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Stefan Ruthenbecks Zeit beim 1. FC Köln: Chance genutzt?

Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images

Stefan Ruthenbeck wird in der kommenden Saison nicht mehr Trainer des 1. FC Köln sein, wie der Verein heute bekanntgab. Warum er trotzdem zur richtigen Zeit der richtige Mann war und weiterhin beim 1. FC Köln bleiben sollte, erklären wir in dieser Analyse.

18 Punkte aus 15 Spielen – vor der Partie am Samstag gegen den Hertha BSC ist das die Bundesliga-Bilanz von effzeh-Trainer Stefan Ruthenbeck, der das Amt von Peter Stöger zu Anfang des Montags Dezember übernahm. In den beiden Pokalwettbewerben setzte es zudem in Belgrad und auf Schalke jeweils eine Niederlage. Der 1. FC Köln ist zwar immer noch Letzter in der Bundesliga, hat aber bei den fünf noch ausstehenden Spielen in der Bundesliga immer noch die kleine Chance, irgendwie auf den Relegationsplatz zu springen, was zwischenzeitlich nicht zu erwarten war.

Nach einer desaströsen Hinrunde, die in der Rückschau auf die Saison sicherlich der Hauptgrund für den zwangsläufigen Abstieg wäre, schaffte es Ruthenbeck durch seine Punktebilanz, die Mannschaft in der Tabelle wieder ein wenig konkurrenzfähiger zu machen und zwischenzeitlich sogar am Relegationsplatz schnuppern zu lassen. In den Big-Point-Spielen konnte der 1. FC Köln den Abstand dann allerdings nicht verringern. Der Klassenerhalt erscheint vielmehr zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Trennung sehr unwahrscheinlich zu sein.

Die Zeiten der ganz großen Mangelverwaltung in Köln waren dabei zu Beginn der Rückrunde vorbei, viele Leistungsträger waren zurückgekehrt und auf bestem Wege, wieder eine vernünftige Form zu erreichen – Marcel Risse überzeugt nach seiner langen Verletzungszeit bereits früh wieder als Vorbereiter, Leonardo Bittencourt reichten 30 Minuten als Joker gegen Leipzig, um das Spiel zu drehen und dabei die Hoffnung zu wecken, dass es besser laufen könnte als noch zuvor. Mit Vincent Koziello schien der 1. FC Köln nun ein ganz wichtiges Element in seinem Offensivspiel einsetzen zu können, was vorher ebenfalls fehlte. Nach den beiden Siegen gegen Gladbach und Hamburg dachte man, dass mit mit Stoßstürmer Simon Terodde endlich das fehlende Puzzleteil gefunden hätte, mit dem die Aufholjagd tatsächlich funktionieren könnte.

Stefan Ruthenbeck wurde nicht am Klassenerhalt gemessen

Doch Ruthenbecks Aufgabe an sich war schwierig – die Ausgangslage im Dezember war katastrophal, der 1. FC Köln musste sich neben den mangelhaften Leistungen auf dem Platz mit einem sportlichen Führungsvakuum auseinandersetzen, weil zu diesem Zeitpunkt auch kein Geschäftsführer Sport am Geißbockheim tätig war. Dieser kam mit Armin Veh erst ungefähr eine Woche nach Ruthenbecks Amtsantritt dazu. Das Duo Ruthenbeck/Veh sollte dementsprechend dafür sorgen, den 1. FC Köln sportlich zu konsolidieren und mit der Wintertransferperiode bereits die Weichen für die Zukunft zu stellen – unabhängig von der Spielklasse. Dabei war die Zukunft Ruthenbecks immer ein Thema.

Geschäftsführer Armin Veh, in der neuen Konstellation Ruthenbecks Vorgesetzter, sagte zwischenzeitlich gegenüber dem “Kölner Stadt-Anzeiger” über die Zukunft des Coaches: “Wir haben klar besprochen, dass sein Vertrag bis zum 30. Juni gilt. Wir haben auch nicht versprochen, dass der Vertrag automatisch verlängert wird, wenn er den Klassenerhalt schafft. Die Perspektive ist allerdings: Wenn es nicht klappt, hat er die Möglichkeit, im Verein zu bleiben. Ich werde ihn nicht daran messen, ob er den Klassenerhalt schafft. Denn unsere Situation wurde in der Hinrunde verursacht.”

