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Meré im Portrait: Ein Grätschengott aus Asturien für den 1. FC Köln

Foto: MIGUEL RIOPA/AFP/Getty Images

Der 1. FC Köln holt Jorge Meré an den Rhein – wir haben uns das spanische Top-Talent und die Bedeutung seines Wechsels genauer angeschaut. Das effzeh.com-Spielerpotrait.

„Ich glaube nicht, dass Meré nach Malaga geht“, erklärte Jörg Schmadtke noch zu Wochenbeginn. Wenn man gleichzeitig die einschlägige Presse beobachtete, hätte man durchaus einen anderen Eindruck bekommen können. Doch der Kölner Geschäftsführer dürfte damals schon mehr gewusst haben, über Jorge Meré und seine Zukunftspläne. Auch wenn es den Anschein machte, als würde Malaga das Rennen um den talentierten Innenverteidiger von Absteiger Sporting Gijon machen, sollte Meré schlussendlich in Köln landen.

„Es gab viele Gerüchte, aber mein Ziel war es immer, zum 1. FC Köln zu wechseln“, kommentierte der Neuzugang auch prompt die medialen Irrungen, die seinen nächsten Karriereschritt begleitet hatten. „Der FC ist ein Verein, bei dem man sich als junger Spieler sehr gut entwickeln kann“, erläutert Meré seine Beweggründe. „Ich freue mich sehr darauf, mich in der Bundesliga und in der Europa League zu beweisen.“

Nun ist „immer“ im Fußball-Geschäft ein sehr flexibel einsetzbares Wort. Dass Meré damit also vor allem diese Transferphase gemeint hat, dürfte keine kühne Behauptung sein. Der 20-jährige Nachwuchsmann verlängerte schließlich seinen Vertrag am Golf von Biskaya vor nicht allzu langer Zeit. Und wäre vermutlich einfach dort geblieben, wo er aufgewachsen und als Fußballer zum Profi gereift ist, hätte sein Heimatclub am Saisonende nicht den bitteren Gang in die zweite Liga antreten müssen. Das sportliche Niveau, das ein Talent vom Schlage Merés braucht, hätte es in Gijon in naher Zukunft nicht mehr gegeben.

Jorge Meré: Nie um eine Grätsche verlegen

Foto: MIGUEL RIOPA/AFP/Getty Images

Und Meré, dem in der Vorsaison der Durchbruch gelang, bestätigte im letzten Jahr, dass man auf höchstem Niveau mit ihm rechnen muss. Der Rechtsfuß überzeugt vor allem mit gutem Stellungsspiel und seiner Zweikampfstärke. Eine gepflegte Grätsche scheut Meré keineswegs – in der spanischen Liga gehörte er zu den aktivsten Verteidigern in dieser Kategorie.

Das Passspiel des jungen Spaniers braucht sich mit rund mit 82 Prozent erfolgreichen Zuspielen ebenfalls nicht zu verstecken. Zum Vergleich: Kölns Frederik Sörensen erreichte in der letzten Saison eine Quote von 71 Prozent, Dominique Heintz liegt ebenfalls bei 82 Prozent. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Defensive von Gijon als potenzieller Abstiegskandidat dauerhaft unter Druck gesetzt wurde – eine sportliche Situation, die der 1. FC Köln glücklicherweise zwischenzeitlich hinter sich gelassen zu haben scheint.

Der „moderne Innenverteidiger”, der im Zweifel auch eine Rolle im zentralen Mittelfeld übernehmen könnte, ist der junge Spanier allerdings (noch) nicht. Seine Stärken liegen viel mehr im hingebungsvollen Zweikampfverhalten, das von gekonnten Grätschen geprägt ist, nicht im Spielaufbau. Dass er mit 1,82 Metern nicht gerade Gardemaß mitbringt, gleicht Meré durch sein gutes Stellungsspiel und seine zähe Hartnäckigkeit aus. „Er hat eine gute Physis und Talent im Stellungsspiel“, erklärt der spanische Sportjournalist Miguel Quintana. „Im Zentrum der Abwehrreihe könnte er sehr gut spielen.”

