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Pedro Geromel: Über das “SportsLab” und andere Umwege in die Seleção

Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Pedro Geromel ist mittlerweile Nationalspieler in Brasilien und dort einer der besten Verteidiger der Liga. Wir blicken zurück auf seine Zeit in Köln und die Umstände seines Transfers.

Wenn am Dienstag in Berlin die deutsche Nationalmannschaft gegen die brasilianische Auswahl testet, wird im Kader der Gäste ein Spieler dabei sein, den man in Köln noch bestens kennt. Pedro Geromel, zwischen 2008 und 2012 immerhin mit 123 Pflichtspiel-Einsätze für den effzeh, ist wenige Monate vor Beginn der WM von Nationaltrainer Tite zum insgesamt dritten Mal berufen worden. Bereits im September 2016 durfte Geromel zur Selecao reisen, kam dort allerdings bei den Siegen gegen Ecuador und Kolumbien in der WM-Qualifikation nicht zum Einsatz. Sein Debüt feierte er dann im Januar 2017 in einem Freundschaftsspiel gegen Kolumbien. Beim ungefährdeten 3:0-Erfolg der Brasilianer am Freitag in Russland kam Geromel zu einem Kurzeinsatz.

Dass Geromel mittlerweile sechs Jahre nach seinem Abgang ein ernsthafter Kandidat für einen Kaderplatz der Nationalmannschaft ist, überrascht dann doch irgendwie – schließlich hatte die Karriere des 1,90m großen Innenverteidigers zwischendurch mal eine erhebliche Delle. 2012 stieg der Italo-Brasilianer als Kapitän mit dem effzeh ab, danach ging er nach Mallorca, wo er ein Jahr später ebenfalls den Klassenerhalt mit seinem Team verpasste. Der Wechsel auf die Ferieninsel war Bestandteil eines komplexen Deals, den der effzeh mit den Mallorquinern damals eintütete: Vor seinem Wechsel nach Spanien verlängerte Geromel seinen Vertrag in Köln bis damals sogar 2016.

Pedro Geromel: Nach Köln und Mallorca wieder Brasilien

Die Idee dahinter: Im Rahmen des “wertsteigernden Ausleihe- und Beteiligungsmodells”, wie es der damalige effzeh-Geschäftsführer Claus Horstmann ausdrückte, sollte Geromel in einer international respektierten Liga seinen Wert erhalten oder sogar steigern, sodass der effzeh im Idealfall von einem weiteren Transfer hätte profitieren können. Die finanzielle Lage in der Domstadt war ernst, der Verein musste sein Tafelsilber in Form von Podolski und Geromel an den Mann bringen, um irgendwie den Spielbetrieb für die zweite Liga finanzieren zu können. Mit einem laufenden Vertrag bis 2016 verabschiedete sich Geromel also zuerst nach Mallorca, wo er nach insgesamt 42 Einsätzen in erster und zweiter Liga sowie im Pokal zum Januar 2014 nach Brasilien weiterverliehen wurde. Aufnehmender Verein war Gremio Porto Alegre – RCD Mallorca hatte Schwierigkeiten, das Gehalt des Brasilianers zu bezahlen.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Der verliehene Spieler wurde in diesem komplizierten Konstrukt also weiterverliehen, wurde aber zumindest bei Grêmio sportlich wieder glücklich – zum 30. Dezember 2014 wechselte er dann fest in die Hafenstadt Porto Alegre, nachdem Grêmio eine Kaufoption gezogen hatte. Seitdem ist Geromel fester Bestandteil der Mannschaft, kam bislang in mehr als 100 Spielen zum Einsatz und ist derzeit sogar erneut Kapitän. Mit Grêmio konnte er bis dato die Copa Libertadores und den brasilianischen Pokal gewinnen, seine Leistungen machten ihn dann auch zwangsläufig für die Nationalmannschaft interessant – er wurde dreimal als bester Verteidiger der Liga ausgezeichnet.

Pedro Geromel als Symboltransfer des “SportsLab”

Man kann sich also durchaus freuen für den ehemaligen Kölner Publikumsliebling, der im Sommer 2008 aus Guimaraes aus der portugiesischen Liga verpflichtet wurde. Der Transfer des umworbenen Brasilianers galt als Meisterstück von Michael Meier, der sich in Zusammenarbeit mit dem “SportsLab” unter der Leitung von Boris Notzon um den Transfer kümmerte. 2008 errichtete der effzeh eine Abteilung mit diesem Titel, die sich unterstützend um das Spielerscouting kümmern sollte – mithilfe von mehr als 30 Sportstudierenden wurden Fußballspiele aus der ganzen Welt gesichtet. Als “zusätzliche Kontrollinstanz der Scouting-Abteilung” beschrieb “ZEIT ONLINE” das “SportsLab” damals.

