Es wird ernst in Belgrad: Das Duell zwischen dem 1. FC Köln und Roter Stern ist ein echtes Endspiel – wir sprachen darüber mit einem Belgrader Fan.
Vor dem Entscheidungsspiel ums Weiterkommen in der Europa-League-Gruppenphase haben wir wieder mit Belgrad-Experte Nenad Mijaljević gesprochen, der auf Twitter einen englischsprachigen Account zu seinem Lieblingsverein Roter Stern Belgrad betreut – hier entlang. Mit ihm sprachen wir über die Fankultur in Serbien, Tickets für Waisekinder und die Rolle eines Unterweltkönigs im Jugoslawien-Krieg.
Nenad, allzu viel hat sich nicht verändert, seitdem wir im September das letzte Mal gesprochen haben. Roter Stern ist immer noch Erster in der serbischen Liga, während der 1. FC Köln in der Bundesliga immer noch kein Spiel gewonnen hat. In Köln herrscht derzeit dezentes Chaos, Trainer und Sportdirektor sind weg. Es tut uns also gut, mit einem Europa-League-Spiel abgelenkt zu werden. Wie ist momentan die Stimmung bei Roter Stern?
Bei uns ist die Stimmung gut, wir haben große Erwartungen in Bezug auf das Spiel. Das liegt aber nicht daran, dass wir Köln unterschätzen. Der effzeh hat Arsenal geschlagen und gezeigt, dass er vielen Mannschaften gefährlich werden kann. Es wird mit Sicherheit ein enges Spiel.
Am Donnerstag wird es in jedem Fall ein entscheidendes Spiel werden, weil es um den Einzug in die nächste Runde geht – wie ist die Form von Roter Stern aktuell? Ist die Mannschaft gut auf dieses Finale vorbereitet?
Das Team ist momentan gut drauf, auch wenn es gegen FK Bačka am Wochenende nur ein Unentschieden gab. Insbesondere die beiden Stürmer Boakye und Pešić sind formstark, sie haben zuletzt viele Tore geschossen.
Wir haben riesigen Respekt vor den Köln-Fans, die ihre Tickets verschenkt haben an diejenigen, die nicht viel zum Leben haben.
Viele Köln-Fans hatten sich ein Ticket für das Spiel in einem Dreier-Paket gesichert. Für euer Heimspiel gegen Arsenal wurden diese Tickets dann an Waisenkinder weitergegeben. Wie wurde diese Aktion aufgenommen?
Wir haben riesigen Respekt vor den Köln-Fans, die ihre Tickets verschenkt haben an diejenigen, die nicht viel zum Leben haben. Das wird man hier in Belgrad sicherlich nicht so schnell vergessen und ich hoffe, dass es hilft, dass effzeh-Fans in Belgrad keine Schwierigkeiten bekommen – abgesehen von der Auswärtsniederlage natürlich (grinst).
Was für eine Atmosphäre können wir für Donnerstag erwarten?
Ich habe keine Kontakte zu den Ultras, deswegen weiß ich nicht, ob es eine spezielle Aktion geben wird. Eine interessante Choreo wird es aber mit Sicherheit geben, wie sonst auch.
Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images
Es gibt ein weiteres Thema, was wir gerne von dir eingeordnet hätten: Im Fußballmagazin “11FREUNDE” erschien vor kurzem ein Artikel, der sich mit den Belgrader Hooligans in den 1990er Jahren beschäftigt. Zeljko Raznatovic, besser bekannt als “Arkan”, wurde zu einer wichtigen Figur unter den Fans von Roter Stern und im Verein. Der nationalistische Unterweltkönig machte aus den Hooligans Soldaten, die dann später Tausende von Menschen getötet haben. Jetzt, in 2017, ist Arkan tot und der Krieg vorbei – wie präsent ist er allerdings noch in Belgrad?
Ich glaube nicht, dass die Leute damals in den Krieg gezogen sind wegen Arkan. Sie zogen in den Krieg, weil Krieg war. Sie taten das wahrscheinlich, weil sie dachten, es wäre das Richtige gewesen…das war eine sehr komplizierte Zeit damals. Arkan war sehr einflussreich, aber dankenswerterweise hat er den Klub nicht komplett für sich einnehmen können. Mit dem kleineren Belgrader Verein Obilic musste er sich stattdessen zufriedengeben. Der Verein wurde sogar Meister und traf auf Bayern München in der CL-Qualifikation. Heute ist er nicht mehr präsent, aber ich bin mir sicher, dass es bestimmt eine Sektion der Fans gibt, die ihn heute noch bewundern.
Wie steht es denn generell um die Fankultur in Serbien?
Der Zustand war schon einmal besser, was insbesondere daran liegt, dass die meisten Klubs ziemlich schwach sind. Deswegen schaffen sie es nicht, die Leute aus dem direkten sozialen Umfeld zu aktivieren – abgesehen von Partizan und Roter Stern gibt es keinen Verein, der mehr als einhundert Auswärtsfans mitbringt. Es gibt sogar einige Vereine, die gar keine Auswärtsfans im Schlepptau haben – das ist natürlich dramatisch.
Was sollten sich denn auswärtsfahrende effzeh-Fans anschauen, wenn sie in Belgrad sind und Zeit haben?
Ich würde einen Spaziergang im Kalemegdan-Park vorschlagen. Was auch immer geht, ist ein Besuch des Nikola-Tesla-Museums oder auch ein kühles Getränk am Fluss. Neben dem Dom des Heiligen Sava ist natürlich auch das Roter-Stern-Museum sehr empfehlenswert!
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