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Mögliche Modeste-Sperre: “Der Kontrollausschuss muss sich zweifelsfrei sicher sein”

Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images

Das Ermittlungsverfahren gegen effzeh-Torjäger Anthony Modeste erhitzt derzeit die Gemüter. Wir baten Alex Feuerherdt vom Schiedsrichter-Podcast “Collinas Erben” um seine Einschätzung.

Die 38. Spielminute beim 6:1-Kantersieg in Darmstadt könnte für den 1. FC Köln ein bitteres Nachspiel haben: Der DFB-Kontrollausschuss hat ein Verfahren gegen effzeh-Torjäger Anthony Modeste eingeleitet. Dem Franzose wird vorgeworfen, “Lilien”-Verteidiger Aytac Sulu ins Gesicht geschlagen zu haben. Was nun passieren wird, weshalb der Unparteiische Robert Kampka die Situation nicht gesehen hat und welche Sperre Modeste droht, besprechen wir mit Experte Alex Feuerherdt. Die bessere Hälfte des Schiedsrichter-Podcasts Collinas Erben ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung der Kölner Unparteiischen und leitet selbst seit 1985 Partien.

Hallo Alex, der DFB-Kontrollausschuss eröffnet ein Ermittlungsverfahren gegen Anthony Modeste wegen seiner vermeintlichen Tätlichkeit gegen Aytac Sulu. Was heißt das genau – und was passiert nun?

Als dafür zuständige Instanz wird der Kontrollausschuss nun erst einmal die Beteiligten befragen. Bei Schiedsrichter Robert Kampka ist das bereits geschehen – er hat angegeben, die Situation nicht gesehen zu haben und damit den Weg für eine Ermittlung freigemacht. Nun wird Modeste eine Stellungnahme abgeben können, auch Sulu dürfte befragt werden. Diese Aussagen sowie das Videomaterial bilden die Grundlage für die Entscheidung, ob der Kontrollausschuss eine Sperre verhängen wird.

Je öfter ich die Szene in der Wiederholung sehe, desto mehr drängt sich auf, eine Tätlichkeit nicht abwegig zu finden. Aber: In verschiedenen Blickwinkeln und verschiedenen Abspielgeschwindigkeiten kann man durchaus zu unterschiedlichen Urteilen gelangen.

Welchen Eindruck hattest du von der Situation?

Die Szene ist sicherlich nicht eindeutig. Ich hatte den Eindruck, dass Modeste durchaus in Kauf genommen hat, Sulu zu treffen. Ob der Schlag ins Gesicht Absicht oder doch Teil einer natürlichen Bewegung war, ist schwierig zu beurteilen. Die Spieler sind mittlerweile gut darin geworden, Dinge wie einen Unfall aussehen zu lassen. Je öfter ich die Szene in der Wiederholung sehe, desto mehr drängt sich auf, eine Tätlichkeit nicht abwegig zu finden. Aber: In verschiedenen Blickwinkeln und verschiedenen Abspielgeschwindigkeiten kann man durchaus zu unterschiedlichen Urteilen gelangen. Der Kontrollausschuss muss sich letztlich zweifelsfrei sicher sein, dass es eine Tätlichkeit von Modeste war – und keine natürliche Bewegung, die auch ein Foul gewesen sein kann.

Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images

Vielfach wird nicht verstanden, warum gegen Modeste ermittelt wird, während beispielsweise ein David Abraham zuletzt für seinen Ellbogenschlag gegen Sandro Wagner ohne Sanktion davon kommt. Wird da beim DFB etwa mit zweierlei Maß gemessen?

Nein. Ob ermittelt wird oder nicht, liegt einzig daran, ob der Schiedsrichter die Aktion gesehen und bewertet hat. Das Beispiel Abraham zeigt das ganz gut auf: Der Unparteiische hat den Zweikampf gesehen, bewertet und fälschlicherweise als Foul am Frankfurter gepfiffen. Das war zwar falsch, aber eben eine Tatsachenentscheidung. Was der Schiedsrichter aber nicht sieht, kann er nicht bewerten – und eben auch keine Tatsachenentscheidung treffen. Da das bei Modeste der Fall ist, wurde der Weg für eine Ermittlung frei.

Auf Seite 2: Warum der Schiedsrichter die Situation nicht sah
und welche Sperre Anthony Modeste nun droht


Als Schiedsrichter-Laien stößt Kampkas Aussage, er habe die Situation nicht gesehen, sauer auf – schließlich stand er doch in direkter Nähe zum Geschehen. Wie kann sowas denn sein?

Das ist durchaus erklärbar. Für Schiedsrichter steht der Ball im Fokus, schließlich passieren im Kampf um den Ball das Gros der Fouls. In diesem Fall ist Kampka einfach dem Passweg gefolgt und hatte die Situation um Modeste schlichtweg nicht mehr im Blick. So kurios das auch klingen mag: Vielleicht war er sogar zu nah am Geschehen, um die Aktion von Modeste im Auge zu haben. Schließlich bahnte sich zwischen Christian Clemens und Fabian Holland bereits der nächste zu beurteilende Zweikampf an.

Also hältst du Kampkas Aussage nicht für eine Schutzbehauptung, um einen Wahrnehmungsfehler zu vertuschen?

Auf keinen Fall. Egal, ob er es nicht gesehen oder aber einfach anders beurteilt hätte – kritisiert worden wäre er so oder so. Dass er nun den Weg des geringsten Widerstands gegangen ist, lässt sich daher nicht behaupten. Wer sich die Situation nochmals anschaut, wird auch sehen, dass er keinerlei Reaktion zeigt. Er blickt nicht in die Richtung, er zeigt nicht „Weiterspielen“ an, er konzentriert sich vollends auf den Ball. Körpersprache, Gestik und Laufstil deuten für mich klar darauf hin, dass er die Aktion wirklich nicht gesehen hat.

Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images

Wenn der Kontrollausschuss zur Einsicht gelangt, es liegt eine Tätlichkeit vor: Wie lang droht Modeste gesperrt zu werden?

Da der Spieler in der jüngeren Vergangenheit nicht negativ aufgefallen ist, gilt er zumindest nicht als „Wiederholungstäter“, was sich strafverschärfend auswirken würde. Der Strafrahmen bei einer Tätlichkeit bewegt sich zwischen sechs Wochen und sechs Monaten. Sollte es sich um einen leichten Fall handeln oder die Tätlichkeit nach einer zuvor am Spieler begangenen sportwidrigen Handlung vollzogen worden sein, reduziert sich das Mindestmaß auf drei Wochen. Träfe beides zu, dann ist mindestens eine zweiwöchige Sperre zu verhängen.

Kann bei der Zumessung der Dauer auch Sulus Äußerungen strafmildernd wirken?

Der geschilderte Eindruck kann durchaus eine Rolle spielen. Auch auf dem Platz waren die Proteste ja sehr verhalten, das gesamte Setting sprach nicht dafür, dass eine klare Tätlichkeit vorgefallen sei. Letztlich muss sich der Kontrollausschuss aber, wie bereits erwähnt, zweifelsfrei sicher sein, dass Modeste Sulu absichtlich geschlagen hat.

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