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“Kein Spieler wird ohne Live-Begutachtung verpflichtet. Wir arbeiten eng mit unseren Live-Scouts zusammen, geben Anregungen, stimmen uns ab und überprüfen gegenseitig unsere Erkenntnisse”, wurde Boris Notzon, mittlerweile Sportdirektor in Kaiserslautern, damals zitiert. Das “komplexe, gut aufgestellte Modell” sei in Europa gar einmalig, was auch an der technischen Umsetzung gelegen habe. Damals mussten Server, Leitungen und Satelliten eingerichtet werden, um die Abteilung überhaupt erst funktionsfähig zu machen. Die “BILD” schrieb damals gewohnt sachlich über die Innovation beim effzeh: “Entdeckt wurde der Brasilianer am Computer – unter der Tribüne des Franz-Kremer-Stadions. Im geheimen „Scouting-Keller“ des 1. FC Köln. Schon der Eingang erinnert an einen James-Bond-Film. Die Tür ist schwer gesichert. Einlass nur über einen Code.”

Keine Revolution des Spielerscoutings durch das “SportsLab”

Für die Verpflichtung von Geromel hatte der Aufwand sich tatsächlich bezahlt gemacht, die langfristigen Erfolge im “SportsLab” sollten sich dann allerdings nicht einstellen. Damals gab es einen großen Hype um die Quantifizierung und Analyse von Daten, das Spielerscouting brachte das aber letztendlich nicht entscheidend voran. Jörg Jakobs, mittlerweile ehemaliger Sportdirektor des 1. FC Köln, kritisierte das “SportsLab” 2014 in einem Interview mit “Spox”, er sagte: “Nach unseren Vorstellungen soll eine Scoutingabteilung wie gesagt möglichst geräuschlos arbeiten. Beim FC wurde zuvor ein anderer Weg gewählt. Nachdem das Sportslab 2008 gegründet wurde, ist man damit auch immer ganz offensiv als Vision und Innovationstempel nach außen gegangen. Das ist aus meiner Sicht unlogisch.”

Foto: Lucas Uebel/Getty Images

Im Zuge der Umstrukturierungen unter Jakobs und Schmadtke wurde das “SportsLab” aufgelöst. Bis heute wird es dennoch immer noch mit der Verpflichtung von Geromel assoziiert wird. Dass die Qualitäten des Brasilianers in Köln bleibenden Eindruck hinterließen, lässt sich nicht leugnen: Die Eleganz des Innenverteidigers war im unausgewogen zusammengestellten Kölner Kader etwas Besonderes. Man kann sich diffus an unzählige Szenen erinnern, in denen der Verteidiger erst ganz grazil einen Zweikampf gewann, bevor er den Ball mit einem guten Pass nach vorne spielte. Der Autor dieser Zeilen ist nach wie vor der Meinung, dass Geromel vielleicht unter anderen Umständen und in einer anderen Mannschaft zu einem Innenverteidiger hätte reifen können, der bei einem europäischen Top-Verein hätte spielen können. Man darf nicht vergessen, dass Geromel erst 22 Jahre alt war, als er nach Köln kam – man hätte ihm aber dennoch einen schöneren Europa-Aufenthalt gewünscht.

Geromel über den 1. FC Köln: “Ich bin Fan geworden”

Dass ihm die Stadt Köln ans Herz gewachsen ist, verriet er anlässlich des Länderspiels am Dienstag zwischen Deutschland und Brasilien dem “EXPRESS”. “Nachdem ich dort aufgehört habe, bin ich ein Fan geworden. Es weckt noch viele Emotionen in mir, wenn ich an die Stadt und den Verein denke. Der FC steckt in einer schwierigen Situation. Ich glaube aber, dass es der FC noch schafft. Jetzt sind sie nicht mehr Letzter, das war der erste Schritt.” Seine eigene Zeit in Köln beurteilt er wie folgt: “Es waren es sehr lehrreiche Jahre. Die ersten zwei Jahre waren spektakulär, da war die Mannschaft sehr gut. Mit der Verpflichtung von Podolski und Maniche wollte der Verein das nächste Level erreichen, aber im vierten Jahr hat es uns leider erwischt. Nichtsdestotrotz habe ich sehr positive Erinnerungen, und ich war in Köln sehr glücklich. Ich habe mich als Mensch und Spieler in Köln weiterentwickelt.”

In seinen vier Jahren in der Domstadt entwickelte das Kölner Publikum jede Menge Sympathien für den Innenverteidiger, der jetzt ein paar Jahre später als Symbolfigur des “alten” effzeh mal wieder nach Deutschland zurückkehrt. Während Geromel in Brasilien um die ganz großen Meriten kämpft, geht es für den 1. FC Köln wahrscheinlich mal wieder in Richtung zweite Liga. Und so haftet beiden ständig etwas Unstetes an.

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