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Auswärtsspiel

“Schalke ist nie kein Chaosklub”

Der effzeh auf Schalke – das war nicht immer eine Reise wert. Diesmal im effzeh.com-Auswärtsspiel: S04-Fan Phil, der über eitel Sonnenschein in Gelsenkirchen und die neuen “Knappen” spricht.

Foto: privat
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Der effzeh auf Schalke – das war nicht immer eine Reise wert. Diesmal im effzeh.com-Auswärtsspiel: S04-Fan Phil, der unter anderem über eitel Sonnenschein in Gelsenkirchen spricht.

Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln werden wir auch in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen stellen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Wir sind nicht nur gespannt, wieviel effzeh in den Anhängern der anderen Bundesligisten steckt, sondern erwarten auch eine Einschätzung zur Situation der eigenen Mannschaft.

An diesem Wochenende geht es (ausnahmsweise) sonntags erst ins Stadion: Der effzeh bekommt es auf Schalke mit einem derzeit äußerst formstarken Konkurrenten zu tun. Sechs Pflichtspiele in Serie haben die “Königsblauen” gewonnen. Kaum verwunderlich also, dass S04-Fan Phil, der hin und wieder über seinen Verein auf turnhallengeruch.de bloggt, derzeit sehr zufrieden ist mit der Situation auf Schalke. Im effzeh.com-Auswärtsspiel spricht er über die Entwicklung unter André Breitenreiter, die neuen und jungen Spieler bei den “Königsblauen” sowie seine Verbindung zum glorreichen effzeh.

effzeh.com: Nach der miesen Schlussphase der letzten Saison wirkt Schalke gefestigter. Ist nun wieder alles eitel Sonnenschein in Gelsenkirchen?

Foto: privat

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Phil: Miese Schlussphase? Eigentlich war ja die komplette Saison ziemlich mies. In der Schlussphase konnte man immerhin den Europa-League-Platz sichern und gleichzeitig den Dino retten. Das muss ja auch erstmal jemand nachmachen. Aber es stimmt schon. Im Moment scheint die Sonne über Gelsenkirchen. Es ist beinahe etwas gruselig. Plötzlich gewinnst du Spiele, die du nie und nimmer gewinnen darfst (Stuttgart, als krassestes Beispiel) und dann schießt sich auch noch Di Santo mit drei Treffern aus seiner vermeintlichen Krise, bei dem man ja schon drauf und dran war, das Etikett „FEHLEINKAUF!“ dranzuhängen.

Aber alles ist natürlich nicht toll. Mit Nastasic und Höger hat die Mannschaft schon früh in der Saison zwei wichtige Spieler langfristig verletzungsbedingt verloren. Außerdem darf man immer damit rechnen, dass irgendwo ein Störfeuer ausbricht. Schalker sind ja zum Beispiel gerne mal schnell dabei, sich einen Sündenbock unter den Spielern rauszusuchen, wenn es nicht so läuft. Ich nehme mich da auch gar nicht aus, auch wenn ich nie auf die Idee käme, eigene Spieler im Stadion auszupfeifen und zu beleidigen, was tatsächlich alles vorkommt. Max Meyers Spielweise geht mir beispielsweise über weite Strecken ziemlich auf den Geist, auch wenn er in den letzten Spielen durchaus besser aussah. Wenn ich aus den Tendenzen meiner Twittertimeline allerdings etwas herleiten sollte, könnte es als nächsten Klaas Jan Huntelaar treffen: Aktuell wenig Tore vs. recht hohes Gehalt. Das gefällt vielen nicht.

effzeh.com: Die Verpflichtung von Trainer Andre Breitenreiter von Absteiger Paderborn war durchaus mutig, doch das Risiko scheint sich bisher zu lohnen. Wie kommt der Coach bei dir an?

