Unabhängig von Resultaten und Zahlenreihen wie 4-1-4-1 oder 3-1-4-2 beurteilt auch Kölns Trainer Markus Anfang die jüngste Entwicklung seiner Mannschaft positiv. Im Interview mit dem “Kölner Stadtanzeiger”, das am Tag des Magdeburg-Heimspiels erschien, sagte der ehemalige Kieler: “(…) umgekehrt haben wir schon gegen Duisburg zwanzig Minuten lang in genau der Ordnung gespielt wie jetzt. Deswegen ist es immer schwierig, von Ordnungen zu sprechen. Wir lösen uns davon und fragen stattdessen: Wer bespielt welchem Raum? Über welche Position kommt wer am häufigsten? Welche Spieler wollen wir vorn haben – und wie bekommen wir sie dann in die Position, in der sie torgefährlich sind? Wo auf dem Platz schaffen wir Überzahl?”
Risse klarer Flügelspieler, Hector rückt ein und vor
Schaut man sich die realtaktische Aufstellung der Partie gegen den Tabellenvorletzten genauer an, fällt auf, dass von der viel zitierten Grundordnung mit drei Verteidigern nicht mehr viel zu sehen ist. Denn die Besetzung der wirklich spielrelevanten Räume erfolgt im dynamischen Spiel sowieso ohne Rücksicht auf vorher abgestimmte Zahlenreihen. Aus dem obigen Screenshot, entnommen von der Webseite “whoscored”, ist ersichtlich, dass Marcel Risse in diesem Spiel seine Rolle weitaus offensiver interpretierte als sein Gegenüber Jonas Hector und eine Symmetrie sowieso nicht erkennbar ist. Über die Gründe dafür lässt sich nur spekulieren: Eventuell fehlt Hector nach seiner Verletzungspause noch ein wenig die Fitness, vielleicht war es aber auch bewusst geplant, mehr über die eigene rechte Seite anzugreifen.
Fast die Hälfte aller Kölner Angriffe lief nämlich über die rechte Seite, auf der Schmitz und Risse zusammen auf mehr als 170 Ballkontakte kamen. Zusammen mit Niklas Hauptmann, der in seinem vierten Startelfeinsatz in dieser Saison den halbrechten Achterraum besetzte, wurde das Spiel des effzeh immer wieder über diese rechte Seite angekurbelt. Hector selbst agiert eher weniger streng als Wing-Back, sondern eher als einrückender spielmachender Außenverteidiger – wenn man diesen Begriff denn einführen möchte. Der Nationalspieler rückte vielfach ins Zentrum und übernahm dort sowohl im Spielaufbau als auch in Abschlusssituationen Verantwortung – auch wenn ihm ein Tor bei zwei sehr guten Gelegenheiten an diesem Tag verwehrt blieb.
Individuelle Qualität als Faustpfand des 1. FC Köln
Interessant ist, inwieweit das Profil eines Akteurs und dessen Interpretation einer Position die Balance im Spiel einer gesamten Mannschaft verändern kann, denn auch trotz der vielfachen taktischen Vorgaben und Einschränkungen können die Fußballer ihre eigenen Stärken und Ideen ins fließende Spiel einbringen. Trotz der Qualitäten von Jannes Horn, die analog zu Marcel Risse auf der rechten Seite speziell bei den Hereingaben liegen, zeigte sich am Montagabend, warum Nationalspieler Hector ein ganz besonders starker Spieler für die zweite Liga ist. Und so ergibt es sich dann auch, dass eine realtaktische Aufstellung in einem Spiel gänzlich anders aussehen kann als im Spiel zuvor.
Wovon der 1. FC Köln in dieser Phase auch profitiert, ist die individuelle Qualität seiner Spieler und insbesondere die Präsenz im gegnerischen Sechzehnmeterraum. Die ersten beiden Tore gegen Ingolstadt entstanden durch Folgeaktionen an Torchancen: Zuerst scheiterte Drexler an Brunst beim 1:0, bevor Cordoba einlochte. Das zweite Tor fiel im Anschluss an eine scharfe Risse-Flanke, die Abwehr des Magdeburger Keepers verwertete Drexler gefühlvoll per Kopf. Dem dritten Tor des 1. FC Köln durch Terodde gingen dann 32 Pässe der Mannschaft voraus, ohne dass ein Magdeburger den Ball berührte.
Dass es beim effzeh momentan läuft, hat natürlich viele Gründe, aber erfreulich zu sehen ist, dass die Mannschaft ihrer Favoritenrolle in dieser Phase gerecht wird – Anfangs Umstellungen und Anpassungen haben dazu ihr Übriges getan, der Fußballlehrer profitiert vom Fundament, das auch in den Phasen gelegt wurde, in denen es nicht so gut lief.