Er war nicht das einzige außergewöhnliche Talent in diesem 85er-Jahrgang. Dazu zählte auch Rajabu Pamba-Müller, dem nicht wenige Experten eine ähnliche Begabung wie Podolski zusprachen. Können sie eine Erklärung dafür finden, warum ein Spieler wie er es nicht in den Profifußball geschafft hat?
Die beiden waren völlig unterschiedliche Typen. Rajabu hatte auch ein unglaubliches Talent. Er war außergewöhnlich schnell, hatte eine exzellente Ballbehandlung und war zudem noch torgefährlich. Er wurde in die DFB-Jugendnationalteams berufen, aber das sind auch immer nur Momentaufnahmen eines Leistungsvermögens, das man immer wieder bestätigen muss. Und das ist ihm dann nicht in dem Maße gelungen, wie es für den Profibereich notwendig gewesen wäre. Was man generell feststellen kann, ist, dass neben einer außergewöhnlichen Begabung auch eine unglaubliche mentale Stärke dazukommen muss, und das war etwas, was Lukas Podolski ausgezeichnet hat, seine Ruhe, seine Nervenstärke und Gelassenheit selbst in Situationen, in denen es in einem Spiel eng wurde. Hinzu kam bei ihm noch der unbändige Wille zu gewinnen.
Christoph Henkel (Bildmitte) vor dem Bundesliga-Aufstieg 2008 (Foto: privat)
All diese mentalen Fähigkeiten werden meines Erachtens immer noch unterschätzt, wir messen das Talent eines Spielers häufig in erster Linie an seinen technischen Fertigkeiten und an seiner Schnelligkeit. Der Kopf wird zu sehr vernachlässigt, und der ist schlussendlich entscheidend dafür, ob ein Talent Talent bleibt oder den Sprung zu den Profis schafft. Bei Rajabu kamen dann auch viele Verletzungen hinzu, die seine weitere Entwicklung sehr gehemmt haben.
Sie erwähnten die Bedeutung der mentalen Stärke für die Entwicklung eines Fußballers. Was gehört genau dazu? Ist es die Fähigkeit, Rückschläge und Niederlagen verkraften zu können?
Das ist auf jeden Fall ein wichtiger Bestandteil. Ich erinnere mich da zum Beispiel an das Halbfinale unserer U17 gegen den VfB Stuttgart. In unserem Team waren neben Podolski und Pamba-Müller mit Lukas Sinkiewicz, Kevin Schöneberg, Silvio Pagano und Christian Schlösser noch weitere vielversprechende Talente, und so sind wir eigentlich recht zuversichtlich hingefahren, wussten aber auch um die Stärke der Stuttgarter. Das Ende vom Lied: Wir haben da 5:1 verloren, Mario Gomez hat, so glaube ich, alleine vier Tore erzielt. Die Jungs waren natürlich völlig frustriert nach dem Spiel.
Auf der Rückfahrt haben wir dann einen McDonalds angesteuert und Lukas Podolski reingeschickt, um die Bestellungen aufzugeben. Lukas hat dann einfach alles bestellt, was auf der Karte stand, und danach ging es mit der Laune der Spieler auch wieder bergauf. Aber das gehört eben auch dazu, selbst eine Mannschaft mit solch großen Talenten gewinnt nicht immer und muss Niederlagen verkraften. Und wenn man bei einer außergewöhnlichen Klatsche auf diese Weise helfen konnte, dann hat man das auch getan.
Außer dem 85er-Jahrgang haben Sie in Ihrer Zeit als Leiter des NLZ eine ganze Reihe weiterer hochveranlagter Nachwuchsspieler begleitet. Wer ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Bei den 92ern sicherlich Reinhold Yabo, der ein großartiger Allrounder war, sportlich wie charakterlich absolut top und er hat ja auch eine Karriere im Profibereich gemacht. Vielleicht nicht ganz in der allerersten Reihe, aber immerhin doch mit fast 200 Spielen in der ersten und zweiten Liga. Leider haben dann Verletzungen zu einem viel zu frühen Karriereende mit 29 Jahren geführt.
Reinhold “Ray” Yabo im Trikot von Arminia Bielefeld (Foto: Lars Baron/Getty Images)
Aus dem 83er-Jahrgang fällt mir Daniel Oplustil ein, eines der größten Nachwuchstalente des FC, ausgestattet mit einer unglaublichen Dynamik, Schnelligkeit und Ausdauer. Er hatte alle Anlagen, um sich auch im Profibereich durchzusetzen, aber dann haben ihn Verletzungen wieder und wieder zurückgeworfen und da war es mit dem Sprung in den bezahlten Fußball vorbei.
Auf der nächsten Seite: Abschied vom FC mit einem Meistertitel – und der Wechsel nach Belgien