Als der 1. FC Köln Werner Spinners Rücktritt verkündete, schloss die Mitteilung auf der Webseite des Vereins mit einem simplen Satz: „Alle sind sich einig, dass das Wohl des 1. FC Köln an erster Stelle stehen muss.“ Schon am Aschermittwoch hatte diese Formulierung tragikomisches Potential. Und das sollte sich schon bald zu voller Blüte entfalten. Denn spätestens mit der öffentlichen Schlammschlacht, ausgelöst durch ein Interview von Vizepräsident Markus Ritterbach am Freitag, erlebt der Club in den letzten Tagen einen bitterbösen Rückfall in die Zeiten, in denen er sich landesweit den Ruf als „Karnevalsverein“ erworben hatte.
Noch am Donnerstag hatte Ritterbach dem TV-Sender „Sky“ erklärt, dass die im Fußballbusiness gerne bemühte „Ruhe im Verein“ nun das wichtigste Ziel des ramponierten Restvorstands sei. Schon am Freitag gab er der „Kölnischen Rundschau“ dann prompt ein Interview, das nicht nur in Sachen Krisenmanagement, sondern auch inhaltlich einem Offenbarungseid für die komplette Führungsetage des 1. FC Köln gleich kam.
Ritterbach will Klarstellung – und wirft neue Fragen auf
Der Vizepräsident sah sich angesichts von Medienberichten über einen vermeintlichen „Putsch“ durch die Geschäftsführung gegen den nunmehr ehemaligen Präsidenten zu diesem Schritt genötigt. „Dies zwingt Toni Schumacher, Alexander Wehrle und mich dazu, einige Dinge klarzustellen“, erklärte Ritterbach im Gespräch mit Joachim Schmidt. Dann plauderte der Vizepräsident ganz ungeniert aus dem Nähkästchen. Die Zusammenarbeit mit Spinner sei bedauerlicherweise schwieriger geworden. „Wir waren mal ein Team, das füreinander eingestanden hat. Es waren zuletzt jedoch schwierige Bedingungen“, erklärte Ritterbach und maßte sich dann den öffentlichen Eingriff in die Privatsphäre seines Ex-Kollegen an. „Werner Spinner war nach seiner schweren Herzoperation verändert“, erklärt der 55-Jährige. Nicht weniger als eine stillose Frechheit ist diese Anmerkung.
Werner Spinner zusammen mit Markus Ritterbach | Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Was das „Fass zum Überlaufen“ gebracht habe, will die Zeitung dann schließlich wissen. Und Ritterbach liefert ab: „Aus dem Skiurlaub schickte Werner Spinner eine Sprachnachricht an Toni Schumacher und mich, in der englischen Woche, nach dem 3:1 gegen Sandhausen. Er vertrat die Meinung, dass wir nach dem Spiel in Ingolstadt entweder Trainer Markus Anfang oder die Geschäftsführung entlassen sollten. Wen es treffen sollte, wollte er Toni und mir überlassen.“ Nachvollziehbar begründet habe der Präsident sein Anliegen nicht, ließ der einstige Chef des Kölner Karnevals zudem wissen.
Wollte Spinner die Entlassung von Anfang oder Veh?
Eine Entlassung Anfangs wurde nach einer sportlich schwachen Phase zu diesem Zeitpunkt im Umfeld des Clubs (und auch bei effzeh.com) übrigens tatsächlich bereits diskutiert. Es sei jedoch klar gewesen, dass Toni Schumacher und er weder dieser Forderung noch der nach dem Rauswurf Vehs nachkommen „konnten und wollten“, erklärt Ritterbach. Warum das Vize-Duo zu dieser Einschätzung kam, erfährt man aber natürlich nicht. „Deshalb kam es zu einem Krisengespräch. Toni versuchte noch, leider vergeblich, zwischen Werner und Armin zu vermitteln. Wir hatten die Hoffnung, dass sei noch zu reparieren.“ Das war es nicht.
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Doch es wäre keine anständige kölsche Schlammschlacht, hätte der Widerspruch Spinners lange auf sich warten lassen. In Windeseile ließ der 70-Jährige sein Lieblingsblatt, den „Kölner Stadt-Anzeiger“, seine Gedanken zur vorherigen Aufklärungsarbeit Ritterbachs wissen. „Es ging mir nicht um eine Entlassung, selbst wenn das Wort gefallen ist. Sondern darum, eine Debatte anzustoßen“, erklärt der Ex-Präsident. Die Frage, ob Armin Veh und Markus Anfang „miteinander funktionieren“, habe er für zentral gehalten. „Es war ein Anstoß zu einer internen Debatte“, beteuert Spinner. „Ich halte es für extrem schädlich, dass der Inhalt öffentlich gemacht wurde.“
So sorgte Ritterbachs aufklärerisches Interview schneller für neuen Wirbel, als der Vizepräsident „Indiskretion“ buchstabieren konnte. Spinners kurzer Draht zu seiner schreibwilligen Lieblingsredaktion hat allerdings ebenfalls einen Anteil daran, dass die Fans des 1. FC Köln statt der sonst angeblich immer sehr wichtigen „Ruhe im Verein“ nun eine öffentliche Schlammschlacht ganz alter Schule erleben durften, die am Ende sogar noch mehr Fragen aufwirft, als sie beantworten kann.
