Es ist eben nicht der große Erstligist und die kleine unterklassige Mannschaft. Ganz und gar nicht. Am Samstag beginnt das neue Fußballjahr für den 1. FC Köln mit einem Spiel im DFB-Pokal. Eine Gefahr gibt es dabei nicht: den Gegner zu unterschätzen, dafür ist der SSV Jahn Regensburg einfach zu gut. So gut allerdings, dass das Spiel in der ersten Pokalrunde der wohl schwierigste Saisonstart in der Geschichte des 1. FC Köln ist.
Wäre das erste Pflichtspiel der neuen Saison beispielsweise ein Auswärtsspiel beim FC Bayern München, wer würde sich beschweren? Die Chancen auf eine faustdicke Überraschung wären hier viel kleiner, die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage vergleichsweise hoch. Was gäbe es also zu verlieren?Doch Regensburg, das ist ein echter Hammer zum Auftakt, fußballerisch, mental und auch wirtschaftlich. Denn viel steht auf dem Spiel, besonders für den klammen 1. FC Köln, viel weniger für die seit Jahren Gewinne schreibenden Regensburger. Ein Aus in der ersten Pokalrunde würde die Euphorie direkt ersticken, es wäre trotz der schweren Aufgabe eine echte Schmach und finanziell ein richtiger Schuss in den Ofen. Denn betriebswirtschaftlich mag der FC nur mit der ersten Runde planen, dennoch braucht der FC jeden zusätzlichen Euro – und da ist der Pokal richtig lohnenswert.
Ein echter Gift-Gegner
Nun heißt der Gegner aber eben Jahn Regensburg und das Team wird mit breiter Brust antreten. Zwei Spiele haben die Regensburger in der Liga bereits absolviert, sie sind also schon mitten in der neuen Saison angekommen, zwei Siege gegen Darmstadt und Bielefeld sowie 5:0 Tore sind danach notiert. Das einfach mal so als Fakt. Nicht gerade Laufkundschaft, die die Regensburger da gerade weggefegt und ohne Gegentor nach Hause geschickt haben. Der völlig verdiente Tabellenführer der noch frischen Zweitligasaison ist demzufolge der SSV Jahn Regensburg. Trainer Mersad Selimbegovic schickt normalerweise eine 4 – 2 – 2 – 2 – Formation auf den Rasen und das dürfte auch im Pokalspiel gegen den FC nicht anders sein. „Nicht verstecken, nicht klein machen, dem Spiel unseren Stempel aufdrücken. Köln in einen offenen Schlagabtausch verwickeln“, so sagte Selimbegovic es in der Pressekonferenz vor der Partie und genau so dürfte es kommen.
Für Kölns neuen Sportchef Christian Keller ist es eine Begegnung aus der Kategorie „ausgerechnet“ – jahrelang baute Keller den Regensburger Erfolg Stück für Stück auf, mit cleveren Transfers und nachhaltigen sportlichen sowie wirtschaftlichen Entscheidungen. Der Grund, warum Keller jetzt in Köln ist, ist die Regensburg Geschichte: „Regensburg war über viele Jahre hinweg mein Baby. Wir sind aus dem Nirgendwo gekommen und haben es geschafft, uns in der 2. Bundesliga zu etablieren.“ Doch die Schwierigkeit des Gegners am Samstag hat im Grunde weniger mit dieser emotionalen Komponente zu tun, sondern mehr mit den sportlichen Fähigkeiten. Keller beschreibt das so: „Wir treffen auf einen harten Gegner. Rein faktisch ist es das schwerste Los im Topf. Der gute Ligastart der Regensburger hat gezeigt, dass wir mit Respekt dahinfahren sollten.“
Respekt. Steffen Baumgart muss eine Qualität zeigen und seiner Mannschaft einimpfen, wegen der er unter anderem geholt wurde, die er aber bislang weniger zeigen musste: Die Einstellung zu vermitteln, dass man eben nichts Besseres ist, als der Gegner. Kein Real Madrid des Westens. Keine elitäre Arroganz. Sorry.
