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Nachspiel

Kurz geschlafen, kurz geträumt

1:4 in München: Der effzeh zeigt einen couragierten Auftritt, ist aber auch dank eines verschlafenen Auftakts letztlich chancenlos beim Rekordmeister.

Foto: Dirk Unschuld
Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Wir wollten in München kein frühes Gegentor kassieren. Das hat auch bis zum frühen Gegentor ganz gut geklappt.

(frei nach Thomas Häßler)

Nach zehn Minuten sah es schlimm aus. Sehr, sehr schlimm. Doch: Das befürchtete Debakel blieb aus, der effzeh wehrte sich tapfer gegen den Rekordmeister und ließ die 7000 mitgereisten Fans sogar kurz träumen. Von einem Punktgewinn, der einer Sensation gleicht. Aber die Bayern haben eben auch einen guten Torwart im Kasten. Klar, kein Horn – aber schlecht ist er nicht, dieser Neuer. Kaum verwunderlich also, dass „Spürnase“ Michael Meier ihn damals nach Köln holen wollte.

Die Realität sieht allerdings anders aus: Neuer ist bei den Bayern und ließ zusammen mit Ribery, Robben und Co die Kölner Träume platzen wie Seifenblasen. Dennoch kann der effzeh stolz auf den Auftritt in der Allianz-Arena sein, auch wenn nichts Zählbares dabei heraussprang. Aber die Punkte gilt es in Müngersdorf zu holen, nicht in München!

Ausgangslage

Rekordmeister gegen Aufsteiger, Champions-League-Favorit gegen „Platz-15-Mantra“, Arjen Robben gegen Miso Brecko. Kurzum: Der glorreiche effzeh hatte nichts zu verlieren. Würdig auftreten, so hieß das Motto für viele Fans. Übersetzt bedeutete das: Nicht den HSV machen und sich abschießen lassen. Denn tabellarisch könnte das Torverhältnis schon noch von Bedeutung werden.

Was gab es zu den Bayern zu sagen? Naja, ein leichter Abwärtstrend war zu verzeichnen. Dem angesprochenen 8:0 gegen die Hamburger folgte lediglich ein 6:0 in Paderborn. Eine leichte Ergebniskrise, wie einige hofften. Der Trend ging also Richtung vier Gegentore. Zum 115. Geburtstag des Vereins schien das allen angemessen. „Damit könnten wir leben“ einigten sich die Einheimischen mit den angereisten Kölnern im Augustiner. Völkerverständigung kann so einfach sein!

Personal

Peter Stöger hatte alles zur Verfügung, was nicht Patrick Helmes (Knorpelschaden in der Hüfte) oder Yannick Gerhardt (Pfeiffersches Drüsenfieber) hieß. Der Österreicher überraschte gleich alle, die auf eine Fünferkette spekuliert hatten. Miso Brecko rückte anstelle von Marcel Risse in die Startelf und begann hinten rechts. Pawel Olkowski begann als Linksverteidiger, Jonas Hector ging vor die Abwehr ins zentrale Mittelfeld.

Wer bei Bayern München darauf gehofft hatte, der glorreiche effzeh würde unterschätzt, musste diese Hoffnungen bald fahren lassen. Der Aufstellung fehlte zwar das spanische Element (Bernat und Alonso blieben auf der Bank), dafür rückten allerdings so unbekannte Spieler wie Bastian Schweinsteiger und Mario Götze in die Startelf. Starensemble wäre vermutlich für den Bayern-Kader noch untertrieben.

Foto: Dirk Unschuld

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Spielverlauf

Es begann vom Anpfiff weg der erwartete Sturmlauf der Münchener. Zum 115. Geburtstag hatten nicht nur die Fans des Rekordmeisters, die ihren besten Auftritt gegen den effzeh seit dem Kartoffelkrieg 1814 hinlegten, mächtig Bock – die Bayern-Stars spielten, zauberten, drängten und drückten. Kaum verwunderlich, dass es bereits in der dritten Minute rappelte: Den bereits vierten Eckball köpfte Schweinsteiger komplett unbedrängt zur Führung ein (3.).

Das Konzept, aus einer geordneten Defensive konternd für eine Überraschung zu sorgen, schien damit bereits über die Wupper gegangen zu sein. Denn die Bayern hatten noch lange nicht genug. Effzeh-Keeper Timo Horn bewahrte sein Team zunächst mit einer Glanztat vor dem zweiten Treffer. Der ließ allerdings nicht mehr lange auf sich warten: Ribery bekam am Strafraum nur Geleitschuss, der Franzose vollendete aus der Distanz zum 2:0 (10.).

Himmelherrgottnochmal, das wird hier zweistellig – dachten wohl 95 Prozent der anwesenden Fans. Doch der effzeh berappelte sich, bekam die Bayern, die mehr als einen Gang zurückschalteten, besser in den Griff und konnte sogar offensiv Akzente setzen. Nach Boatengs unerlaubtem Rückpass auf Neuer scheiterte Hector mit einem indirekten Freistoß im Münchener Strafraum an Müllers Körper (23.). Kurz vor dem Halbzeitpfiff dann der überraschende Anschlusstreffer: Ein kurz ausgeführter Eckball brachte Lehmann in die Mitte, wo Anthony Ujah völlig frei zum 1:2 einköpfte (45.+1). Das achte Saisontor des Nigerianers, das zudem den Gästeblock zumindest kurz einmal aufweckte.

