Die Niederlage gegen den HSV hat unser Autor verdaut, das Verhalten von Kyriakos Papadopoulos in der Schlussphase aber noch nicht. Eine Glosse.
Zugegeben: So eine Schlussphase kann hitzig werden. Vor allem wenn man mit zwei Toren vorne liegt und der Gegner plötzlich doch für seine Mühen belohnt wird. Dass man keine Freudensprünge macht, ist klar. Und auch dass man den gerade erfolgreichen Gegenspielern nicht unbedingt dabei hilft, das Spielgerät schnell zum Anstoßpunkt zu befördern, um zügig weiterspielen und wo möglich den Ausgleich erzielen zu können, kann einem wohl auch niemand verübeln.
Soweit, so normal war das Theater nach dem Kölner Anschlusstreffer am Freitag bei der Heimpleite gegen den Hamburger SV also: Frederik Sörensen versenkte den Ball irgendwie im gegnerischen Tor, Sehrou Guirassy wollte eben diesen möglichst schnell wieder herausholen – Griechisch-Römisch inklusive. Das alles passierte natürlich nicht gerade zur Freude der Hamburger, die genau das zu verhindern versuchten. Schlussendlich landete das runde Leder dann aber doch wieder in kölschen Händen und Guirassy, Cordoba und Co. machten sich schleunigst auf in Richtung Mittelkreis.
Peinlich, peinlicher, Papadopoulos
Dann hatte Kyriakos Papadopoulos plötzlich eine Idee. Oder einen Herzinfarkt. Sicher konnte man sich angesichts der schauspielerischen Darbietung, die sich der HSV-Verteidiger nach einem beiläufigen Klaps Cordobas erlaubte, jedenfalls nicht sein. Der Kölner Angreifer hatte dem griechischen Hühnen im Vorbeigehen leicht die Brust getätschelt. Ein Schlag? Wohl kaum. Es war wohl eher eine non-verbale “Komm mal klar”-Geste. Aber Papadopoulos kam nicht klar.
Kyriakos Papadopoulos in “Der sterbende Schwan” | Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images
Der Grieche sah vielmehr – und das muss man leider so deutlich sagen – die Chance eine rote Karte gegen Jhon Cordoba herauszuholen. “Es war ein extrem emotionales Spiel. Da habe ich mich kurz vor Schluss zu dieser Aktion hinreißen lassen”, begründet Papadopoulos das, was folgen sollte, mittlerweile gegenüber der “BILD”. Und so sanken sie darnieder, die gefühlten 105 Kilogramm fleischgewordene Theatralik. Der Hamburger schrie und zappelte, als hätte Cordoba – nachts vermutlich Maya-Priester – ihm das Herz bei lebendigem Leibe herausgerissen, um es zu essen. Oder was auch immer das lateinamerikanische Volk damals mit all den Herzen gemacht hat. Doch der neo-kölsche Kolumbianer hielt statt Papadoupoulos’ Pumpe immer noch den Ball in Händen.
Gelb fürs Gejaule
Ersatz-Schiedsrichter Sören Storks (Felix Brych war zuvor verletzt ausgeschieden) winkte angesichts solch schlichter Schauspielerei ebenfalls nur gelangweilt ab. Aber immerhin: Dass Papadopoulos sich keine Mühe gegeben hätte, kann wirklich niemand behaupten. Die griechische Tragödie war nur allzu leicht als schlichtes Spiel zu durchschauen.
Die Szene ist angesichts unzähliger lausiger Hollywood-Einlagen im Fußball eigentlich keine große Erwähnung mehr wert – für eine kleine ist sie aber unter diesen Vorzeichen natürlich lächerlich genug. Trotzdem: Das Theater gehört (leider) schon lange zum Spiel dazu. Deshalb würde diese Geschichte hier nun eigentlich auch enden.
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Doch mittlerweile ist alles anders, in diesem modernen Fußball! Die Bundesliga setzt schließlich seit dieser Saison auf Video-Schiedsrichter. Die Fachmänner am Flachbildschirm nehmen strittige Szenen noch einmal genau unter die Lupe und können den mit lediglich zwei rückständigen, analogen Augen ausgestatteten Kollegen korrigieren, wenn es denn notwendig sein sollte.
Dennoch kann man getrost davon ausgehen, dass sich Sören Storks bereits ziemlich sicher ob seiner Entscheidung war, als er mit den Armen einen Bildschirm in die Kölner Abendluft malte und das jämmerliche Gejaule des Hamburgers noch einmal überprüfen ließ. Das Ergebnis?
Gelb für “Papa” statt Rot für “Cordo-babo”
Papadopoulos’ peinliche Einlage wurde nicht nur aufgedeckt, sondern brachte dem Hamburger auch noch eine gelbe Karte ein. “Die war verdient”, räumt der 25-Jährige mittlerweile ein. Dass die Korrektur der Video-Schiris in der TV-Übertragung einen prominenten Platz einnahm, gab es als Geschenk der Bundesliga-Regie dann noch gratis als Kirsche auf der Torte oben drauf. Die neue Technik muss schließlich zelebriert werden!
Ey, Siri, der hatt m1 Hertz: Kyriakos Papadopoulos | Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images
Und so ergoss sich im Netz nicht viel später die verdiente und wenig überraschende Häme über Papadopoulos. Mitleid muss man mit “Papa” aber nicht haben: Dass die Video-Schiris im Einsatz sein würden, wusste am zweiten Spieltag der Bundesliga-Saison schon jedes Kind im ganzen Land. Und daher müssen zwei Fragen am Ende noch erlaubt sein!
Zwei Fragen bleiben offen
Zum einen: Wie viel Stroh muss man eigentlich im Kopf haben, um so etwas (auch noch mit einer Kapitänsbinde am Arm) sogar dann noch zu probieren, wenn vorher klar ist, dass derartige Versuche ab jetzt nicht mehr ungesühnt bleiben können?
Zum anderen noch ein ganz sachlicher Gedanke: Wenn man dank des Video-Assistenten nun eindeutig beweisen kann, dass ein Spieler mit Schauspielerei probiert, eine rote Karte für den Gegner herauszuholen, wieso wird das dann nicht mit eben dieser bestraft? Der potenzielle Verlust ist für das Opfer doch schließlich ungleich größer, als es die lediglich gelbe Karte für den Täter ist, wenn er bei seiner Inszenierung erwischt werden sollte.
Die neue Technik bietet da doch eine gute Gelegenheit, der Theatralik im Spiel endlich mal ein wenig Einhalt zu gebieten. Dann hätte die griechische Tragödie auf der Müngersdorfer Bühne wenigstens irgendeinen Nutzen gehabt. Mit ewigem Spott geben wir uns im Zweifel aber auch zufrieden.