Traum von der Champions League auf der einen, Hoffnung auf ein positives Ende der Saison auf der anderen Seite – mit der TSG Hoffenheim und dem effzeh treffen zwei Mannschaften aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Unser Auswärtsspiel mit TSG-Fan Marco Ripanti.
Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln werden wir auch in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen stellen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Wir sind nicht nur gespannt, wieviel effzeh in den Anhängern der anderen Bundesligisten steckt, sondern erwarten auch eine Einschätzung zur Situation der eigenen Mannschaft.
Mit so einem Erfolg hat sicher niemand gerechnet. Nachdem man in der letzten Saison gerade so dem Abstieg entronnen ist, dachte man eher an eine Saison der Stabilisierung und ohne erneute Angst vor Liga zwei. Dass wir aber in dieser Saison in vielen Punkten neue Rekorde verzeichnen und am Ende sogar bis zum Schluss um die CL mitspielen, davon hat wohl keiner auch nur zu träumen gewagt.
Der fußballerische Stil der Hoffenheimer, das muss man anerkennen, ist in dieser Saison beeindruckend. Gepflegter Spielaufbau, rasantes Spiel nach vorne, viel Risiko – das Zuschauen macht bestimmt Spaß, oder?
Es ist vor allem mal wieder ein Stil zu erkennen. Leider haben wir am Ende der Ära Gisdol überhaupt kein Schema mehr auf den Rasen gebracht und wenn dann nur eines: Das Falsche! Mit Huub Stevens kam zumindest wieder Stabilität in die Abwehrreihen. Julian hat es geschafft, eine unglaubliche Flexibilität in die Spielweise der Mannschaft zu bringen. Es macht absolut Spaß, die Mannschaft spielen zu sehen. Sogar bei den drei Niederlagen bisher hatte man keine Schmerzen.
Nagelsmann: Erst BVB, dann DFB-Team?
Julian Nagelsmann ist jetzt ungefähr ein Jahr Trainer in der Bundesliga. Er kam ein wenig aus dem Nichts, mittlerweile ist er aber jedoch einer der interessantesten Trainer im Weltfußball. Wie schätzt du seine Rolle für den derzeitigen Erfolg ein? Wie sieht seine Zukunft aus?
Die Größe eines Trainers zeigt sich immer erst in schweren Zeiten. Die kennt Julian bisher noch nicht, aber auch die werden kommen und dann werden wir erkennen, welch großartiger Trainer er wirklich ist. Stand heute ist es nicht schwer, ihm eine große Zukunft zu prognostizieren. Wohin geht der Weg? Puh .. schwere Frage. Müsste ich mich festlegen, würde ich sagen nach Hoffenheim kommt der BVB und dann wird er Nachfolger von Löw.
Im letzten Jahr konnte die TSG gerade so die Relegation vermeiden, Nagelsmann schaffte es mit seiner Truppe gerade so auf Rang 15. Was hätte ein Abstieg für die TSG Hoffenheim 1899 bedeutet?
Daran möchte man heute eigentlich gar nicht mehr denken. Wäre es wirklich so gekommen, hätte man natürlich abwarten müssen, wie die Führungsriege gehandelt hätte. Viele Spieler hätten den Verein verlassen und andere (die dieses Jahr zum Erfolg beitragen) wären nicht gekommen. Ein Abstieg wäre ein schwerer Schlag gewesen und keiner kann sagen, wie es dann weitergegangen wäre.
Im nächsten Jahr wird es dann unter der Woche in Hoffenheim die Champions-League-Hymne zu hören geben – hättest du das für möglich gehalten?
Ganz ehrlich? Nein! Umso größer ist die Freude, wenn es dann soweit ist.
Kevin Vogt: “Eine der größten Überraschungen der Saison”
Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images
Mit Kevin Vogt spielt ein ehemaliger effzeh-Spieler eine extrem wichtige Rolle bei der TSG. Während er in Köln nie wirklich Fuß fassen konnte, ist er in Hoffenheim leistungsmäßig quasi explodiert. Wie siehst du den Blondschopf?
