Etwas abseits des Spielerpulks sah man Steffen Baumgart mit Marco Rose nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Martin Petersen in ein Gespräch vertieft. Die Inhalte der Unterredung sind unbekannt, aber möglicherweise hat Baumgart seinem Leipziger Gegenüber mit auf den Weg gegeben, wohlgemeinte Ratschläge auch zu befolgen. Vor der Partie hatte Kölns Trainer dem befreundeten Fußballlehrer nämlich angeboten, bei Bedarf seinen Stressball zu nutzen.
Rose nahm dieses Angebot jedoch nicht wahr und mutierte vielleicht gerade deswegen im Laufe der Begegnung zu einem Derwisch an der Seitenlinie, schmiss sich kurz vor Ende des Spiels sogar auf den Boden und musste nach Abpfiff der Partie von Frank Aehlig, dem ehemaligen Kaderplaner der Kölner, eingefangen werden. Der RB-Coach zeigte sich nach der Partie einsichtig: “Ich habe mich wie ein bockiges Kind auf den Boden geschmissen,” sagte er – und konnte dabei schon recht gelassen schmunzeln. Möglicherweise folgt er ja dem Beispiel seines Kölner Trainerkollegen und nutzt zukünftig die entspannende Wirkung eines Stressballs.
Tempo, schnelle Kombination, Torchancen
Wobei, so richtig entspannt war bei dem Aufeinandertreffen der beiden Teams eigentlich niemand. Nicht die Spieler, schon gar nicht die Trainer und auch die Zuschauer nicht, die ein rassiges Spiel mit engen Zweikämpfen, rasanten Sprints und schnellen Kombinationen präsentiert bekamen. Schon in der 3. Spielminute tauchte Timo Werner alleine vor dem Kölner Tor auf, setzte den Ball jedoch flach am rechten Torpfosten vorbei. In der Folge gab es hüben wie drüben eine Reihe von Halbchancen, bevor André Silva am ausgezeichnet reagierenden Marvin Schwäbe scheiterte (27.). Gut zehn Minuten später gewann Jonas Hector einen Zweikampf im Mittelkreis, der Ball kam zu Benno Schmitz, der einen wunderbaren Pass auf Linton Maina spielte. Der frühere 96er setzte den Ball an den Innenpfosten, den Abpraller schoss Dejan Ljubicic an die Lattenoberkante.
“Ich habe mich wie ein bockiges Kind auf den Boden geschmissen.” (Leipzigs Trainer Marco Rose)
Nach der Halbzeit dauerte es keine zwei Minuten bis zur nächsten großen Torgelegenheit. Timo Werner lenkte ein Zuspiel von André Silva humorlos ins Kölner Tor – 0:1, dachte man. Doch der VAR griff ein, erkannte eine Abseitsposition Silvas im Vorfeld, so dass Schiedsrichter Petersen dem Treffer die Anerkennung versagte. Die beiden Teams schenkten sich auch in der Folge nichts, große Torchancen blieben jedoch bis auf Mainas Gelegenheit (62.) und Benjamin Henrichs gerade noch geblockten Versuch auf der Gegenseite (79.) aus. Und trotzdem – die 49 000 Zuschauer spendeten nach dem Schlusspfiff den Akteuren auf beiden Seiten wohlverdienten Beifall.
Erkenntnisse: Vieles war gut – nur Selkes Verletzung nicht
Was war gut? Ganz, ganz viel. Marvin Schwäbes ausgezeichnetes Torwartspiel, Eric Martels kompromisslose Partie im zentralen defensiven Mittelfeld, Linton Mainas Vorstöße mit einem Tempo, mit dem er sogar die schnellen Leipzigern so manches Mal düpierte. Timo Hübers konnte wieder an seine guten Leistungen des Vorjahres anknüpfen und fand in Jeff Chabot einen kongenialen Partner, der unter Beweis stellte, dass er auch gegen Hochgeschwindigkeitsfußballer mit Champions League-Niveau bestehen kann. Mit Zweikampfstärke, guter Antizipation und enormem Willen.
Und sonst? Davie Selke musste kaum zehn Minuten nach seiner Einwechslung das Spielfeld wieder verlassen, eine Knieblessur ließ ein Weiterspielen nicht zu. Seine Gemütslage war unschwer an seinem zerrissenen Trikot abzulesen. Das Mitgefühl seines Trainers war ihm jedoch sicher: “Davie hat aktuell viel Pech. Er ist seit knapp sechs Wochen hier und hatte schon drei Verletzungen. Wir hoffen, dass die Blessur von heute nicht so dramatisch ist”, ließ er nach der Partie wissen.
Und generell? Gegenüber den letzten Begegnungen des vergangenen Jahres wird schon eine wiedergewonnene Frische sichtbar. Steffen Baumgarts Team ist in der Lage, ein hohes Tempo auch über 90 oder 95 Minuten zu gehen und zeigt sich gerade in der Defensive deutlich verbessert. Das letzte Gegentor kassierte man bei den Bayern, in den vergangenen beiden Spielen behielt man gar eine weiße Weste.
Allerdings konnte man auch selber kein Tor erzielen. Steffen Tigges ist ein sichtbares Bemühen nicht abzusprechen, er scheint auch spielerisch verbessert, nur sind seine Torchancen rar gesät. Die Torflaute ist jedoch nicht den Stürmern alleine anzulasten, auch das offensive Mittelfeld versprüht momentan wenig Torgefahr. Dejan Ljubicic braucht noch etwas, um seine gute Form des Vorjahres wiederzuerlangen, auch Florian Kainz und Linton Maina tun sich mit dem Toreschießen zur Zeit schwer. Und trotzdem, es macht Spaß, dem 1. FC Köln zuzuschauen und das ist, wie die Vergangenheit beweist, weiß Gott keine Selbstverständlichkeit.
Das nächste Spiel: Erbarmen, die Hessen kommen!
Den nächsten Spieltag beschließen die Kölner am kommenden Sonntag (17 Uhr 30) mit einem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt. Mit Oliver Glasners Elf gibt das momentan vielleicht formstärkste Bundesligateam seine Visitenkarte in Müngersdorf ab. In allen Mannschaftsteilen überdurchschnittlich besetzt profitieren die Hessen zur Zeit von der überragenden Performance ihres Mittelstürmers Randal Kolo Muani. Ihn auszuschalten wird Schwerstarbeit für Timo Hübers und Jeff Chabot bedeuten, da braucht man kein Prophet zu sein.
Vielleicht wird dem FC die größere Frische in die Hände spielen, müssen die Frankfurter doch unter der Woche im Pokal antreten, wo sie auf Zweitliga-Spitzenreiter Darmstadt 98 treffen – keine leichte Aufgabe. Die Kölner werden ausgeruht sein und können Selbstvertrauen aus ihrer guten Leistung gegen RB Leipzig beziehen. Allerdings, dies allein wird nicht reichen, um Zählbares in der Domstadt zu behalten.