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Ehrentribüne

Lebenswege beim 1. FC Köln: Tobias Nickenig – Big Nick, Abwehrkante mit Ballgefühl

Der Lebensweg des Tobias Nickenig: Aus dem Rheinland zum Club seiner Träume, dem 1. FC Köln, harte Arbeit, Verletzungen, eine ereignisreiche Karriere. Nach Erfolgen im Jugendbereich verpasst er den ganz großen Durchbruch in der Bundesliga, spielt in Osnabrück und Aue und wird schließlich Sportdirektor in Thailand. Auch heute noch arbeitet Tobias Nickenig im Fußball-Geschäft.

Tobias Nickenig im Testspiel gegen den FC Grenchen vor der Saison 2006/07 (Foto: imago/Geisser)

Er konnte gerade noch bremsen, als die Auto-Rikscha sich genau vor ihm in den dichter werdenden Verkehr einfädelte. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder, unwillkürlich klammerten sich seine Hände um das Lenkrad seiner Limousine. Augenblicke später staute sich der Verkehr auf der mehrspurigen Straße im Zentrum von Nakhon Ratchasima, der fünftgrößten Stadt Thailands. Der Fahrer des Tuk Tuks, wie die dreirädrigen, meist blau lackierten Fahrzeuge aufgrund des charakteristischen Geräuschs ihres Zweitaktmotors genannt werden, drehte sich zu ihm um, machte eine Geste des Bedauerns und lächelte ihm freundlich zu.

Da war es wieder, dieses allgegenwärtige Lächeln, dachte er. Die meisten Menschen hier waren ihm freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend begegnet. Er musste an Wes denken, seinen Dolmetscher, der ihm immer wieder wertvolle Informationen über das Leben in Korat, wie die Einheimischen die Stadt nannten, gab. So hatte er ihm auch das beste Restaurant der Stadt, einen Geheimtipp, gezeigt, das in einer Art Garage beheimatet war und landestypische Köstlichkeiten zu moderaten Preisen anbot. Oder an George Duangmanee, den weltgewandten Präsidenten des Nakhon Ratchasima Mazda FC, der ihn als Sportdirektor verpflichtet hatte.

Er ließ die Seitenfenster herunter, um etwas Luft ins Wageninnere zu lassen. Zwei Roller schlängelten sich akrobatisch an den Autos vorbei durch den Stau. Er sah zu einem kleinen Platz hinüber, wo einige Kinder mit hörbarem Spaß Fußball spielten und musste an seine Familie denken, die er in Deutschland zurückgelassen hatte, an seine Frau und an Finn, seinen dreijährigen Sohn. Er vermisste sie sehr. Einige Wochen musste er sich noch gedulden, dann würden sie ihn in Ratchasima besuchen kommen. Wie ging es wohl seinen Eltern gerade? Und was machte Florian, sein jüngerer Bruder, und die Freunde aus Jugendtagen, mit denen er genauso hinter dem Ball hergejagt war, wie diese Kinder dort drüben?

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Einstimmung auf die Saison mit geistlichem Segen

Das vieltönige Hupen riss ihn aus seinen Gedanken, der Stau begann sich aufzulösen. Langsam nahm sein Wagen Fahrt auf, vorbei an kleinen Restaurants und Garküchen, aus denen ihm der Duft von Ingwer, Knoblauch und exotischen Gewürzen entgegenwehte und sich mit dem Gestank von Auspuffgasen, Benzin und verbranntem Motoröl vermischte. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, sein weißes Hemd klebte an seinem Rücken. Würde er sich jemals an dieses Klima mit der extrem hohen Luftfeuchtigkeit gewöhnen können? Anderes war ihm dagegen bereits seltsam vertraut. So hatte er sich mittlerweile an die mitunter kreative Handhabung der wichtigsten Verkehrsregeln gewöhnt, auch wenn dies bisweilen zu Bremsmanövern wie dem von vorhin führte. Auch die Schärfe der einheimischen Speisen machte ihm nichts mehr aus, ganz im Gegenteil! Ja, sogar der Anblick eines Elefanten inmitten der Stadt – in Begleitung eines mit Stock gewappneten jungen Mannes – wunderte ihn nicht mehr, hatte er doch erfahren, dass dieses mächtige Tier von den Menschen hier als Glücksymbol verehrt wird und auch heute noch Bestandteil des täglichen Lebens in Thailand ist.

