Die Derbypleite des effzeh in Mönchengladbach hatte mehrere offensichtliche Gründe. Doch das größte Problem sprang nicht direkt ins Auge und lag im Mittelfeldzentrum. Der unglückliche Auftritt von Jonas Hector und sein fataler Domino-Effekt.
Unmittelbar nach bitteren Derbyniederlagen kommt es nicht immer vor, dass sich alle Beteiligten derart nüchtern an die Spielanalyse begeben. Doch schon direkt nach dem 0:1 des 1. FC Köln bei Borussia Mönchengladbach betrachteten die Kölner Verantwortlichen um Schmadtke, Stöger und Lehmann die Partie bereits sehr reflektiert. Sie sprachen einhellig von leichter Enttäuschung, von einem unnötigen Gegentreffer, doch auch von einer Niederlage, mit der man leben kann.
Auch mit etwas Abstand zur knappen Pleite am ersten Spieltag der Bundesligasaison 2017/2018 bleibt ein Spiel in den Köpfen, das letztlich die bessere Mannschaft verdient gewann. Es war vor allen Dingen der Offensivdrang, die Kreativität und der Spielwitz der Borussia, der beeindruckte. Würde man es nicht mit dem effzeh halten, das Kombinationsspiel der Gastgeber hätte einem beinahe große Freude bereitet.
Gladbachs Zakaria kaum zu stoppen
Die Flügelläufe der enorm auffälligen Hazard und Traore, die immer neuen Ideen und Rochaden von Raffael und Stindl sowie die druckvollen Außenverteidiger Wendt und Elvedi sprangen auf den ersten Blick ins Auge. Etwas weniger augenscheinlich, aber absolut ausschlaggebend für die gesamte Entwicklung des Spiels war jedoch die Dominanz der Fohlen im Mittelfeldzentrum.
Mit Christopher Kramer und vor allem dem bärenstarken Neuzugang Denis Zakaria kontrollierte Gladbach das Geschehen in der Mitte gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen zeigte sich das Borussia-Pärchen in der Zentrale weitaus kompakter in Zweikämpfen, zum anderen kamen sowohl horizontal wie auch vertikal fast alle Pässe von Kramer und Zakaria an.
Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Der etwa 13 Millionen teure 20-Jährige, der aus Bern kam, spielte 52 Pässe ohne einen einzigen Fehlpass. Passquoten von 100 Prozent bei über 50 gespielten Pässen sind eine absolute Seltenheit. Kramers Quote von 92,3 Prozent bei 91 Pässen ist auch nicht unwesentlich schlechter.
Jojic als Unterstützung für Lehmann und Hector
Nun sind Zakaria und Kramer aber auch keine Wunderspieler, die auch aus größter Bedrängnis noch immer perfekte Traumpässe spielen. Sie hatten gegen den effzeh schlicht und einfach genug Zeit und Platz, um die Außenspieler einzusetzen. Gleiches galt für Mönchengladbachs Innenverteidiger Vestergaard und Ginter, welche die gefährlichen Flügelspieler mehrfach mit punktgenauen Diagonalbällen bedienten.
Der effzeh bekam gerade im Zentrum einfach keinen Zugriff, kam weder in die Zweikämpfe noch in die Passwege der Hausherren. Gleichzeitig überlagerten die Gladbacher die Flügel und schafften dort Überzahl. Dass Hazard, Raffael und Traore dadurch auf der Außenbahn gleich mehrfach kölsche Außenverteidiger düpieren konnten, war eine Folge von jener Überlegenheit in der Mitte.
Matthias Lehmann gab unmittelbar nach dem Spiel zu, dass man dieses Problem relativ schnell erkannt habe. “Wir haben dann Milos Jojic relativ schnell zurückgezogen, damit er uns unterstützt”, gab Lehmann zu. Seine Kreativität konnte der Serbe so kaum noch ausleben. Trotz der vermeintlichen Überzahl im Zentrum schaffte es der effzeh auch in der Folge fast nie, den Ball längere Zeit in den eigenen Reihen zu halten oder die eigenen Außenspieler irgendwie freizuspielen.
