Die Vorzeichen hätten vor dem Heimspiel gegen Darmstadt 98 wohl kaum besser sein können. Ausverkauftes Haus, ein sympathischer Gegner und Sonnenschein im Müngersdorfer Stadion – alles war angerichtet, um den Klassenerhalt mit einem Sieg perfekt zu machen und die symbolische Marke von 40 Punkten zu erreichen. Dass der effzeh in einem unterhaltsamen und bisweilen etwas verrückten Spiel den höchsten Sieg seit dem Wiederaufstieg schaffte und somit jegliche Restzweifel am Klassenerhalt wegwischte, gab Anlass für ausgedehnte Feierlichkeiten für Spieler, Funktionsteam und Anhang.
Mentale Stärke des Teams als großes Plus
In dieser extrem ausgeglichenen Bundesligasaison bereits drei Spieltage vor Schluss 40 Punkte und somit auch theoretisch noch die Chance auf das internationale Geschäft zu haben ist in jedem Falle beruhigend für alle effzeh-Fans, da die zwischenzeitliche Durststrecke und insbesondere die vier in Serie verlorenen Spiele vor heimischem Publikum doch noch bei dem Ein oder Anderen die Sorgenfalten größer werden ließen. Mit etwas mehr Abstand wird es die Aufholjagd gegen Mainz sein, die als Schlüsselmoment der effzeh-Saison 2015/2016 in kollektiver Erinnerung bleiben wird. In einer insgesamt positiven Saison, in der teilweise ein wenig die Cleverness und zugegebenermaßen auch das nötige Glück etwas abhanden kamen, ist es in jedem Fall die mentale Stärke der Mannschaft, die über allem steht und Grundvoraussetzung für die sportliche Leistungsfähigkeit ist. Dementsprechend kann man immer davon ausgehen, dass der effzeh in Situationen, in denen Leistung erbracht werden muss, im Normalfall auch funktioniert. Fällt das System dann in einigen Momenten kurzfristig aus, kann es passieren, dass man mal ein Spiel verliert, aber grundsätzlich braucht man sich um diesen effzeh keine Sorgen zu machen. Die nächste Etappe in der Entwicklung hin zu einem etablierten Erstligisten ist getan, weitere Schritte müssen folgen.
Eine furiose Anfangsphase endet 1:1
Von daher konnte auch die ansehnliche Serie von sechs unbesiegten Spielen in Folge des SV Darmstadt 98 den Siegeswillen der Geißböcke nicht negativ beeinflussen. Mit leicht verändertem Personal und einer klugen taktischen Herangehensweise bereitete man den Südhessen Probleme, die ihrerseits sicherlich nicht den allerbesten Tag hatten und insbesondere in der ansonsten so starken Endverteidigung einige Fragen offen ließen. Die Nominierung von Yuya Osako trug zu Beginn der ersten Halbzeit insofern Früchte, als dass der Japaner mit seiner enormen Ballsicherheit und Passstärke viele gelungene Kombinationen initiierte und im Zusammenspiel mit Jonas Hector für den Balltransport ins letzte Drittel verantwortlich war. Bereits in der vierten Minute führte die erste zielgerichtete Attacke zum 1:0: ruhiges, sicheres Aufbauspiel und das Warten auf den richtigen Moment und auf die richtige Position zum Spielen eines vertikalen Passes, anschließend eine Ablage auf einen nachrückenden Spieler und schließlich der gute Pass von Gerhardt auf Modeste – das sah tatsächlich nach Fußball aus. Dieses Tor steht in gewisser Form sinnbildlich für die Entwicklung des Offensivspiels des effzeh, da Verbesserungen im Positionsspiel und eine sinnvolle Besetzung der zu bespielenden Räume offensichtlich als Schwerpunkte in der Trainingsarbeit galten. Die begeisternde Anfangsphase des effzeh hätte dann durchaus schon relativ früh das 2:0 bringen können, erst scheiterte Osako, dann Modeste, jeweils nach Anspielen des starken Risse.