Ruthenbecks Zukunft war immer Gesprächsthema

Für Ruthenbeck war dies insofern beruhigend, dass seine berufliche Perspektive nicht mit dem Erreichen eines anfangs utopischen Ziels verknüpft wurde – im Dezember, vor Ruthenbecks Amtsübernahme, wiesen die “Geißböcke” gar nur drei Punkte auf der Habenseite auf, der Klassenerhalt schien komplett unerreichbar. Nach dem Erfolg in Leipzig äußerte Ruthenbeck ebenfalls gegenüber dem “KStA”, dass es wohl “Ende April, Anfang Mai” ein Gespräch mit der Vereinsführung geben dürfte, bei dem die Zukunftsperspektiven erötert werden. Ruthenbeck gab sich damals “zu allen Seiten offen”, es gehe auch darum, was er selbst wolle und nicht nur um die Belange des Vereins. Mit Veh sei dies genau so kommuniziert, dieser wisse, dass Ruthenbeck eine große Freude daran habe, mit der Mannschaft zu arbeiten. Schlussendlich wurde Ruthenbecks Abschied zum Saisonende nun bereits Mitte April bekanntgegeben.

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Entscheidung wurde für die Endphase der Saison anvisiert

Ruthenbeck ergänzte: “Ich mache meine Entscheidung abhängig davon, wie die Zusammenarbeit und Visionen im Verein sind. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Aber noch ist das Thema ein Stück weit weg. Lasst uns erst einmal sieben, acht Spiele absolvieren.” Bis dahin wurde tabellenmäßig klar, dass die Chance auf den Klassenerhalt für den 1. FC Köln verschwindend gering ist – fünf Spieltage vor dem Ende der Saison wurde nun bekanntgegeben, dass Ruthenbeck seine Arbeit nicht wird fortsetzen können. Ob er beim 1. FC Köln bleibt und die U19 wieder übernimmt, ist derweil offen: “Ob und in welcher Funktion Stefan Ruthenbeck dem 1. FC Köln über den 30. Juni 2018 hinaus erhalten bleiben möchte, werden Gespräche nach Saisonende ergeben”, heißt es in der Mitteilung des Clubs dazu lediglich.

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Es war mit Abstand die schwierigste Situation, die man sich hätte vorstellen können für das erste Engagement in der deutschen Eliteliga – als Stefan Ruthenbeck die Mannschaft im Dezember übernahm, war diese mit drei Punkten abgeschlagen Tabellenletzter, physisch und psychisch komplett am Ende, dazu durch die Personalwirren der vorherigen Wochen stark destabilisiert. Ruthenbeck selbst hätte diese Aufgabe nicht einnehmen müssen, da er, gerade ein paar Monate bei der U19 im Amt, bewusst den Schritt in den Jugendbereich gewählt hatte, um dort langfristig und konzeptionell zu arbeiten.

Ruthenbeck war bereits vor Saisonbeginn ein Kandidat

Mit einem bestehenden Vertrag im NLZ des 1. FC Köln hätte er also auch durchaus ablehnen können, als er von der Geschäftsführung gefragt wurde, ob er sich denn eine Tätigkeit als Cheftrainer vorstellen könnte. Bereits im Vorfeld der Saison war allerdings gemeinsam mit Stöger und Schmadtke erötert worden, dass Ruthenbeck im Falle einer Trennung von Stöger durchaus ein Kandidat für den Trainerposten beim 1.FC Köln gewesen war, wie der geborene Kölner vor kurzem in einem Fantalk klarstellte.