Beginn im Handball, dann Lehramt als zweites Standbein

Foto: Gettyimages

Merés Leistungen haben auch in seinem Heimatland für Aufmerksamkeit gesorgt. Bei der U21-Europameisterschaft, bei der für die spanische Nachwuchsauswahl erst im Finale gegen Deutschland Schluss war, gehörte das Talent zum absoluten Stammpersonal und bildete zusammen mit Jesus Vallejo die Innenverteidigung. Für Meré dürfte das Turnier der vorläufige Höhepunkt einer Karriere gewesen sein, die es vielleicht gar nicht gegeben hätte.

„Etwas seltsam“ sei das zwar, aber angefangen habe er mit Handball, erklärt Meré in einem Interview, das „vavel.com“ vor einiger Zeit mit ihm geführt hat. Schließlich habe er sich dann aber doch dafür entschieden, mit Fußball anzufangen. „Das habe ich bis heute nicht bereut.“

Der Typ, der alles auf eine Karte setzt und dann hofft, dass es schon irgendwie gut gehen wird, scheint der junge Mann aus Oviedo aber dennoch nicht zu sein. „Im Fußball gibt es immer das Risiko einer schweren Verletzung, deshalb muss man eine Alternative haben.“ Bei abgeklärten Worten belassen, hat Meré es gleichwohl nicht. „Ich studiere Lehramt“, erklärt der in Asturien fest verwurzelte Youngster. „Fußball ist nicht für immer und wenn ich mich nicht dieser Welt verschreiben kann, dann verschreibe ich mich der Bildung.“

Auf der nächsten Seite: Warum der Deal eine Win-Win-Situation für Club und Spieler ist


Zunächst gilt der Fokus aber dem Sport. „Ich bin eine ausdauernde Person, hoffentlich kann ich noch weit kommen.” Was sein größter Traum sei, wird Meré gefragt. „Mit der spanischen Nationalmannschaft Weltmeister zu werden“, lautet die eindeutige Antwort. An sportlichen Zielen mangelt es dem Kölner Neuzugang offenbar nicht.

Dass mit Ruhm, Geld und Erfolg oft auch Veränderungen zum Negativen einhergehen, fürchtet Meré jedoch nicht. „Meine Freunde haben sich nicht geändert, ich bin mit meiner Freundin zusammen und logischerweise ist meine Familie dieselbe. Der Fußball verändert dich in manchen Aspekten, aber meine Natürlichkeit und meine Ehrlichkeit ändern sich nicht“, sagte Merè im November 2016 in Bezug auf seinen Aufstieg in der Primera Division. „Ich schreite voran und bleibe derselbe.“

Meré nach Köln: Win-Win-Situation beim effzeh

Dass er den nächsten Schritt ausgerechnet in Köln nehmen würde, hätte Meré vor nicht allzu langer Zeit aber vermutlich nicht gedacht. „Wenn ich wechseln müsste, würde mich die englische Liga am meisten ansprechen“, erklärte der junge Spanier, der wohl auch nichts gegen einen Verbleib in Gijon gehabt hätte, damals. Trotzdem erscheint der Transfer sowohl für Spieler wie Club überaus sinnvoll.

Die Kölner sind schon länger auf der Suche nach einem Verteidiger, der die zentrale Rolle in einer Dreierkette genauso wie eine konventionelle Innenverteidiger-Position übernehmen könnte. Und für Meré dürfte die Aussicht auf reichlich Einsatzzeit in einer der stärksten Ligen der Welt und der Europa League überaus verlockend sein, zumal sich der 1. FC Köln in den letzten Jahren einen guten Ruf bei jungen Talenten erarbeitet hat.