Sie scheuen keinen Zweikampf. Da müssen wir erstmal dagegenhalten. – Steffen Baumgart
Denn Regensburg wird Köln alles abverlangen. Der Coach hat den Auftaktgegner selbst beobachtet und überlässt wie gewohnt nichts dem Zufall: „Grundsätzlich zeichnet sich Regensburg über Jahre hinweg aus, dass sie gradlinig agieren, klar in ihren Aktionen sind und körperbetont zur Sache gehen. Sie scheuen keinen Zweikampf. Da müssen wir erstmal dagegenhalten. Wir müssen das annehmen, was auf uns zukommt.“ Dass sein Gegenüber ihn in einen offenen Schlagabtausch verwickeln will, das dürfte auch Baumgart vernommen haben, jedoch ist genau das der Fußball, den auch der Kölner Trainer schätzt. Und so dürfte es Baumgart drauf ankommen lassen, offensiv mit zwei Spitzen und einem Mark Uth dahinter antreten.
Entsprechend gewarnt, ob der selbstbewussten Regensburger Ankündigungen ist man in Köln aber ganz sicher. „Gerade in der Anfangsphase setzen sie den Gegner unter Druck und wollen früh das 1:0 erzielen. Die Standards von ihnen sind sehr gut. Es gibt viel, was Regensburg gut macht. Wir sind der Bundesligist, wir wollen weiterkommen und in die nächste Runde einziehen“, so Baumgart weiter. Die Beschreibung des Gegners klingt aus seinem Mund dabei ein wenig nach dem 1. FC Köln selbst. Den Gegner unter Druck setzen, offensive Akzente setzen. Das will Baumgart auch sehen.
Dabei kommt Steffen Baumgart beim wohl schwersten Saisonstart aller Zeiten zugute, dass die Kölner Transferaktivitäten vor allem auf der Abgabeseite noch nicht beendet sind, auf der Zugangsseite aber einiges gemacht wurde. „Wir haben früh in der Saison eine homogene Mannschaft, die auf allen Positionen doppelt besetzt ist.“ Momentan hat der Trainer dabei wohl sogar mehr Spieler zur Verfügung, als eigentlich angedacht, eben die ganz ganz volle Kapelle und die wird Baumgart nutzen. „Den Fußball, den wir uns vorgestellt haben, haben wir in der vergangenen Spielzeit gut umgesetzt. Aus meinem Gefühl sind wir noch breiter aufgestellt als in der vergangenen Saison (…) wir werden darauf bauen, dass wir von der Bank immer noch nachlegen können.“
Belege dafür gibt es jede Menge, angefangen im Tor, wo Ersatzkeeper Timo Horn im DFB-Pokal den Vorzug vor der klaren Nummer 1 Marvin Schwäbe erhalten wird. Ansonsten ist der Kampf um die Plätze in der ersten Elf in Köln entbrannt, die Konkurrenz ungleich größer als im vergangenen Jahr. Mit Jeff Chabot, der fürs Erste Luca Kilian verdrängt hat, ist das auch in der Abwehrreihe abzulesen. Verzichtet Baumgart gar auf Kapitän Jonas Hector und bringt den ebenfalls bereits gut trainierenden Kristian Pedersen? Und wer unterstützt Anthony Modeste im Sturmzentrum, Sargis Adamyan oder doch Tim Lemperle? Steffen Baumgart ist in jedem Fall schwer auszurechnen. Und wie wichtig dem Trainer der Pokalwettbewerb ist, betont er bei jeder Gelegenheit, „die Gefährlichkeit liegt alleine im Wettbewerb. Jede Runde ist ein Finale.“ Es könnte zum größten Kölner Trumpf werden, dass der Trainer eben jene Eigenschaft mitbringt, die man ihm bei seinem energischen Auftreten nicht unbedingt als Erstes zuschreibt: Demut.