Und so sollte es dann auch kommen. Doch wie hat er sich geschlagen? In der Bundesliga weist Ruthenbeck mit einem Schnitt von 1,2 Punkten pro Spiel eine annehmbare Bilanz auf – hochgerechnet auf eine normale Saison würde dies einen Punkteschnitt von ungefähr 41 Punkten ergeben. Mit einer Bilanz von 47 Zählern ist der 1. FC Köln in der vergangenen Saison in den Europapokal eingezogen.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Ruthenbecks Bilanz überzeugte – auch für die zweite Liga

Außerdem steht fest: Ruthenbeck hat die Mannschaft stabilisiert, nach seinen eigenen Vorstellungen etwas modifiziert und dem 1. FC Köln wieder Leben eingehaucht. Die Mannschaft erschien zwischenzeitlich fitter als zuvor und Trainer und Mannschaft hatten offenbar ein gutes Verhältnis zueinander. Dass das dann am Ende nicht für das Wunder reicht, ist ihm nicht anzulasten – Ruthenbeck scheint aber der richtige Mann zur richtigen Zeit gewesen zu sein.

Eine Weiterbeschäftigung Ruthenbecks hätte auch aus einer weiteren Perspektive Sinn ergeben: Der Coach ist in Köln geboren und daher bestens vertraut mit den in der Domstadt herrschenden Regeln und Ritualen – in Sachen “Identifikation” hätte Ruthenbeck, sofern er einem Assessment Center ähnlich geprüft werden sollte, gut abgeschnitten.

Warum trennt man sich von Ruthenbeck?

Nun sieht es allerdings so aus, als wäre man bei der sportlichen Führung des effzeh zum Schluss gekommen, dass es besser ist, in der zweiten Liga einem anderen die Aufgabe zu übertragen. Vielleicht weil man glaubt, dass es besser ist, mit einem unbelasteten Trainer zu starten. Vielleicht aber auch, weil Ruthenbecks Portfolio einfach doch nicht ganz so passend erscheint und der Trainer zudem in Zukunft wieder wertvolle Arbeit im Nachwuchsbereich des Clubs leisten könnte.

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Denn wenn man das so sagen kann, war dem 1. FC Köln im vergangenen Sommer ein echter Coup gelungen: Mit der Verpflichtung des zweitligaerfahrenen Stefan Ruthenbeck konnte man einen kompetenten und vor allem bestens ausgebildeten Trainer für die U19 gewinnen. Ruthenbeck sagte damals zu seiner Verpflichtung: “Für mich ist sie nach meiner Zweitligazeit kein Rückschritt in meiner Trainerkarriere, sondern ich habe mich ganz bewusst für dieses spannende Projekt entschieden, junge Talente an den Profibereich heranzuführen. Köln ist meine Heimat und es ist etwas Besonderes für mich, dass sich der FC so intensiv um mich bemüht hat“.

Bereits in den Jahren zuvor soll der 1. FC Köln an Ruthenbecks Diensten interessiert gewesen sein, damals allerdings für die Leitung des Nachwuchsleistungszentrums. In diesem Bereich war Ruthenbeck schon erfahren: Beim VfR Aalen war er entscheidend an der Konzeption des NLZ beteiligt und durfte dieses danach auch leiten. Von daher erschien die Verpflichtung für den Jugendbereich damals sinnvoll – und sie ist es heute noch. Denn die gerade in diesem Bereich ist es extrem wichtig, dass man sich in einem Profiverein auf Kontinuität verlassen kann.

Ruthenbeck ging bereits freiwillig ins zweite Glied

Als dann später Stöger entlassen und Stefan Ruthenbeck vorgestellt wurde, ergab sich auf dem Posten des U19-Trainers zudem ein Vakuum, das nun bis zum Sommer interimsweise von Daniel Meyer ausgefüllt wird. Eine Ruthenbeck-Rückkehr erscheint also auch rein personell durchaus möglich. Aus der Perspektive des Noch-Cheftrainers erscheint dieser vermeintliche “Rückschritt” auch gar nicht mal so unrealistisch zu sein: Im Gespräch mit dem Fußballportal „Spox“ offenbarte Ruthenbeck vor knapp zwei Jahren, dass er den Profifußball relativ entspannt sehe – er müsse nicht „ständig in der Öffentlichkeit“ stehen, weswegen er sich auch in seiner Karriereplanung diesbezüglich keinen Druck gemacht habe.

Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images

Allgemein gilt Ruthenbeck in der Branche zudem als ungewöhnlicher, unkonventioneller Typ, eine „Persönlichkeit mit Ecken und Kanten“, wie „Spox“ beschreibt. Dementsprechend wäre es nicht überraschend, wenn er ins zweite Glied zurückkehren würde, um dort ohne den ganz großen Leistungsdruck Nachwuchsspieler entwickeln zu können. Und gut für den 1. FC Köln wäre es ebenfalls. Denn als Cheftrainer hatte Ruthenbeck eben auch Defizite.

Außendarstellung und Taktik: Ruthenbecks Defizite

Zur Ruckründe wurden es 17 Endspiele ausgerufen, die vor dem 1. FC Köln lagen, von denen Ruthenbeck und seine Mannschaft bislang immerhin fünf gewinnen konnten. Sich über den aussichtslosen Kampf zu definieren und so die Spieler zu motivieren, schien allerdings die vorrangige Strategie des neuen Trainers zu sein – auch wenn das zwischenzeitlich ermüdend wirkte. Die immer selbe Leier vom “Dreck fressen” und “Abstiegskampf annehmen” nervte nicht nur das Umfeld – zumindest wenn entsprechende Leistungen ausblieben – schnell. Es gesellten sich bei Ruthenbeck zudem mehrere Aspekte taktischer Natur hinzu, die man durchaus hinterfragen konnte. Dazu gehörten personelle Entscheidungen wie auch die Ausrichtung in manchen Spielen, die man gutes In-Game-Coaching von außen durchaus noch hätte verändern können. In dieser Hinsicht wirkten Ruthenbecks Mittel allerdings öfter einmal etwas beschränkt, alternative Offensiv- oder Defensivstrategien wurden während suboptimal verlaufenden Spielen kaum gefunden.

Für die sportliche Konsolidierung innerhalb weniger Monate war Ruthenbeck aber insgesamt dennoch der richtige Mann. Der Kontext allerdings, als Absteiger in der zweiten Liga zu den Aufstiegsfavoriten zu gehören, ist definitiv ein anderer. Für diese vermutlich bald drohende Aufgabe scheint der Stöger-Nachfolger in den Augen der sportlichen Führung nicht der optimale Mann zu sein. Der 1. FC Köln muss sich also neben der Kaderplanung für die kommende Saison auch um einen neuen Trainer kümmern. Wer das sein wird, wolle man erst verkünden, wenn die Tinte auf den Verträgen getrocknet ist, teilte der Club vorerst dazu mit.

Wer wären mögliche Alternativen?

Aussichtsreichster Kandidat erscheint momentan trotzdem der Kieler Trainer Markus Anfang, der bereits beim effzeh im Wort stehen soll, zu sein. Anfang steckt momentan noch mit den Störchen im Aufstiegsrennen in der zweiten Liga – sollte er es werden, könnte sich die Bekanntgabe als noch hinziehen bis auch Holstein weiß, wie es in der nächsten Saison weitergeht. Der früher bei vielen Beobachtern als legitimer Stöger-Nachfolger gehandelte Boris Schommers ist derzeit Co-Trainer beim 1. FC Nürnberg und dürfte mit dem “Glubb” im Sommer sicher ins Oberhaus zurückkehren. Ob er bereit ist, diesen Posten aufzugeben und ob man ihn am Geißbockheim für die Cheftrainer-Rolle in Betracht zieht, ist allerdings fraglich.

Hinweis: In einer vorherigen Version des Artikels waren falsche Zahlen zu lesen: Stefan Ruthenbeck betreut die Mannschaft seit 15 Spielen (nicht zwölf, wie vorher zu lesen war). Der Punkteschnitt liegt bei 1,2 (anstatt 1,25), was am Ende 40,8 Punkte ergibt (und nicht 43). Die Endspiele wurden vom effzeh zum Rückrundenstart ausgerufen, es handelte sich damit um deren 17. Wir bitten, diese Fehler zu entschuldigen. Wir haben sie korrigiert.

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