass der 1. FC Köln in den verbleibenden sechs Spielen ausreichend Punkte holt, um zumindest Mainz 05 vom Relegationsrang zu verdrängen. Nach der Niederlage in Hoffenheim, die mit 0:6 noch relativ glimpflich ausgefallen war, hat sich nämlich auch das Torverhältnis der “Geißböcke” erheblich verschlechtert – aufgrund der Punktgewinne der Konkurrenz (Wolfsburg spielte Unentschieden in Berlin, Mainz zuhause gegen Gladbach) hat sich die ohnehin schon schwierige Ausgangsposition für den effzeh weiter dramatisiert. Obwohl man nach dem Sieg gegen Leverkusen mit vollem Selbstvertrauen und einer gehörigen Portion Euphorie in die Länderspielpause ging, hat man mit der krachenden Niederlage in Sinsheim einen weiteren Tiefpunkt einer an Nackenschlägen nicht armen Saison hinnehmen müssen.

Im Vorfeld der Partie war zu hören, dass man in Köln darauf hoffe, aufgrund der spielerischen Fähigkeiten vielleicht etwas leichter Punkte holen zu können als die Konkurrenz – unter anderem war zu hören, dass man nicht “wie ein Tabellensiebzehnter oder Tabellenachtzehnter” spiele. Die Ausgangsposition vor dem Spiel gegen Nagelsmann und seine TSG war also nicht schlecht, man hatte genügend Zeit, um sich auf den Gegner vorzubereiten und somit die Chancen auf einen Punktgewinn zu erhöhen. Nun ja, das ging gehörig schief.

Nicht nur die Spieler beim 1. FC Köln haben Fehler gemacht

Die folgenden Ausführungen, das möchten wir eindeutig betonen, haben nichts damit zu tun, dass der Autor Stefan Ruthenbeck als Trainer nicht schätzt, ganz im Gegenteil. Bereits an anderer Stelle ist angeklungen, dass Ruthenbeck für den 1. FC Köln der richtige Mann zur richtigen Zeit war und ist – ob er das mirakulöse Ziel, den Klassenerhalt zu realisieren, tatsächlich schafft, sollte von dieser Einschätzung unberührt bleiben. Und bevor der Eindruck erweckt wird, hier werde nur unausgewogen auf den neuen Coach eingedroschen – auch Peter Stöger hat in der desaströsen Hinrunde Fehler gemacht, die die aktuelle Situation maßgeblich mit beeinflusst haben. Das Spiel in Hoffenheim war aber insofern aufschlussreich, als dass man erkennen konnte, wie Trainer und Mannschaft nach einem 0:6 und zugegebenermaßen geringen Chancen auf den Klassenerhalt mit der Analyse des Spiels umgehen.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/GettyImages

Beginnen wir dabei mit der Pressekonferenz nach dem Spiel, für die sich zwar die wenigsten Fans wirklich interessieren. Wenn man allerdings genau dabei hinhört, kann man in Bezug auf das vorherige Spiel einige Dinge vielleicht etwas deutlicher erkennen. Dabei lässt sich oftmals nachvollziehen, wie ein Trainer mit seinem Team die Vorbereitung auf das Spiel angegangen ist, welche Trainingsschwerpunkte dabei gewählt wurden und wie dann die letztendliche Umsetzung im Spiel stattgefunden hat.

Die Pressekonferenz: Wichtiger Bestandteil des Spiels

Eduard Schmidt beschrieb das für das Taktik-Portal Spielverlagerung vor zwei Wochen wie folgt (in Bezug auf das Spiel zwischen Gladbach und Hoffenheim, das mit einem interessanten 3:3 endete): “Die Aussagen, die Trainer mittlerweile auf Pressekonferenzen tätigen, verdeutlichen einerseits die Entwicklung, welche in den letzten Jahren in Hinblick auf die Herangehensweise, Darstellung und grundsätzliche Wahrnehmung von Spielen durch sie selbst und die Öffentlichkeit stattgefunden hat. Andererseits liefern sie in konkretem Fall auch eine passende Beschreibung des Spiels als solches.”