Phil: Die Verpflichtung an sich kam bei mir definitiv gut an, was aber natürlich auch an den gehandelten Alternativen lag: Wilmots, Veh, Stevens oder gar Schlimmeres. Da hatte ich jetzt nicht so sonderlich Bock drauf. Dass Breitenreiter dann aber medienseitig schnell als vierte/fünfte/sechste Wahl dargestellt wurde, war natürlich nicht optimal. Ich fühlte mich direkt an Jens Keller erinnert, der ohne eigenes Zutun ja auch zum „Gesicht der Krise“ wurde. Glücklicherweise ist die ganze Sache aber irgendwie im Sande verlaufen, vermutlich auch, weil die Mannschaft einfach erfolgreich gestartet ist.

Wie der Trainer jetzt so allgemein bei mir ankommt? Bislang finde ich ihn durchaus sympathisch. Ich gucke mir gerne die Pressekonferenzen mit ihm an, obwohl er gerne und oft das Klopp’sche „brutal“ benutzt. Die Pressegespräche habe ich mir aber auch bei Magath oder Stevens immer gerne angesehen. Die waren auch auf ihre Art unterhaltsam. Im Moment macht Breitenreiter einfach vieles richtig und gut gelaunt ist es vermutlich echt schwer, irgendwie unsympathisch rüberzukommen. Ich kaufe ihm auch diese „Bei uns ist jeder Spieler wichtig!“-Nummer ab und ich glaube, die Spieler tun das bislang auch. Allerdings ist der Kader auch recht klein, sodass wohl wirklich fast jeder zum Zug kommen wird.

Foto: privat

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Ich bin gespannt, was passiert, wenn die ersten herberen Rückschläge kommen. Im November stehen  innerhalb von vier Wochen zwei Spiele gegen Gladbach und danach den BVB, Bayern und Leverkusen an. Die wird man nicht alle gewinnen. Dann wird es wirklich interessant.

effzeh.com : Was hat sich überhaupt über Sommer geändert? Sonderlich aufgerüstet wurde der Kader ja nicht. Wird jetzt etwa das vorhandene Potenzial gehoben – oder was macht Schalke so stark aktuell?

Phil: So würde ich das gar nicht sehen. Über die Verpflichtungen von Riether und Caicara ist man auf der rechten Seite um einiges flexibler geworden. Vorher hatte man an dieser Stelle im Grunde nur Atsuto Uchida als echten Rechtsverteidiger. Und seit der verletzt ist, wurde mit Notlösungen rumhantiert. Zudem sind Geis und Di Santo dazugekommen. Und gerade Geis bringt etwas mit, das auf Schalke gefühlt seit den Tagen von Jörg Böhme nicht mehr gesehen wurde: Einen ordentlichen Freistoß. Leon Goretzka könnte man eigentlich auch noch als Neuzugang anführen. Der war ja wirklich oft und lange verletzt, hat nun aber die Vorbereitung, soweit ich weiß, komplett mitgemacht und spielt echt eine gute Rolle bisher. Dazu spielt Ralf Fährmann bislang auf sehr hohem Niveau und Leroy Sane hat regelmäßig seine spielentscheidenden Momente.

Was davon jetzt alles ein Verdienst von André Breitenreiter ist? Können die Taktikfreaks sicher besser beurteilen. Auf Nachtreten gegen den alten Trainer hab‘ ich an dieser Stelle auch nicht so wahnsinnig Lust. Allerdings glaube ich, dass die Mannschaft aktuell noch ein recht fragiles Gebilde ist. Wie gesagt: Der November wird wichtig.

© effzeh.com

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effzeh.com: Ihr seid irgendwie derzeit wirklich die “Knappen”, alles wirkt gar nicht so spektakulär, was ihr anstellt. Ist Minimalismus Trumpf bei Euch?

