Die Mitgliederversammlung des effzeh im Jahr 2015 ist vorbei. Zentrale Schlagworte sind „Ruhe“ und „Rekorde“ – auch auf die Versammlung selbst bezogen.
Es war nicht absehbar, dass es eine besonders unterhaltsame Mitgliederversammlung werden würde, die der effzeh gestern abhielt. Keiner der Tagesordnungspunkte bot wirklichen Zündstoff und die sportliche Lage ist so gut, dass sich ohnehin kaum jemand trauen würde, vermeintliche Kritik auf einer solchen Veranstaltung zu üben. Es wurde also ein entspanntes Event, das zwar mit neunminütiger Verspätung begann, aber sich auch nicht beeilen musste. Rund 1000 Mitglieder waren zu Beginn der Versammlung anwesend, davon auch einige, die eine lebenslange Mitgliedschaft abgeschlossen haben. Diejenigen, die stellvertretend für die knapp 600 solcher standen, wurden gesondert begrüßt, genau wie zwei Mitglieder, die es nun fünfzig Jahre im Verein gehalten hat.
Markus Ritterbach begann den Einstieg in den Verlauf der Sitzung mit dem Hinweis darauf, dass es nun über 75.000 FC-Mitglieder gäbe, was für enormen Applaus sorgte. Einen solchen erntete effzeh-Präsident Werner Spinner mehrfach in seiner 45-minütigen Rede, in der er das gesamte Jahr rekapitulierte. Vieles erschien bekannt, etwa die Angriffslust Spinners, der mal gegen die Presse („Da hat dann mal eine Boulevardzeitung geschrieben…“), mal gegen die Stadt Köln („Das Wahldesaster macht Köln zur Lachnummer der Republik“), mal gegen überzogene Erwartungen („Fünf Prozent der Leute fragen mich, wann wir denn europäisch spielen“) und mal gegen den DFB („Die Strategie, alles über Strafen zu regeln, ist falsch.“) Spitzen setzte. Er hob die fantastische Arbeit der Geschäftsführung „mit den goldenen Händen“ hervor und lobte die „konzentrierte Ruhe“ im Verein.
„Gesellschaftlicher Verantwortung stellen“
Spinner stellte glaubwürdig die gesellschaftlich verantwortungsvollen Handlungen des Vereins in den vergangenen Wochen dar. Das Engagement zur Verbesserung der Situation für Flüchtlinge sei enorm wichtig, was er mit dem Hinweis auf Austritte ergänzte, die im Zuge der effzeh’schen Flüchtlingshilfe aufgekommen seien. „Bei denjenigen“, so Spinner, „war die Mitgliedschaft ohnehin ein großes Missverständnis.“ Er hob außerdem die Wichtigkeit einer funktionierenden Stadtspitze, nicht zuletzt für den Verein, hervor und bat nochmals alle darum am 18. Oktober wählen zu gehen. Spinner zeigte, dass er eine der besonderen Triebfedern des gesellschaftlichen und politischen Engagements des Vereins ist und betonte mehrfach, dass sich der Verein seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewusst sei und dieser auch nachkommen werde. Dies gelte auch für die Fans, die man nicht einfach so aussperren dürfe, sondern im Dialog weiterkommen müsse. Seinem Unmut über das Fan-Verhalten beim Derby machte Spinner dennoch kräftig Luft.
Nicht ohne Stolz verwies Spinner auf den enormen Anstieg der Mitgliederzahlen. Während es im Jahr 2005 noch rund 29.000 Mitglieder waren, ist der Verein nun bei rund 75.000 angelangt. Die Kampagne seit 2013 trug dabei enorme Früchte, denn alleine in den letzten zwei Jahren gab es 20.000 Neuanmeldungen. Das Ziel sei es, laut Alexander Wehrle, bis 2017 die 100.000 zu knacken. Dafür würde demnächst eine Werbekampagne für Köln gestartet, da viele Kölner zwar effzeh-Fans, aber keine Mitglieder seien. Diese möchte der Verein demnächst dazu gewinnen. Der Applaus brandete vor allem auf, als eine Grafik eingeblendet wurde, die zeigte, dass der effzeh nun der viertgrößte deutsche Verein sei. Gladbach und der HSV sind überholt, nur noch Schalke, Dortmund und Bayern stehen vor dem effzeh.