Nach dem Seitenwechsel erwarteten alle einen wütenden FCB, der den aufmüpfigen Außenseiter nun endgültig erledigte. Doch: Fehlanzeige! Der effzeh verteidigte geschickt, lief die Räume sehr gut zu und ging konsequent in die Zweikämpfe. Kaum verwunderlich also, dass das Team mit zunehmender Spieldauer immer mutiger wurde. Und fast dafür belohnt wurde: Anthony Ujah zwang Neuer zu einer Glanztat (57.). Nur Sekunden später hatte der eingewechselte Marcel Risse (kam zur Pause für Yuya Osako) den Ausgleich auf dem Fuß, doch erneut war es der Weltmeister-Torwart, der seine ganze Klasse zeigte (58.). Die effzeh-Anhänger träumten von der Überraschung, hier schien doch etwas drin zu sein.

Foto: Dirk Unschuld

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Träume, die beinahe wie Seifenblasen platzen sollten. Den sich bietenden freien Raum nutzte Robben zu einem seiner gefürchteten Sprints, doch den Querpass auf den wartenden Ribery unterband Brecko in allerletzter Sekunde (60.). Die Entscheidung fiel kurz darauf aber dennoch im Zusammenspiel zwischen Frankreich und der Niederlande: Ribery flankte auf Robben, der per Kopf Horn keine Abwehrchance ließ und das 3:1 besorgte (67.). Der effzeh gab sich aber nicht auf: Der eingewechselte Halfar prüfte Neuer, der abermals eine Weltklasse-Parade aufbot und einen weiteren Gegentreffer verhinderte. Quasi im Gegenzug vollendete Lewandowski einen erneuten Bayern-Konter zum 4:1 (75.). Danach verhinderte Horn noch durch zwei starke Paraden eine (unverdient) höhere Niederlage.

Spieler im Fokus

Timo Horn Erneut eine Klasse-Leistung des jungen Torhüters, der bei allen vier Toren ohne Abwehrchance war. Zeigte, dass die Lobeshymnen auf ihn nicht nur hohles Gewäsch waren. Bewahrte sein Team durch einige schönen Paraden vor weiteren Gegentreffern.

Miso Brecko Der Kapitän kam, sah – und spielte mehr als ordentlich. Auffällig besonders defensiv, wo er mitunter ungewohnt resolut zur Sache ging. Brillant seine Klärung gegen Ribery bei einem Blitz-Konter der Bayern. Für Spiele, in denen wir defensiv agieren müssen, stets eine Option. Also bis Dortmund, Miso!

Anthony Ujah Machte sein achtes Saisontor, ist damit mit Abstand bester effzeh-Torschütze. Wer hätte das vor der Spielzeit erwartet? Ansonsten auch wieder ein Aktivposten, Stögers Ansage scheint gewirkt zu haben. Könnte es allerdings noch besser, wenn er mitunter den Kopf hochnimmt und schaut, wer so alles auf der anderen Seite mitgelaufen ist!

Foto: Dirk Unschuld

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Fazit

Couragiert, aber letztlich chancenlos: So lässt sich der effzeh-Auftritt in München treffend zusammenfassen. Die Stöger-Elf hielt deutlich besser mit, als der schwache Auftakt erwarten und befürchten ließ. Das Scheibenschießen blieb aus, die Kölner Tordifferenz intakt. Und: Die „Geißböcke“ konnten immerhin beweisen, dass Manuel Neuer nicht nur ruhige Tage im Bayern-Tor verbringt. Letztlich ist angesichts der Großtaten des besten Torwarts der Welt der Sieg ein Tor zu hoch ausgefallen.

Dennoch: Es ist allerhöchstens ein moralischer Erfolg. Punkte gibt es für vernünftige Auftritte in der Allianz-Arena (noch?) nicht. Wichtig ist es daher, an die Courage, den Mut und die spielerische Elemente anknüpfen zu können, wenn es gilt. Und das ist nicht in München, sondern ab jetzt vor allem in Duellen in Müngersdorf.

Die Statistik des Spiels:

FC Bayern München: Neuer – Rafinha, Boateng, Badstuber, Alaba – Schweinsteiger (78. Rode) – Götze, Müller (69. Alonso) – Robben, Ribery – Lewandowski

1. FC Köln: Horn – Brecko, Maroh, Wimmer, Olkowski – Vogt (72. Halfar), Lehmann, Hector – Osako (46. Risse), Peszko – Ujah (78. Deyverson)

Tore: 1:0 Schweinsteiger (3.), 2:0 Ribery (10.), 2:1 Ujah (45.), 3:1 Robben (67.), 4:1 Lewandowski (75.)

Gelbe Karten: Halfar (73.)

Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)

Zuschauer: 75.000

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