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Müngersdorf

Saison-Rückblick I: Dornröschenschlaf vorbei! Steffen Baumgart weckt den 1. FC Köln auf

Saisonrückblick Part 1: Wir schauen auf die ersten Monate der Saison 2021/22 zurück, als Steffen Baumgart beinahe alles gelang, was er anfasste, und er damit die Herzen der Stadt Köln im Flug eroberte.

Foto: imago images / ActionPictures

Kann der das? Ist der nicht nur der nächste Schaumschläger, der mit großen Ideen und Visionen aus irgendeinem Dorf in die große Stadt Köln kommt und sich anschließend binnen Monaten im Dschungel aus Presse, Geißbockheim, Altinternationalen und dem Kader als solchen verläuft? Die Diskussionen rund um den neuen Trainer Steffen Baumgart waren im Sommer 2021 nach der Verkündung seiner Verpflichtung durchaus von Skepsis geprägt.

Das lag sicherlich auch daran, dass die Liste der Trainer, die sich seit den Erfolgszeiten von Peter Stöger an der Seitenlinie der “Geißböcke” versuchten, sehr lang war: Angefangen über Stefan Ruthenbeck, Markus Anfang, dem Intermezzo von André Pawlak und Manfred Schmid weiter zu Achim Beierlorzer, dem zweiten Interimswirken von Pawlak und Schmid bis hin zu Markus Gisdol und schließlich Friedhelm Funkel. Das Ende dieser Schreckensbilanz: Ein desaströser Abstieg 2018, ein extrem teuer erkaufter Aufstieg 2019, der erneute Fastabstieg 2021 und ein überteuerter und schlecht zusammengestellter Kader, über dessen Gehaltsstruktur man nicht mal mehr spotten kann.

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Und jetzt sollte Steffen Baumgart es richten? Mit aufregendem und risikoreichen Offensivfußball? Durch Herumschreien am Seitenrand? Dass er mit Worten alleine in Köln niemanden einfangen konnte, war dem gebürtigen Rostocker jedenfalls von Beginn an klar. Im vereinseigenen Langzeitdokumentationsprojekt “24/7 FC” ließ Baumgart seinen Gedanken über die Rotation auf der Trainerbank in Hinblick auf seine Erfahrungen als Spieler freien Lauf: „Das hast du dir angehört und hast gedacht: Alles klar, jetzt kommt der nächste. Jetzt gucken wir mal, wie lange das geht.“ Dies war in dem Fall auf die Beziehung Spieler – Trainer bezogen, wer sich letzten Sommer allerdings bei Fans und Beobachtern umhörte, der konnte selbstverständlich ähnliche Worte vernehmen.

Baumgart und Köln – das passte schon in der Vorbereitung

Also überzeugte Steffen Baumgart mit Taten. Beginnend mit Trainingsstart am Geißbockheim fing der neue Trainer an, das Umfeld mit seiner erfrischenden und positiv-verrückten Art zu begeistern und mischte die Stimmung rund um diesen Verein gewaltig auf. Schon früh in der Vorbereitung nickten die Trainingskiebitze anerkennend ob des frischen Windes, mit dem der damals 49-jährige die Trainingsgestaltung übernahm und die Profis schwitzen ließ.

Das eigentlich Überraschende? Die Baumgart’sche Mentalität übertrug sich anschließend auch tatsächlich aufs Spielfeld, und das schon im Trainingslager. Der 3:2-Sieg über die bei weitem nicht in Bestbesetzung angetreten Bayern in Villingen verdeutlichte, dass die Mannschaft Baumgart und seinem intensiven Stil folgte, hohe Ballgewinne forcierte und so einen wirklich guten Fußball spielte. Eine Wohltat nach dem unansehnlichen Gemauere der Gisdol-Ära. Im Spiel des FC steckte schon früh erkennbar sehr viel Baumgart.

„Von Tony ist im Moment jeder positiv überrascht.”