Phil: Aktuell reichen wenige Tore für viele Punkte. Das ist okay. Vor allem ist es wichtig, jetzt möglichst viele Punkte mitzunehmen. Insgesamt hat Schalke allerdings ordentlich Offensivpower. Ich bin gespannt, ob man das irgendwann auf dem Platz auch effektiv umsetzen kann. Bis dahin gebe ich mich gerne auch mit knappen Siegen zufrieden.

effzeh.com: Königstransfer ist sicherlich Johannes Geis. Bist du stolz, dass sich ein solch umworbenes Kaliber für Schalke entschieden hat? Wie schlägt er sich bislang?

Phil: Nein, stolz bin ich darauf nicht. Wieso auch? Man weiß ja auch überhaupt nicht, was genau ausschlaggebend für den Wechsel war. Klar, Schalke hat ihm sicherlich einen recht ordentlichen Vertrag angeboten, aber wie man hörte, haben sich andere Optionen für ihn einfach zerschlagen. Durch Gündogans Vertragsverlängerung soll der BVB nicht mehr interessiert gewesen sein. Ich rede mir zwar lieber ein, dass Geis keine Lust auf Tuchel hatte, aber das nur am Rande.

Schlussendlich ist er auf Schalke gelandet und darüber kann man bislang echt froh sein. Auf mich wirkt er recht abgeklärt und erwachsen. Allerdings gehört er, verglichen mit Meyer, Goretzka und Sane, ja tatsächlich schon fast zu den Älteren im Team. Außerdem hat er überhaupt keine Eingewöhnungszeit benötigt, was auch wirklich nicht selbstverständlich ist, wenn man von einem tendenziell eher kleineren Verein kommt, was jetzt überhaupt nicht despektierlich klingen soll.

effzeh.com: Auffällig ist die sehr gute Jugendarbeit von S04, die mit Leroy Sane nun das nächste Talent in die Bundesliga gebracht hat. Ist das der Weg, den Schalke verfolgen muss?

Phil: Die Jugendarbeit ist ja schon eher so ein Punkt, auf den man ordentlich stolz sein kann. Wenn man schaut, mit welcher Regelmäßigkeit die U19 um die Meisterschaft mitspielt, und sie sogar hin und wieder gewinnen kann, dann ist das schon toll. (Ich hatte ja mal die fixe Idee, in der Bundesliga den Meister auch durch eine kleine K.O.-Runde zum Ende der Saison auszuspielen, weil ich mir so größere Chancen für Schalke ausrechne, dahingehend auch mal wieder eine Rolle zu spielen. Da muss man die DFL doch für begeistern  können…)

© effzeh.com

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Was aber da in der Jugend geleistet wird, kann man nicht hoch genug bewerten. Dass im Grunde jedes Jahr Spieler den Sprung zum Bundesligaspieler packen, sucht wohl Seinesgleichen. Man hat es tatsächlich geschafft, die Nachwuchsabteilung zu einer Marke aufzubauen. Zum einen hat man so einen einigermaßen verlässlichen Nachschub an guten Spielern, zum anderen kann man sicherlich auch ganz gute Ablösen erzielen, wenn einem Spieler das Etikett „Knappenschmiede“ anhängt. Und das ist ja nun auch kein Geheimnis: Geld kann man auf Schalke immer gut gebrauchen.

Natürlich kann man aber ganz bestimmt keine erfolgreiche Mannschaft nur aus Eigengewächsen aufbauen. Ich glaube, man braucht immer auch Einflüsse von außen. Spieler und Trainer, die auch schon was anderes gesehen haben. Von daher kann die Jugendarbeit nur eine Säule sein, zwar eine sehr wichtige, aber eben nur eine.

effzeh.com: Auf Schalke war es in der jüngsten Vergangenheit stets sehr unruhig, es schien die Rückkehr zum Chaosklub zu drohen. Unbegründeter Blick von außen oder Realität?

