Während der heutigen Saisoneröffnung gab Sportdirektor Jörg Schmadtke bekannt, dass der effzeh die Verträge mit Leonardo Bittencourt und EM-Held Jonas Hector bis 2021 verlängert hat. Insbesondere der Verbleib des Nationalspielers Hector ist ein weiterer kleiner Meilenstein in der sportlichen Konsolidierung unseres Vereins. Unser Autor beleuchtet die Tragweite der Unterschrift des Linksfußes.
Als Public-Viewing-Deutschland nach einem zweijährigen Winterschlaf erwachte, um unsere Jungs bei der Europameisterschaft zu unterstützen, stolperte der gewöhnliche Fanmeilen-Gänger wohl vor allem über einen Namen in der Stammelf. Da lief ein zurückhaltender junger Mann ohne jegliche internationale Erfahrung unentwegt die linke Seite entlang. Ein Spieler vom 1. FC Köln, der so gar nicht in diese Truppe voller Stars aus Madrid, London, Turin oder Manchester hereinpassen wollte.
Jonas Hector hatte sich allerdings auch schon vor der Europameisterschaft durch eine beeindruckende Konstanz und taktische Disziplin in Köln sowie der Nationalelf ausgezeichnet. Bei der EM war das nicht anders. Am Kneipen-Stammtisch regte man sich zwar bis zum Halbfinale über Hectors schwachen Flanken auf, ohne zu wissen, dass die Flankerei auf dem Aufgabenprofil eines Löwschen Linksverteidiger eher am Ende anzusiedeln war, ansonsten gab es aber nicht viel Schlechtes zu finden an Hectors Auftritten auf der größtmöglichen Fußball-Bühne in diesem Sommer.
In Zeiten, in denen Linksverteidiger wie Augsburgs Abdul Rahman Baba für 25 Millionen Euro gen England wechseln, in denen die deutschen Nationalspieler von schlechteren Vereinen, wie Schalkes Leroy Sane oder Wolfsburgs Julian Draxler, mit extremen Summen in Verbindung gebracht werden und in denen sogar der sich seit fünf Jahren im Formtief befindliche Andre Schürrle den Verein noch für 30 Millionen Euro wechseln könnte, erschien es also nur logisch, dass auch Hector wechseln und dem kleinen 1. FC Köln viel Geld einbringen würde. [perfectpullquote align=”right” cite=”” link=”” color=”” class=”” size=””]”Es erschien nur logisch, dass er wechseln und viel Geld einbringen würde.”[/perfectpullquote]
Man hatte sich als Fan des effzeh ja auch schon damit abgefunden, dass der eigene Verein momentan nicht den Status besitzt, einen Spieler dieser Güteklasse zu halten. Sogar der Tabellenzweite der Bundesliga musste ungewollt zwei deutsche Nationalspieler an finanzkräftigere oder prestigeträchtigere Vereine abgeben. Immerhin konnte man sich sicher sein, dass Hector Geld einbringen würde, erst Recht als die Namen der Interessenten durch die Medien kursierten. Der FC Barcelona, Klopps FC Liverpool oder der chronisch finanzstarke VW-Klub, der dem effzeh in diesem Sommer bereits ein Eigengewächs mit den Hauptargumenten eines Abba-Songs weggeschnappt hatte. Und so verfolgte man Hectors Einsätze für Die Mannschaft auch schon immer mit Dollar-Zeichen in den Augen.
Ein Schritt in die andere Richtung
Nun hat Schlaubi aber ohne größeres Aufsehen seinen Vertrag in Köln um schlappe fünf Jahre verlängert und damit die Gepflogenheiten des heutigen Profigeschäfts völlig auf den Kopf gestellt. Natürlich winken Hector im neuen Arbeitspapier nun bessere Bezüge, vielleicht wird er auch zum Top-Verdiener in Köln, gerecht wäre es jedenfalls.
Doch darum geht es dem 26-Jährigen nicht. Er unterscheidet sich von den Leistungszentrum-Lehrbuchsschülern in der DFB-Elf schon dadurch, dass er vor sieben Jahren noch in den Amateurligen des Saarlands kickte. Er weiß, wo er herkommt und er zieht das ruhige Umfeld in Köln einem höchst unsicheren Arbeitsplatz in einem anderen Land vor. Das könnte man ihm als Mutlosigkeit angesichts der großen Herausforderung auslegen, man könnte ihn aber auch als mutig bezeichnen, weil er gerade im Business Fußball einen Schritt in die andere Richtung geht.
Wechselt man an dieser Stelle die Seite, kann man feststellen, dass sich angesichts der Vertragsverlängerung eines Leistungsträgers in der deutschen Nationalmannschaft auch die Verantwortlichen beim 1. FC Köln für einen kurzen Moment auf die eigene Schulter klopfen dürfen. Nach dem Treuebekenntnis von Timo Horn, der unter anderem ein Angebot vom englischen Meister ausschlug, ein weiteres Zeichen dafür, dass beim effzeh momentan vieles richtig läuft.
Da ist zum einen der Charakter der eigenen Spieler. Horn und Hector traten von Beginn an ehrlich auf. Sie gaben keine falschen Treueschwüre ab. Noch heute verspricht keiner der beiden dem Verein ewige Treue, gleichzeitig wirken sie aber reflektiert und gewillt den Klub nur dann zu verlassen, wenn auf der Gegenseite alles stimmt. Dass Spieler bestenfalls auch charakterlich zum Verein passen ist seit einigen Jahren ein wichtiges Kriterium. In diesem Falle scheint es sich auszuzahlen.
Der 1. FC Köln als Perspektive
Vor allen Dingen wurde mittlerweile aber ein Verein aufgebaut, der den eigenen Spielern Perspektiven aufbietet. Es wird immer Spieler wie Ujah oder Modeste geben, bei denen der Faktor Geld höchste Priorität besitzt, was auch nicht zu verurteilen ist. Hier wird es für einen Verein aus dem Tabellenmittelfeld der Bundesliga schwer. Der effzeh kann allerdings mittlerweile bei fast alle anderen Faktoren Argumente für sich vorweisen und den Spieler einen Abgang zumindest so schwer wie möglich machen.
Man besitzt eine junge Mannschaft mit Potenzial, die sich scheinbar auf und außerhalb des Feldes gut versteht. Dazu verkörpern die Entscheidungsträger um Trainerstab, Management, Geschäftsführung und Präsidium mittlerweile einen hohen Grad an Professionalität. Faktoren wie Stadion, Standort und Traditionsreichtum waren so oder so schon immer gegeben. Vor zehn Jahren hätten sich Spieler wie Hector, Bittencourt und Horn aber wohl auf keinen Fall für einen Verbleib entschieden, weil sie nur wenig sportliche Perspektiven im Verein gesehen hätten. Heute sieht das anders aus.
Die absoluten Top-Verpflichtungen konnte der effzeh in diesem Sommer auf dem Transfermarkt zwar noch nicht landen, doch das erscheint gar nicht so wichtig angesichts der Tatsache, dass man mit Horn, Hector und Bittencourt drei Eckpfeiler der Mannschaft, die in ganz Europa gehandelt wurden, halten konnte. So etwas schaffen heutzutage nur noch ganz wenige Vereine.
Die Vertragsverlängerung von Jonas Hector ist also nicht einfach nur eine erfreuliche Nachricht, sie ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass momentan viel richtig gemacht wird in Köln. Der effzeh entwickelt sich wieder zu dem feinen Verein, den Mütter ihren Söhnen empfehlen. Ausruhen sollte sich darauf aber niemand.