Kleiner Schritt für Meré, großer für Köln?

Die Verpflichtung Merés bildet dabei den vorläufigen Höhepunkt, auf den man am Geißbockheim durchaus stolz sein darf. Denn der Spanier ist nicht irgendein daher gelaufenes Talent aus Asturien, sondern taucht bereits seit Monaten in vielen veritablen „Rising Stars“-Listen auf. Für „Bleacher Report“ gehört er gar zu den sechs größten Nachwuchshoffnungen, die bestens zum FC Barcelona passen würden. Der Transfer könnte also ein vergleichsweise kleiner Schritt für Meré werden, ein großer für den 1. FC Köln ist er allemal.

Trotzdem sind derartige Listen immer nur mit Vorsicht zu genießen. „Er ist noch etwas grün um die Ohren und muss noch reifen“,  warnt Quintana. Ob die Bundesliga mit ihrem anspruchsvollen Defensivstil die richtige Wahl dafür ist, daran hat der Sportjournalist auch noch leise Zweifel. Dennoch zeigt der Transfer vor allem, dass der 1. FC Köln mittlerweile auch heiß umworbene Spieler in die Domstadt locken kann.

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Jörg Schmadtke und Peter Stöger dürften diese Zweifel ohnehin nicht teilen. „Er ist durch die spanische Verteidigerschule gegangen, das heißt, dass er sicher auch einen ordentlichen Pass spielt“, ordnet der Kölner Geschäftsführer seine Neuverpflichtung im „Express“ ein. Stöger lässt es ruhiger angehen. „Lasst ihn erst mal angekommen, dann schauen wir weiter“, sagte der Trainer dem „Geißblog“.

Meré gehorchte auch prompt auf die erste Anweisung seines neuen Übungsleiters. Denn zum Ankommen gehört bekanntlich irgendwie auch der Abschied. Bei Instagram verabschiedete sich der Spanier bei den Anhängern von Sporting Gijon. „Vom ersten bis zum heutigen Tag habe ich immer mein Bestes für Sporting gegeben.” Wer ihn kenne, wisse, dass er immer versuche, sich zu verbessern, führt Meré aus. Der Wechsel an den Rhein als nächster Karriereschritt sei das beste Beispiel dafür. „Ich habe meinen Vertrag bei dem Team unterschrieben, das sich am meisten um mich bemüht hat.“

Meré: “Köln hat sich am meisten bemüht”

Foto: JAVIER SORIANO/AFP/Getty Images

Die Chancen, dass sich diese Entscheidung als die richtige entpuppen wird, stehen wahrlich nicht schlecht. „Ich bin kein Freund davon, irgendetwas zu erklären oder zu versprechen, wenn der Junge noch gar nicht hier ist“, bremst Stöger zwar erst einmal die Erwartungen. Trotzdem ist der Deal, für den die Kölner dem Vernehmen nach einen Betrag um die acht Mio. Euro nach Gijon überweisen, unterm Strich betrachtet überaus vielversprechend. Schließlich ist Meré spanischer U21-Nationalspieler, hoch talentiert und kann sich nun bald auch international für größere Aufgaben empfehlen – ein Verlustgeschäft droht hier ganz sicher nicht.

Es scheint eher noch mehr Ruhm, Geld und hoffentlich auch Erfolg auf den jungen Mann aus Asturien zu zukommen. Doch auch dafür scheint der Neuzugang bestens vorbereitet zu sein. “Meine Familie, meine Freunde und meine Freundin helfen mir den richtigen Weg zu finden und korrigieren mich in schwachen Momenten”, sagt Meré. “Das ist etwas sehr Wichtiges, damit man nicht verrückt wird.” Und sollte das, so unwahrscheinlich das derzeit auch erscheinen mag, doch alles nicht hinhauen, dann bleibt ja immer noch das Grundschullehramt.

Video: Spielszenen von Jorge Meré

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