Steffen Baumgart nach dem Trainingslager in Donaueschingen

Trotz aller positiven Vorzeichen war es dennoch ein sensibles, nicht stabilisiertes und im Aufbau befindendes Gebilde, welches zum Pflichtspielauftakt in der ersten Pokalrunde zum Regionalligisten nach Jena fuhr. Und um ein Haar wäre es zum Super-GAU gekommen, doch nach teilweise furchtbar anzuschauenden 120 Minuten erreichten die “Geißböcke” dank eines 4:2 im Elfmeterschießen die zweite Runde. Die Story der 90 Minuten war dennoch in erster Linie eine positive: Denn der damalige Pokal- und damit Ersatztorhüter Marvin Schwäbe hielt zwei Elfmeter, war Mann des Spiels und zeigte zum ersten Mal, dass er Stammtorhüter Timo Horn ernsthaft herausfordern wollte. Es passte zu den ersten Monaten der Saison, dass selbst aus der Beinahe-Blamage in der ersten Pokalrunde die positive Geschichte des Ersatztorhüters der wesentliche Take-Away war.

Foto: imago images / Team2

In der Bundesliga wartete auf den FC anschließend ein trickreiches Auftaktprogramm. Zunächst zuhause gegen die Hertha, anschließend auswärts bei den Bayern, bevor man mit dem VfL Bochum einen Aufsteiger in Müngersdorf empfing. Der FC musste gegen unterschiedliche Gegner direkt zeigen, dass er schwimmen konnte. Und wie konnte er schwimmen! Gegen Hertha brauchte man ein paar Minuten, überfuhr die streckenweise konfus auftretenden Berliner anschließend allerdings, siegte 3:1 und lieferte auch in München ein fantastisches Spiel ab, auch wenn man sich dem Rekordmeister letztlich mit 2:3 geschlagen geben musste.

Flitterwochen am Rhein

Gegen den gut mithaltenden Aufsteiger aus Bochum bewies Baumgart dann zum ersten Mal sein goldenes Händchen bei den Einwechslungen und schickte mit Tim Lemperle, Louis Schaub und Tomas Ostrak die exakt richtigen Joker in die Schlacht. Schaub schoss das 1:0 und Lemperle besorgte nach Vorlage von Ostrak das entscheidende 2:0 beim 2:1-Sieg. Sechs Punkte aus den ersten drei Spielen, ein mutiger und sehenswerter Auftritt in München: Steffen Baumgart war in Köln angekommen.

Geliebt und gefunden? Die nächsten Wochen fühlten sich jedenfalls fast schon wie die berühmten Flitterwochen an. Auch wenn nicht alles gelang, reihten die Kölner fantastische Spiele in Serie aneinander. Insbesondere das VAR-Festspiel gegen Leipzig (1:1) und die Selbstverständlichkeit, mit welchem man nach Halbzeitrückstand Greuther Fürth mit 3:1 nach Hause schickte, mussten für Begeisterung sorgen. Selbst das 0:5 in Hoffenheim am 8. Spieltag war auch nicht der kurz befürchtete Bruch oder das Entschlüsseln des Baumgart-Fußballs, vielmehr brachte man anschießend gegen Leverkusen (2:2) und in der zweiten Pokalrunde in Stuttgart (2:0) die mittlerweile fast schon gewohnten Tugenden wieder erfolgreich auf den Platz.

Die Wiederauferstehung von Anthony Modeste

Die gewohnten Tugenden – das war vor allem die extrem hohe Laufbereitschaft, die damit verbundene Intensität, die Lust auf Mut und das riskante Spiel mit vergleichsweise wenig defensiver Absicherung und vor allem auf das Vertrauen der Mannschaft in sich selber. Woche für Woche! Im Herbst war das für jeden in Köln etwas Ungewohntes und Überraschendes. Spielerisch stach seit Saisonbeginn der Flankenfokus heraus, ohne den selten etwas ging beim 1. FC Köln. Größter Nutznießer? Anthony Modeste!

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images

Denn der französische Torjäger fand dank Baumgart fast schon auf Knopfdruck die Lust am Fußball zurück und zahlte das entgegen gebrachte Vertrauen mit jeder Menge Toren zurück. “Das ist unser Wohnzimmer. Hier kann man nicht einfach so gewinnen“, so der Franzose nach seinem Doppelpack beim 2:2-Unentschieden gegen Leverkusen. Die Selbstverständlichkeit und das Selbstvertrauen in seinen Worten wären sechs Monate vorher noch undenkbar gewesen.

Kann der das? Der kann das! Dies war spätestens mit dem fabelhaften 4:1-Derbysieg Ende November klar. Steffen Baumgart und der 1. FC Köln, das war im Herbst 2021 die Entdeckung der Bundesliga.

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