Rekordmann Wehrle
Der Geschäftsführer Finanzen verkündete exklusiv die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr. Der effzeh hat 89,7 Millionen Euro Umsatz gemacht, ein Rekordergebnis und 17 Millionen mehr Umsatz als im vergangenen Jahr. Abzüglich Steuern und 1,1 Millionen Euro für Investor Franz-Josef Wernze im Zuge des Transfers von Pedro Geromel wurde ein Rekordgewinn von 2,7 Millionen Euro aus dem laufenden Betrieb erwirtschaftet. Die Merchandisingerträge waren ebenfalls rekordtauglich: Rund neun Millionen Euro nahm der Verein hier ein, auch bei Trikotverkäufen sei ein Rekord erzielt worden. Und im nächsten Jahr? Klar, da wird’s weitere Rekorde geben. Das Knacken der 100-Millionen Grenze beim Umsatz erscheint möglich. Der sichtlich glückliche Wehrle verkündete auch, dass sich der Verein immer noch in der Konsolidierungsphase befinde und ein Stadionausbau völlig unrealistisch und kein Thema für 2016 und 2017 sei.
Der Bericht Jörg Schmadtkes war weniger rekordlastig und etwas kürzer, aber trotzdem erfreulich. Er betonte wie wichtig es sei, dass es im Verein eine so ruhige und realistische Einstellung gebe und dass vor allem das Trainerteam eine exzellente Arbeit mache. So habe sich im letzten Jahr der Ausfall von Patrick Helmes kaum bemerkbar gemacht, da Anthony Ujah eingesprungen sei. Man dürfe, so Schmadtke, nie vergessen, woher der effzeh käme und mit welchen Spieleretats andere Vereine operieren. Der effzeh dürfe keine Ziele ausrufen, die man nicht erreichen könne. „Ruhe bewahren“ ist also weiterhin das Leitmotiv, mit dem der Verein fährt.
Kleine Veränderungen im Mitgliederrat
Stefan Müller-Römer berichtete als Vorsitzender des Mitgliederrates kurz über die Aktivitäten in den vergangenen Jahren. So sei beispielsweise das FC-Museum angestoßen worden, der Austausch mit dem Vorstand intensiv und die Atmosphäre zwar häufig kritisch, letztlich aber immer konstruktiv gewesen. Die Linie des Vorstands, auf den Dialog mit den Fans zu setzen, würde vom Mitgliederrat zu 100% unterstützt. Ein besonderer Dank ging hier an Thomas Schönig und Rainer Mendel, die die Leitung der AG Fankultur übernahmen. Er dankte außerdem den ausscheidenden Mitgliedern Boris Gehlen und Josef Sanktjohanser, die aus privaten Gründen nicht mehr kandidierten. In den neuen Mitgliederrat wurden dann alle Kandidierenden gewählt, auch, weil es nur 14 Bewerbungen auf maximal 15 Plätze gab und Michael Trippel in seiner Bewerbungsrede darum bat, doch bitte alle zu wählen, damit die Plätze nicht unbesetzt blieben.
„…dem tret‘ ich vor’s Schienbein!“
Es war eine völlig harmonische und letztlich komplett unspektakuläre Veranstaltung. Die Mannschaft bekam lange stehende Ovationen, die Satzungsänderungen wurden beschlossen, FC-Präsident Spinner schwang als einziger auf der Bühne während der Hymne den Schal und der Vorstand ließ einen lockeren Spruch nach dem anderen los. Die größte Aufregung bestand darin, sich über die langen Wahl- und Abstimmungsvorgänge zu echauffieren. Bereits bei den Entlastungen von Vorstand und Mitgliederrat gab es Unmut über die lange Dauer des Prozesses. Nicht einmal die Tatsache, dass es künftig eine 3%-Hürde für externe Vorstandskandidaturen gibt, regte zu einer Wortmeldung an. Zum Vergleich: Bei 75.000 Mitgliedern bedeutet dies, dass 2250 Unterschriften zur Kandidatur notwendig sind – in der Halle waren gestern 1000…
Für die Leitbegriffe “Ruhe” und “Rekorde” sprach auch, dass es während der gesamten Veranstaltung keine einzige Wortmeldung aus den Reihen der Mitglieder gab. Es mag dafür zwar auch keinen Anlass gegeben haben, aber mit zunehmender Länge der Veranstaltung wuchs auch die Ungeduld der Mitglieder stark an. Als Werner Spinner beim letzten Tagesordnungspunkt etwa die Frage stellte, ob es denn nicht wenigstens einen Redebeitrag gäbe, sagte ein Mitglied zu ihrem Sitzumfeld, dass sie „demjenigen persönlich vor’s Schienbein treten“ würde, wenn sich hier jetzt jemand melden würde, es sei ja schließlich schon spät. Eine spürbar andere Vereinskultur im Vergleich zu den Overath-Jahren ist das zwar nicht. Aber sie spiegelt das wider, was der Verein vorgibt: Ruhe und Rekorde. Vielleicht wollten alle aber auch nur zügig das Freikölsch und die Gutscheine, die man bei der Abgabe des Stimmgeräts erhalten konnte, bekommen.