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Auswärtsspiel

Mein Dorf, mein Dorfverein

Auch bei der TSG Hoffenheim haben wir einen Fan gefunden, der uns Rede und Antwort steht. Julian weiß sogar wie es am Anfang war.

© effzeh.com
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Eines der umstrittensten Modelle im deutschen Fußball ist das der TSG 1899 Hoffenheim. Teile unserer Redaktion haben lange nicht geglaubt, einen wahren Fan dieses Vereins zu finden. Schließlich ist es uns doch geglückt und Julian bwantwortet unsere Fragen. Ihr findet ihn außerdem auf Twitter unter @bimbeshausen und im Blog neureich-bimbeshausen.de

effzeh.com  Viele Kölner werden sich fragen: Wie zur Hölle wird man Hoffenheim-Fan?

Julian: Sehr leicht: Mein Dorf, mein Dorfverein. Erst mit Rutsche und Schaukel hinter der Eckfahne, später mit einem benachbarten Kunstrasenplatz, auf dem man bolzen und dabei das Spiel sehen konnte und schließlich siegreich vor 80.000 Dortmundern. Die Bindung vielleicht entscheidend verstärkt hat ein Spiel als Amateurklub im Pokal gegen Bayer 04, die eine Handvoll Spieler aus dem WM-Finale 02 auf dem Feld hatten. Lucio und Berbatow trafen zwar für Leverkusen; Sieger, Throm und Herdling allerdings für Hoffenheim. Andere sind vielleicht gerade Fans geworden, weil sie weder der Fußball noch die Hogesa-Fraktionen bei Waldhof und dem KSC zu Fans machen konnten, schließlich definiert sich die TSG spätestens seit der Oberligamannschaft unter Hansi Flick durch innovativen, ansehnlichen Fußball. Wie sagte euer Sportdirektor neulich in einem Interview: als er Anfang des Jahrtausends mit Herrn Schmadtke Spiele scoutete, ging es erstmal regelmäßig in die Regionalliga zur TSG.

effzeh.com  Von vielen Fußball-Fans wird 1899 Hoffenheim als Retortenklub gesehen, als ein lebender Verstoß gegen die 50+1-Regelung, als der Untergang des Fußballs, wie die Fans ihn sich wünschen. Wie ist deine Einstellung zu der ganzen Kiste? Ist die TSG für dich ein normaler Fußballverein?

Julian: Ein Statement zum Untergang des Fußballs in drei Sätzen? So viel: Der »Fußball, wie die Fans ihn sich wünschen« mag von dem, was sich der prototypische Effzehfan wünscht, durchaus abweichen. Für den modernen Fußball. Und: Hoffe ist der geilste Klub der Welt.

effzeh.com  Gesicht hinter dem Hoffenheimer Aufstieg ist Dietmar Hopp, der dafür bei effzeh-Auswärtsspielen auch stets verbal attackiert wird. In der Vergangenheit wurde sowas schon einmal per Pfeifton oder einer eingespielten Musik unterbunden. Müssen wir uns als Besucher auf Tinnitus einstellen?

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Pfeiftonzone? © effzeh.com

Julian: Ich fürchte fast, ja. Weil der Effzeh zuletzt doch Schwierigkeiten hatte, Tore zu schießen und sein treuer Anhang bei aller neu gewonnenen Seriosität doch lieber in der Champions League durch et Füer ginge als in Hoffenheim schlecht auszusehen. Da könnte schon mal gepfiffen werden, aber das wissen die Leser von effzeh.com sicher selbst einzuschätzen.

effzeh.com  Hoffenheim begeisterte ursprünglich in der Bundesliga durch junge und hungrige Talente, dann gab es zwischenzeitlich eine gefühlte Kehrtwendung – wie stellt sich der Kader heute für Dich dar?

