Contra Helmes – ein Kommentar von Thomas Reinscheid
Halleluja – höret die kölschen Himmelschöre singen, sehet über Ehrenfeld, Raderthal, Nippes, Poll, Esch, Pesch und Kalk den Mannaregen herniedergehen.Der Heiland ist dem 1.FC Köln zum dritten Mal innerhalb von sieben Jahren erschienen. Er wird uns kraft seiner Fähigkeiten aus dem Tal der Tränen in das gelobte Land führen. Herzlich willkommen, oh Erlöser, all unsere Hoffnung liegt in deiner beidfüßigen Schusskraft!
Nach fünf Jahren kehrt also Patrick Helmes an das Geißbockheim zurück. Fürwahr, ein Stürmer mit exzellenten Abschlussqualitäten. Beidfüßig netzte der mittlerweile 29-jährige Ex-Nationalspieler in Liga 1 und 2 quasi nach Belieben ein. 45 Tore in 98 Bundesligaspielen und 31 Treffer in 52 Zweitligabegegnungen sprechen für sich. Diese Qualität blieb auch Joachim Löw nicht verborgen: 13 Einsätze absolvierte Helmes mit dem Adler auf der Brust und traf dabei zweimal. Vergangenheit.
Daran erinnert auch dieser Transfer. Einen verletzungsanfälligen 29-Jährigen mit schön anzusehender Vita, entsprechendem Salär, keinerlei Wiederverkaufswert und möglichst emotionaler Beziehung zu diesem Verein und dieser Stadt am Bedarf vorbei zu verpflichten klingt nach etwas, das dieser Verein eigentlich hinter sich gelassen haben wollte. Es klingt nach einer Zusammenfassung aller Transfers, die in der unseligen Ära Overath getätigt wurde.
Denn seien wir einmal ehrlich: Vor der Partie gegen Erzgebirge Aue war der Sturm sicherlich nicht das dringendste Problem, das diese Mannschaft quälte. Der Mangel an Kreativität, die fehlende Passsicherheit, der praktisch nicht vorhandene Spielaufbau in der Defensive, die geringe Torgefahr aus der Distanz, die schlampigen Standards – all das offenbarte sich in den bisherigen Duellen in der 2. Bundesliga.
Dort lagen die Probleme – insbesondere im Zentrum zeichnete sich ein Qualitätsdefizit ab, nicht im Sturm. Die Chancen, die wir in all den Spielen herausspielen konnten, beschränkten sich auf ein Minimum. Ein Knipser wäre angesichts der Leistungen in diesen Partien so ungefähr das Letzte gewesen, was mir zum persönlichen Glück fehlte. Vielmehr waren es unsere Stürmer, die trotz größerem läuferischen Engagement zunehmend in der Luft hingen. Ein geplantes Zusammenspiel war kaum zu erkennen oder wurde stets durch mangelnde Qualität frühzeitig beendet.
Jetzt also Helmes. Die Rückkehr. Eines Spielers mit Qualität. Aber auch die der overath’schen Transferstrategien. Das Fundament des Gebäudes wackelt noch und ist instabil? Egal! Wir holen uns einen namhaften Maler, der die Fassaden schön bunt anmalt. Ob es nicht ratsamer gewesen wäre, auf das vorhandene Spielermaterial zu setzen und dieses nach besten Kräften zu fördern? Eine Mannschaft mit der notwendigen Zeit und Geduld zu entwickeln, deren System unabhängig von Personen funktioniert? Stattdessen wird wieder der dicke Name ausgepackt, der mit seiner individuellen Qualität den Aufstieg vollziehen soll.
Nicht nur bei mir tauchten bei Bekanntgabe des Interesses die Fragezeichen auf, wie der FC diese Verpflichtung finanzieren will. Trotz der Wolfsburger Abfindung und des Gehaltsverzichts, weil wir der glorreiche 1.FC Köln sind, wird Helmes den Geißbock auf der Brust nicht für einen Appel und ein Ei tragen. Das bezahlt ausgerechnet der Verein, der vor der Saison eine Bilanzlücke von über sechs Millionen Euro durch ein „Linke Tasche“-“Rechte Tasche“-Geschäft zwischen KGaA und e.V. geschlossen hat. Ausgerechnet der Verein, der wegen seiner Finanzsituation bei der Stadionmiete auf die Kompromissbereitschaft der Stadt angewiesen war.
Die Personalie Helmes ist die endgültige Abkehr vom Umbruch, vom Demutsgerede: Dieser Transfer ist eine Kampfansage an die Zweitliga-Konkurrenz und der letzte Beweis dafür, dass der FC es ernst meint mit dem Aufstieg. Das unangenehme Gefühl des Hochbombens, wie einst unter Daum mit Novakovic und eben jenem Helmes, macht sich zunehmend breit. Abzuwarten bleibt, ob die Mannschaft diesem Druck als Ligafavorit, den jeder schlagen möchte, gewachsen ist. Ob es ihr gelingt, die – zweifellos vorhandenen – Qualitäten des Stürmers gewinnbringend einzusetzen. Ich habe angesichts der bisherigen spielerischen Armut nicht nur gegen tiefstehende Gegner so meine Zweifel.
Dennoch: Selbst wenn das gelänge, ist Helmes kein Versprechen für die Zukunft. In dieser Saison mag er durch seine Eiseskälte vor dem gegnerischen Tor zum Erfolgsgaranten avancieren, doch was käme nach einem hypothetischen Aufstieg? Seine taktischen Schwächen, seine mangelnde Defensivarbeit gepaart mit einer teilweise recht laschen Auffassung des Laufspiels sind hinlänglich bekannt. Könnte sich ein Aufsteiger einen solchen Spielertyp in der Offensive leisten? Fraglich.
Doch scheint es nicht die mittelfristige Zukunft zu sein, die den 1.FC Köln zu einem solchen Transfer treibt. Mit Helmes scheint der effzeh endgültig zurück im Tagesgeschäft zu sein – der Aufstieg soll mit allem (offenkundig) vertretbaren Mitteln erzwungen werden. Nachhaltige Entwicklung von Spielern, Mannschaft und Verein sieht in meinen Augen anders aus. Mit der Brechstange, die angesichts unserer Offensivbesetzung nicht anders genannt werden kann, soll offensichtlich der Sprung an die anwachsenden Fleischtöpfe in der Bundesliga geschafft werden. Ob das der Königsweg ist? Fraglich!
Eines jedoch ist beruhigend: Als die Verantwortlichen in der vergangenen Saison die Nerven verloren, kam mit Stefan Maierhofer ein Angreifer ans Geißbockheim, der den Beweis jedweder Tauglichkeit für den Profifußball nicht erbringen konnte. Diesmal setzt der FC wenigstens auf Qualität.