Tobias Nickenig als Sportdirektor von Nakhon Ratchasima Mazda FC (Foto: Tobias Nickenig)

Genau wegen solcher Erfahrungen, immer neuen, immer wieder überraschenden, war er das Abenteuer Thailand schlussendlich eingegangen. Als er schließlich seinen Wagen vor dem Trainingsgelände seines Klubs abstellte und ausstieg, musste er an eine Begebenheit von vor einigen Wochen denken. Er war zum 80th Birthday Stadium, der Heimstätte der Swat Cats, wie sein Team liebevoll von den Fans genannt wurde, gebeten worden, wo er der traditionellen religiösen Zeremonie zum Beginn einer jeden Saison beiwohnte. Alle Verantwortlichen des Klubs hatten sich eingefunden, die feierliche Atmosphäre im Stadion war zutiefst beeindruckend. Auf dem Spielfeld hatten sich die Spieler in einem großen Kreis aufgestellt, in dessen Mitte ein hoher buddhistischer Priester stand, kahlköpfig und in ein orangefarbenes Gewand gekleidet. Gemeinsam mit ihnen sprach der Geistliche fast zwei Stunden lang Gebete für einen guten Verlauf der neuen Spielzeit. Hinterher hatte George Duangmanee ihn dem hohen Gast vorgestellt: „Please meet our new manager, who joined us from Germany – Mr. Tobias Nickenig.“

Fußballerische Wurzeln im Rheinland

Gebürtig stammt Tobias Nickenig aus Neuwied, wo er am 1. August 1984 das Licht der Welt erblickt. Sportlich vorbelastet ist er durch die Familie seines Vaters, der selbst in die deutsche U16-Nationalelf berufen wurde, nach einer schweren Verletzung jedoch seinen Traum von einer Fußballerkarriere schon mit 18 Jahren begraben musste. Ein Bruder seines Vaters schnürte seine Fußballschuhe für Preußen Münster, zwei weitere Brüder nahmen an Rheinlandmeisterschaften im Boxen teil. Von klein auf dreht sich bei Nickenig alles um das runde Leder. „Fußball war mein Leben“, erinnert er sich. „Nach der Schule wurden zügig die Hausaufgaben erledigt, dann ging es raus zu den Freunden. Wir nutzten wirklich jede freie Minute und jagten dem Ball hinterher, bis es Abend wurde.“ Und auch danach kann er von dem Spielgerät nicht lassen und nimmt es des Öfteren sogar mit in sein Bett.

“Fußball war mein Leben. Nach der Schule wurden zügig die Hausaufgaben erledigt, dann ging es raus zu den Freunden. Wir nutzten wirklich jede freie Minute und jagten dem Ball hinterher, bis es Abend wurde.”

Mit sechs Jahren schließt er sich dem BSV Weißenthurm an, wo er die Jugendmannschaften des Vereins durchläuft und das ABC des Fußballs erlernt. Sein beachtliches Talent bleibt auch den Verantwortlichen der Spvgg (heute SG) Andernach nicht verborgen, und so wechselt er 1997 in die C-Jugend des zweimaligen Rheinlandpokalsiegers. Tobias Nickenig spielt dort auf der „10“, genau wie sein Vorbild Zinedine Zidane, der zu der Zeit bei Girondins Bordeaux und Juventus Turin für fußballerische Glanzlichter sorgt. „Er war einfach ein perfekter Fußballer, mit exzellenter Technik und unnachahmlicher Eleganz, der im Mittelfeld das Spiel seiner Mannschaft ankurbelte, aber auch immer wieder in die Spitze stieß und dort unglaubliche Tore erzielte,“ schwärmt Nickenig noch heute.

Nickenigs Vorbild Zinedine Zidane in der Saison 2000/01 (Foto: imago/Camera 4)

Tobias Nickenig hält einen Moment lang inne. „Aber das erste Idol, das war mein Papa“, sagte er dann mit Nachdruck. „Zu ihm schaute ich auf, er war Jugendnationalspieler gewesen, und er war es auch, der mir den Spaß und die Freude an diesem Sport vermittelt hat. Er unterstützte mich, wo er nur konnte, nahm sich Zeit für Extra-Trainings, fuhr mich zu Spielen der Auswahlmannschaften und gab mir unzählige wertvolle Tipps.“

Der 1. FC Köln klopft bei Nickenig an

All dies fällt bei dem jungen Mittelfeldspieler auf fruchtbaren Boden, recht bald folgten Berufungen in die Rheinlandauswahl – und Anrufe interessierter Bundesligavereine. „Bayer Leverkusen wollte mich verpflichten, ich favorisierte jedoch den 1. FC Köln. Ich hatte an einem Sichtungstraining des Geißbockclubs in Neuwied teilgenommen und die Verantwortlichen wohl so überzeugt, dass sie mich schon zu meiner C-Jugendzeit nach Köln holen wollten. Wir kamen jedoch überein, dass ich erst zur B-Jugend zum FC wechseln und bis dahin weiter für Andernach auflaufen sollte.“ Seine Entscheidung für die Kölner wird auch dadurch begünstigt, dass Trainer Thomas Schumacher mit ihm als „Zehner“ plant, während Frank Schaefer, damals in Diensten des Konkurrenten Bayer Leverkusen, ihn eher auf der „6“ sieht.

Pokalsieger mit der A-Jugend des 1.FC Köln und Berufung in die Jugendnationalmannschaft

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