Die große Frage: Woher wusste Veh von Spinners Überlegungen?
Armin Veh habe sich „genötigt“ gesehen, „den Vertrauensbruch öffentlich zu machen“, lässt Ritterbach in seinem Interview schließlich auch wissen. Der Vizepräsident erklärt jedoch weder, worin diese Nötigung bestanden haben soll, noch warum Veh überhaupt davon erfahren hat, dass Spinner innerhalb des Vorstandstrios über personelle Maßnahmen sinniert oder sie gar gefordert hatte. Auch am Samstag verweigerte Ritterbach im Gespräch mit dem “Sky” zunächst zweimal eine Antwort auf diese Frage, ehe er dann mit einigem Gestammel bestritt, die Nachricht an Veh weitergegeben zu haben. Woher der Geschäftsführer davon erfahren hat? “Das müssen sie Armin Veh fragen.” Wie mysteriös! Oder auch nicht: Schließlich bleibt, wenn man Ritterbach Glauben schenkt, nur noch Toni Schumacher als Quelle übrig. Oder Veh hat Hacker-Qualitäten – ausschließen kann man auch das in diesen Tagen nicht mehr.
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— Uehmche (@Uehmche) March 9, 2019
Der eigentliche “Vertrauensbruch”, so viel wird dank Ritterbachs kopflosen Interviews immer klarer, scheint jedenfalls der der beiden Vizepräsidenten gegenüber ihrem Vorstandskollegen gewesen zu sein. Warum es zwischen dem Duo und dem damals im Ski-Urlaub weilenden Präsidenten keine Debatte, wie man sie von seriösen Vereinsoberhäuptern erwarten könnte, sondern offenbar direkt einen Konflikt gegeben hat, erfährt man ebenfalls nicht. Toni Schumacher habe noch versucht zu vermitteln, dann sei Veh, offensichtlich bestens informiert über die Situation im Vorstand, am Karnevalssonntag an die Öffentlichkeit gegangen, sagt Ritterbach dazu nur. Na dann ist ja alles gut.
Beim Rosenmontagszug zeigte sich der vorherige Streitschlichter Schumacher dann allerdings schon wieder bestens gelaunt im Plausch mit Geschäftsführer Veh, der sich wiederum nicht scheute, sich dem Anlass entsprechend als „schwarzes Schaf“ zu verkleiden. Wie witzig. Es sah jedenfalls so gar nicht danach aus, als würde hier ein Vizepräsident den Angestellten in die Schranken weisen. Die Hinweise der Kommunikationsabteilung des Clubs in Sachen Außendarstellung müssen entweder überaus dämlich sein – oder sie werden von den Verantwortlichen umfassend ignoriert.
“Legendenbildung” erfolgreich vermieden
„Legendenbildung“ wollten die verbliebenen Verantwortlichen beim 1. FC Köln laut Ritterbach mit der Veröffentlichung der Hintergrundinformationen jedenfalls vorbeugen. Und das haben sie wirklich eindrucksvoll geschafft. Von einer dank der Europapokal-Rückkehr nach 25 Jahren eigentlichen legendären Amtszeit bleibt spätestens seit der letzten Woche nur wenig Glanz über. Das einst so erfolgreiche Vorstandstrio ist krachend gescheitert.
Werner Spinner hat am Aschermittwoch bereits den vorzeitigen Abgang gewählt. Der unfreiwillige der verbleibenden Vizepräsidenten dürfte angesichts der nun sichtbar gewordenen Inkompetenz und Intriganz spätestens bei den Vorstandswahlen des 1. FC Köln im September folgen. Auch die Kölner Geschäftsführer, Armin Veh und Alexander Wehrle, werden dann schneller auf dem Prüfstand landen, als es ihnen derzeit klar zu sein scheint. Der Abgang des Restvorstands und der beiden Geschäftsführer erscheint allerdings auch durchaus notwendig zu sein. Damit aus dem 1. FC Köln wieder der “feine Verein” werden kann, den ironischerweise ausgerechnet Toni Schumacher sich einst gewünscht hatte.