Es mag jedem Trainer freigestellt sein, wie er die Spiele seiner Mannschaft in einer Pressekonferenz analysiert, denn es besteht natürlich die Gefahr, zu viele Details aus der Zusammenarbeit zwischen Trainer und Mannschaft preiszugeben. Zwar muss man immer mit Vorsicht genießen, was Fußballtrainer in der Öffentlichkeit über die Leistung der eigenen Mannschaft sagen, denn manchmal kann es auch nur belangloses Blabla sein, während es dann intern richtig knallt und die Fakten klar und deutlich angesprochen werden. Ein Meister darin ist zum Beispiel José Mourinho, der sich insbesondere bei seinem Wirken in Madrid immer öffentlichkeitswirksam vor die Mannschaft stellte und von deren Schwächen ablenkte, intern dann aber sehr laut und sehr deutlich wurde.

Stefan Ruthenbecks Aussagen nach dem Spiel hinterlassen Fragen

Wie das bei Stefan Ruthenbeck abläuft, lässt sich natürlich nicht mit Gewissheit sagen, aber das Hoffenheim-Spiel lieferte dennoch einige Erkenntnisse. Denn wenn man dann entweder im Stadion oder am Fernsehgerät noch genauer hinschaut, kann man eventuell sogar erkennen, wie ein Trainer während des Spiels versucht, auf die Dynamik einer Partie Einfluss zu nehmen und diese durch gewisse Anpassungen eher in die eigene Richtung zu lenken. Wendet man dies auf das 0:6 des effzeh in Hoffenheim an, verbleiben einige deutliche Fragen.

Auf der nächsten Seite: Stefan Ruthenbecks Analyse des Spiels.


Fangen wir mit der Pressekonferenz an. Dort sagte Ruthenbeck, dass man nicht gut ins Spiel gekommen sei, weil der Gegner sehr viel Stress bei den eigenen Spielern hervorgerufen habe, weshalb die Ruhe fehlte und Ballverluste hervorgerufen wurden. Die eigene Mannschaft sei nicht spritzig genug gewesen, weshalb Hoffenheim in allen Belangen überlegen war. Ruthenbeck beschrieb, dass das Spiel sich nach etwa 30 Minuten ein wenig veränderte und der effzeh dann durch Standardsituationen zu Chancen kam. Man hätte es allerdings “nicht hingekriegt, das Spiel zum Kippen zu bringen”.

In der Halbzeit seien dann ein paar Dinge angesprochen worden, die anders gemacht werden sollten. Nach wenigen Minuten fiel dann allerdings das 0:2, woraufhin seine Mannschaft dann nicht mehr daran geglaubt hatte. Dann startete Ruthenbeck eher in den analytischen Teil seiner Ausführung: Der Gegner aus Hoffenheim habe unheimlich gut die Tiefe bespielt, seine Mannschaft habe Probleme gehabt, den “Speed” des Gegners entsprechend zu verteidigen, weswegen es defensiv von seiner Mannschaft “ganz, ganz schlecht” gewesen sei. Man müsse sich steigern, in allen Bereichen verbessern, um die Klasse halten zu können.

“Dreck fressen und Abstiegskampf leben”: Fehlte es wirklich daran?

Danach schloss er mit einem Rückgriff auf das Spiel gegen Leverkusen, wo seine Mannschaft davon profitierte, in Überzahl gewesen zu sein. Für die Zukunft müsse es seine Mannschaft wieder hinbekommen, “mehr Dreck zu fressen und Abstiegskampf zu leben”, denn nur Fußballspielen reiche nicht. Weiterhin sagte Ruthenbeck nach der Partie gegenüber dem Fachmagazin “kicker”, dass er aus folgendem Grund in der Halbzeit nicht umgestellt habe: “Wir sind mit 0:1 in die Halbzeit gegangen. Ich wollte denen, die für den Derbysieg gesorgt haben, in der zweiten Hälfte nochmal die Chance geben, sich zu zeigen.”