Dass im Fußball Erfolg und Misserfolg, Glück und Pech nah beieinanderliegen, sollte sich für den effzeh in der 12. Minute bewahrheiten, als Mladenovic nach einer Hereingabe zu unentschlossen agierte und den Ball nicht aus der Gefahrenzone brachte. Jerome Gondorf setzte aggressiv nach und schob zum 1:1 ein. Anstatt mit einer beruhigenden Führung ging der effzeh also mit einem Unentschieden aus der Anfangsphase heraus, woran die Mannschaft dann auch ein wenig zu knabbern hatte. Darmstadt bekam nach dem Ausgleich einen Fuß in die Tür und der effzeh musste sich erst neu sortieren, obwohl bis dato eigentlich alles für den Gastgeber sprach. Die Gäste boten anschließend weniger Räume an und der effzeh bekam kaum Tempo ins Spiel.
Modestes und Risses Qualitäten bringen den effzeh in Front
Diese Phase dauerte ungefähr eine Viertelstunde nach dem Ausgleich an, bis eine Mladenovic-Flanke auf Hector und ein Abschluss von Modeste den effzeh wieder näher an das 2:1 brachten. In der 35. Minute stellte Modeste seine enormen Qualitäten unter Beweis, als er einen langen Longline-Ball von Sörensen perfekt verarbeitete und zum 2:1 einschob. Dieses Tor erinnerte stark an den 3:2-Siegtreffer in Mainz und alleine diese beiden Torerfolge wiegen die unzähligen Versuche aus anderen Spielen auf, in denen a) der lange Ball zu schlecht gespielt wurde oder b) Modeste im Abseits stand. Fünf Minuten später hätte Modeste nach einer Energieleistung von Marcel Risse das 3:1 erzielen müssen, setzte den Ball aber aus kurzer Distanz am Tor vorbei. Trotzdem ist er mit 14 Toren mittlerweile der erfolgreichste französische Torschütze in einer Saison – Rekord!
Die Führung des effzeh zur Pause war natürlich verdient, stand allerdings auf tönernen Füßen. Peter Stöger sah das ähnlich und brachte mit Heintz etwas mehr Stabilität für die LV-Position, um auch die Darmstädter Standards besser verteidigen zu können. Früh zu Beginn der zweiten Hälfte erhöhte der effzeh seine Führung: dem 3:1 ging eine Willensleistung des umtriebigen Risse zuvor, der sich auf rechts gegen Junior Diaz durchsetzte und dann mit einer Außenrist-Flanke à la Quaresma ins lange Eck traf. Kann man ja mal machen.
Trotz Chancenverwertung und Schwächen bei Standards: der effzeh hat’s gepackt
Doch wer dachte, dass die Darmstädter jetzt geschlagen sein würden, hätte sich getäuscht: innerhalb von kürzester Zeit brachten jeweils eine Standardsituation der Gäste enorme Gefahr, als einmal Vrancic und einmal Sulu nur den Pfosten trafen. Der effzeh überließ den Gästen dann mehr und mehr den Ball und wartete auf die eine Kontersituation, um das Spiel endgültig zu killen. Wieder einmal Anthony Modeste hätte nach einem Hector-Freistoß das 4:1 erzielen können (67.), Luca Caldirola auf der Gegenseite aber genauso gut den Anschlusstreffer wieder einmal nach einer Standardsituation, bei denen der effzeh insgesamt ein wenig mit dem Glück im Bunde war. Eine Viertelstunde vor Schluss brachte dann ein Konter über Matze Lehmann und Milos Jojic, beide eher nicht als die begnadeten Umschaltspieler bekannt, Marcel Risse in eine Abschlussposition, aus der der Kalker das 4:1 erzielte und damit das Spiel in trockene Tücher brachte.
Die wohlwollend umschrieben ausbaufähige Chancenverwertung hätte durchaus einen höheren Sieg bringen können, auch die angesprochenen Standardsituationen der Darmstädter hätten das Spiel länger offenhalten können.
Doch irgendwann ist es auch einmal gut mit der Mäkelei: der effzeh hat sein Saisonziel erreicht und in den letzten drei Spielen die Chance, einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen. Die Planungssicherheit ist jetzt definitiv und wir können ohne Stress den verbleibenden drei Spielen entgegensehen. Wie sieht nochmal das Restprogramm der Schalker, Mainzer und Gladbacher aus? Wir fragen für einen Freund…