Phil: Eine Rückkehr? Schalke ist nie kein Chaosklub. Aktuell läuft es sportlich zwar rund, dafür gibt es ein riesiges Theater mit dem Schalker-Fanclub-Verband, das wohl nun auch juristische Konsequenzen nach sich ziehen wird. Allerdings kann ich dazu wirklich relativ wenig sagen, da ich weder in einem Fanclub, noch sonst irgendwie nah an dieser Sache dran bin und juristisch schon mal überhaupt keine Ahnung habe. Auf jeden Fall brodelt da mal wieder was.

Wenn es dann sportlich schlecht läuft, wird es sofort richtig wild. Man nehme nur die Gagaforderung, die von Fanseite ja immer mal wieder im Raum stand, die Spieler mögen doch bitte nicht in Düsseldorf, sondern in Gelsenkirchen wohnen. Normalerweise würde man jemanden, nicht nur so daher sagt sondern ernsthaft meint, für verrückt erklären. Allerdings steckte der Vorstand nach der letzten Saison dermaßen in der Klemme, dass er sich mit diversen Fanservices den Hintern rettete. Die 30km-Klausel für neue Spieler war ebenfalls dabei. Zudem stehen Kevin-Prince Boateng und Felipe Santana ja auch noch bei Schalke unter Vertrag. Die sind ja Beide durchaus für die ein oder andere Story gut. Stichwort: Medizinschreck.

© effzeh.com

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effzeh.com: In der vergangenen Saison haben wir gleich beide Spiele gegen Euch gewinnen können. Wie optimistisch bist du, dass das 2015/16 anders aussehen wird?

Phil: Sehr.

effzeh.com : Das Verhältnis zwischen Kölner und Schalker Fans war noch nie das Beste. Wie ist denn deine Verbindung zu unserem feinen Verein?

Phil: Mein erster Stadionbesuch überhaupt war im Parkstadion gegen Köln. (September 1994, 3:1: Anderbrügge, Hauptmann, Mulder, Anderbrügge.) Von daher gehört Köln schon irgendwie immer dazu. Auch 1998 war ich dabei. Das weiß ich noch, als wäre es gestern gewesen: Vorm Stadion hatten wir keine Lust uns an den langen Schlangen am Ticketschalter anzustellen, also hat Vatter Karten für die Gegengerade bei so einem vorbeilaufenden Typen gekauft. Was wir erst später gesehen haben: Auf den Karten stand groß und breit „Sichtbehinderung!“. Somit kann ich zu dem Spiel leider überhaupt nichts sagen.

Zudem bin ich bekennender Podolski-Fan. Es gibt also immer mal wieder Schnittpunkte mit dem FC, allerdings ist mir das Abschneiden weitestgehend egal. In der 1. Liga kann er aber von mir aus gerne mitmischen. Außerdem mag ich die Stadt. Und das Bier. (Darf man das überhaupt laut sagen, ääääh, schreiben?) Über ein paar Erlebnisse mit Köln, dem FC und Karneval habe ich auch mal was gebloggt. Das findet man unter “Arbeitstitel: Alaaf!”.

Foto: Torsten Wieland

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effzeh.com: Der effzeh hat sich in der jüngsten Vergangenheit sehr gewandelt, Ruhe und Seriosität ist eingekehrt. Wie nimmst du die Entwicklung in Köln wahr?

Phil: Gehört zu dieser Seriosität eigentlich auch dazu, dass ihr „effzeh“ klein schreibt? So ein bisschen Understatement? Frage ich mich schon länger… Die eingekehrte Ruhe habe ich natürlich durchaus mitbekommen. Allerdings am häufigsten, wenn sich FC-Fans gegenseitig versichern, wie ruhig und seriös alles doch gerade ist. Vermutlich, weil sie es selbst nicht fassen können. Ich mag allerdings abstruse Geschichten, deshalb finde ich die Entwicklung natürlich total schade. Sagt ja aber auch keiner, dass es ewig so weitergeht. Das Chaos hat ein Verein doch in der DNA. Als Schalker kenne ich mich da aus…

effzeh.com: Zum Abschluss: Dein Tipp, bitte!

Phil: 3:1

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