Julian: Die jungen, hungrigen Talente will – nicht zuletzt durch den damaligen Erfolg der TSG – inzwischen jeder haben, wodurch deren Marktpreise enorm gestiegen sind. Da es Ziel bleibt, schwarze Zahlen zu schreiben, ist die Vorgehensweise bei der Kaderplanung heute also zwangsläufig eine andere. Während zu Beginn des Jahrzehnts Spieler des Kalibers Holtby, Marin, Ekici für hohe Summen transferiert wurden, verscherbelte Hoffenheim das Tafelsilber der gereiften Herbstmeister und holte dafür einige unbestreitbare Fehlgriffe für die erste Mannschaft. Im Hintergrund wurden zeitgleich aber für die Jugend, die U23 und als Perspektivspieler der Ersten ein guter Griff nach dem anderen getätigt, die spätestens unter Markus Gisdol festen Größen in die Bundesliga wurden (Casteels, Vestergaard, Strobl, Volland, Firmino, Schipplock kosteten zusammen ca. 4Mio). Das Grundgerüst des heutigen Kaders besteht aus diesen Spielern, dazu den verbliebenen Rangnick-Recken Beck, Rudy, Salihovic und Spielern mit Ausstiegsklauseln unter Wert (Baumann, Bicakcic, Schwegler, Hamad), die in den letzten beiden Transferfenstern gezogen wurden. Dazu eine Handvoll Spieler, die mit Mitte 20 geholt durchaus Geld kosteten, ihren Wert seitdem aber eher steigerten als minderten (Modeste, Szalai, Elyounoussi, Polanski, Zuber, Abraham) und eine Horde von Ergänzungsspielern aus dem eigenen Unterbau, die sich bislang nicht in der Bundesliga etablieren konnten. Wer es von denen nicht zur Ersten schafft, kommt aber auch anderswo unter (Hannover spielte letzte Woche mit drei Neuzugängen aus der TSG-U23).

effzeh.com  Wie groß ist das Identifikationspotenzial für dich als Fan mit einzelnen TSG-Spielern?

Julian: Der oben genannte Kai Herdling machte vor mehr als zehn Jahren schon in der Regionalliga seine Tore für die TSG, sorgte später als regelmäßiger Torschützenkönig und Führungsspieler dafür, dass die U23 seit Jahren auf hohem Liganiveau spielt und den Nachwuchs an die erste Mannschaft heranführen kann. Jannik Vestergaard wurde u.a. durch Tweets wie »Alle hassen uns, wir machen weiter« auffällig, die Protagonisten der Hochglanzoffensive wollten lieber weiter Teil dieser Truppe sein, als sich namhaften Teams in Italien oder England anzuschließen – Daran mangelt es nicht.

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Strobl noch beim effzeh im Einsatz © effzeh.com

effzeh.com  Wir haben Tobias Strobl aus seiner Zeit beim effzeh sehr gut in Erinnerung. Wie macht er sich seit seiner Rückkehr nach Hoffenheim?

Julian: Strobl hatte letzte Woche in Gladbach sein erstes schwaches Spiel in einer von ihm bislang bärenstarken Saison. Nachdem er lange als zentraler Mittelfeldspieler eingesetzr wurde, zeigte sich inzwischen, dass er nach 2-3 Spielen Eingewöhnungszeit auch einen mehr als soliden Innen- oder Rechtsverteidiger spielen kann. Irgendwo spielt er seitdem immer und das zurecht.

effzeh.com  Als Torhymne habt ihr “Was wollen wir trinken?”. Geht dir das Lied ähnlich auf den Keks wie uns?

Julian: Nö. Ich habe versucht, mich daran zu erinnern, aber in den Sekunden, nachdem ein Tor für die eigene Mannschaft gefallen ist, blende ich Gedudel über die Stadionlautsprecher anscheinend aus. Für eine gefühlte Ewigkeit war zu Beginn des Jahrtausends »Anton aus Tirol« Torhymne. Das ging auf den Keks.

effzeh.com   Zum Abschluss: Dein Tipp. Wie oft müssen wir uns die Bots antun?

Julian: 1:0? So solide, wie beide Mannschaften derzeit verteidigen, wird im Stadion jedenfalls seltener »Was wolln wir trinken« als »Dietmar Hopp, du Sohn einer Hure« erklingen. Glückwunsch.

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