Auf der nächsten Seite: Hector mit ungeahnten Problemen
Weil Kapitän Lehmann gemessen an seinem Können und seinen sonstigen Leistungen ein solides Spiel ablieferte, dabei die meisten Pässe aller Kölner spielte und emsig versuchte Lücken zu stopfen, fällt der Blick an dieser Stelle auf den einzigen deutschen Nationalspieler im Team von Peter Stöger.
Jonas Hector konnte zum Saisonauftakt nur sehr wenige Argumente gegen Kritiker liefern, die den 27-Jährigen lieber als Linksverteidiger denn im Zentrum sehen würden. Dass Hector auch künftig dauerhaft im Zentrum auflaufen wird, darf angesichts der Aussagen vor der Saison und der Transferpolitik des effzeh, sicher angenommen werden. In Mönchengladbach war er seinem Team dort allerdings eher wenig von Nutzen.
Während Hector selbst als Linksverteidiger immer extrem häufig ins Aufbauspiel des effzeh eingebunden wurde, zeigte er sich im Borussia-Park seltsam unauffällig und zurückhaltend. Es schien oft so, als laufe das Spiel an Löws Konstante weitestgehend vorbei. Bis zum Ende hatte er gerade einmal knapp die Hälfte seiner Zweikämpfe gewonnen, dafür aber auch die zweitmeisten Ballverluste aller Kölner Feldspieler. Weder Ideen noch Stabilität gingen von Hector aus.
Eigenschaftsverlust mit Folgen
Dabei zeigte die für seine Maßstäbe höchst durchwachsene Leistung des Nationalspielers, wie wichtig er für das Spiel des effzeh ist. Passsicherheit, Stabilität, gute Antizipation und Zweikampfhärte waren die Attribute, die dem effzeh im Zentrum oft fehlten – gleichzeitig sind es genau die Eigenschaften, die Hector eigentlich auszeichnen.
Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Gehen derartige Eigenschaften verloren, hat das direkte Auswirkungen auf das gesamte Spielkonzept des effzeh. Mehr lange und ungenaue Bälle, häufige Unterzahl auf den Außenpositionen, schnelle und (wie beim 0:1 gesehen) tödliche Ballverluste im Mittelfeld.
Isolierte Außenverteidiger, Flügelspieler, die beinahe ausschließlich mit Defensivaufgaben beschäftigt sind, Stürmer, die sich all ihre Chancen selbst erarbeiten müssen, und Innenverteidiger, die ohne Ideen aus dem Mittelfeld mit dem Spielaufbau überfordert sind. Derartige Szenarien sollten durch die Versetzung Hectors ins Mittelfeld eigentlich so unwahrscheinlich wie möglich gemacht worden sein. In Mönchengladbach war das nicht der Fall.
Höger schmort erneut auf der Bank
Natürlich sollte man Leistungen der Gesamtmannschaft nicht nur auf einzelne Personalien herunterbrechen, doch Jonas Hector ist eben der vielleicht wichtigste Spieler im System Stöger, normalerweise einer der absoluten Stabilisatoren der Mannschaft.
Zumindest nach diesem Spiel darf die Frage erlaubt sein, ob er das nicht als Linksverteidiger sogar in noch größerem Maße wäre – schließlich ist „Geschwindigkeit“ ja nicht die einzige Eigenschaft, die einen Linksverteidiger auszeichnet und mit Marco Höger saß ein Spieler 90 Minuten auf der Bank, der sich in der ersten Hälfte der letzten Saison auf jener Position im Zentrum auch oft auszeichnen konnte, nun aber schon seit einiger Zeit in Stögers Gunst etwas gesunken ist.
Nach einem Sieg gegen den HSV dürften derartige Diskussionen allerdings schon wieder nichtig werden. Und eines bleibt mit Abstand zur Derbyniederlage auch festzuhalten: Der effzeh traf am ersten Spieltag eben auch auf einen verdammt starken Gegner, der in einer derartigen Form auf dem besten Weg zurück in die Spitzenregionen der Bundesliga ist.