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/GettyImages

Halten wir also fest, dass Ruthenbeck in erster Linie darauf einging, dass seiner Mannschaft die Spritzigkeit und Aggressivität fehlte, um Hoffenheim an diesem Tag beizukommen. Das ist insofern erstaunlich, als dass eigentlich von Beginn an klar war, dass bei der TSG Hoffenheim Spieler in der Startelf stehen würden, die sich gut in Halbräumen bewegen und dann, sofern möglich, ins Tempodribbling gehen – Serge Gnabry hätte man an dem Tag auch nicht in den Griff bekommen, wenn man spritziger und aggressiver gewesen wäre. Deshalb muss man schon die Frage stellen, ob Stefan Ruthenbeck mit seinem 4-4-2 und der Besetzung Koziello/Höger im defensiven Mittelfeld die richtige Wahl wählte.

In-Game-Coaching fehlte komplett

Und selbst wenn er daneben lag: Während des Spiels hätten genügend Möglichkeiten bestanden, um das Ganze zu korrigieren, denn nach 25 Minuten war bereits augenscheinlich, dass der 1. FC Köln gegen das hohe und intensive Pressing der Gastgeber keine Chance haben würde. Der effzeh spielte zielsicher immer wieder die Hoffenheimer Pressingfallen an, woraus dann jede Menge Ballverluste auch in gefährlichen Zonen resultierten. Und da auch das Verarbeiten langer Bälle nicht gelang (Simon Zoller hatte gegen den ehemaligen Kollegen Kevin Vogt nicht den Hauch einer Chance), wäre dort auch eine Stellschraube gewesen, an der man hätte drehen können – vielleicht mit Terodde von Beginn an. Durch den Fokus auf die Spieleröffnung durch den langen Ball wäre man dem Hoffenheimer Pressing etwas mehr aus dem Weg gegangen und hätte den Kampf um die zweiten Bälle intensiviert. Mit dieser Auf- und Einstellung rannte der effzeh sehenden Auges in ein Debakel, woran auch die Einwechslungen von Cordoba und Pizarro nichts ändern konnten.

Den größten Vorwurf kann man Ruthenbeck dann aber in seiner öffentlichen Analyse des Spiels machen: Es reicht nicht aus, im Abstiegskampf nur “Dreck zu fressen” und “aggressiv zu sein”. Die Bereitschaft, Zweikämpfe zu führen und diese dann auch zu gewinnen, sollte Grundvoraussetzung sein. Vielmehr fehlte es an diesem Tag an der richtigen taktischen Ausrichtung und den dafür nötigen Spielertypen, um Hoffenheim einzubremsen – obwohl es die Mannschaft gegen Leverkusen natürlich ganz gut löste, das kann aber kein Freibrief für die kommenden Spiele sein. Man kann dem Team vielleicht auch absprechen, dass es nicht wollte, aber es braucht vom Trainerteam auch die notwendigen Hilfestellungen, um am Spieltag gut auszusehen. Das fehlte am Samstag komplett – die Fehler wurden also schon in der Spielvorbereitung gemacht.

Doch am Tag nach der Niederlage stellte der Kölner Coach unter Beweis, dass er die Schuld für das Debakel nicht alleine bei den Spielern sucht. Gegenüber dem “kicker” sagte er: “Wir haben als Trainerteam auch Fehler gemacht, ob bei Personalentscheidungen oder im taktischen Bereich.” Zumindest in der Analyse der Analyse scheint man im Trainerteam wohl erkannt zu haben, dass gestern nicht alles auf mangelnde Aggressivität zurückzuführen war. Für das Mainz-Spiel erhoffe er sich eine Mannschaft, die ein ganz anderes Gesicht zeigen wird – “wir müssen die Wut ummünzen in positive Aggressivität”, wie Ruthenbeck es ausdrückt. Ob das ausreichen wird?

>>>Das 0:6-Debakel des 1. FC Köln bei der TSG Hoffenheim: Keine Eier an Ostern

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