In den ersten Spielen (als er noch im Mittelfeld eingesetzt wurde) konnte man die fehlende Einsatzzeit in Köln schon fast verstehen. Heute ist er aus dem Abwehrverbund der TSG kaum noch wegzudenken. Auch das spricht für den Trainer und den Spieler, dass man schnell auf eine Situation reagierte und jemanden so effektiv umfunktionierte. Vogt gehört sicher zu den großen Überraschungen der Saison.
Mit Niklas Süle und Sebastian Rudy wechseln zwei Stützen der Mannschaft im Sommer nach München. Bist du enttäuscht oder kannst du deren Karriereentscheidung nachvollziehen?
Das gehört zum BuLi-Geschäft dazu (Floskel!). Auch andere Spieler werden den Verein verlassen und neue werden kommen. Abschiede sind immer ein wenig traurig, aber wer möchte schon fünf oder mehr Jahre immer die selben Spieler auf dem Rasen stehen sehen?
Auf der nächsten Seite: Hoffenheim als Retortenverein, die Rolle von Dietmar Hopp und die Fanszene.
Plastikclub? “Das Gejammere kommt nur von Fans der Vereine, die hinter uns stehen”
Nehmen wir einen Schritt Abstand zum Sport und stellen die wirklich wichtigen Fragen. Wie bist du Fan der TSG Hoffenheim geworden?
Im Jahr des Aufstiegs aus Liga zwei wurde ich von der Euphorie erfasst. Kurze Wege zum Stadion und eine tolle Geschichte machten mich neugierig. Das Umfeld und die tolle erste Saison haben mich dann eingefangen.
Die TSG Hoffenheim wird nicht nur in Köln als ein Beispiel für ein am Reißbrett entworfenes Fußballprojekt gesehen. Dietmar Hopp hat für den Aufstieg seiner TSG mehr als 100 Millionen Euro in die Hand genommen – wie schwer fällt es dir, ständig auf diesen Sachverhalt reagieren zu müssen?
Eigentlich gar nicht. Das Material des Balls und die Torpfosten haben sich in den letzten Jahren auch geändert. Die Spieler tragen nicht mehr diese super kurzen Hosen … Veränderung trifft uns überall und so auch im Fussball. Es gibt wohl keinen Verein, der einen Menschen wie Dietmar Hopp als Gönner abgelehnt hätte.
Foto: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images
Veränderung trifft uns überall und so auch im Fussball. Es gibt wohl keinen Verein, der einen Menschen wie Dietmar Hopp als Gönner abgelehnt hätte.
Wie sieht die Zukunft der TSG aus, wenn Hopp mal nicht mehr da sein sollte? Was wäre ein ideales Exit-Szenario für dich?
Da halte ich es wie Dietmar Hopp. Der Verein muss sich irgendwann mal selbst tragen. Transfererlöse etc. sind hier ein erlaubtes Mittel, gerade weil wir auf Grund der kleineren Fanbase nicht aus Unsummen beim Merchandise schöpfen können. Vereine leiten kann auch Daniel Hopp und bis dahin geht auch noch eine Weile ins Land.
“Beleidigungen unter der Gürtellinie weglassen”
In der Diskussion zwischen Fußball-Traditionalisten und Anhängern von Leipzig oder Hoffenheim wird häufig mit dem Wort “Fußballkultur” argumentiert – wie sieht eine ideale Fußballkultur für dich aus?
Fair und friedlich. Klar, eine gewisse Reisebereitschaft hilft, aber irgendwann haben auch wir eine kleine Fanbase in allen Großstädten Deutschlands und dann sind auch bei unseren Gastspielen mehr Fans vor Ort. Zu Kultur gehört für mich auch, dass man Beleidigungen, die deutlich unter der Gürtellinie sind, einfach mal sein lässt. Heute Abend könnt ihr in Köln ein Stück dazu beitragen. Man stellt sich das mal vor. Köln gegen Hoffenheim ein Hochsicherheits-Spiel … Mann, Mann, Mann.
Kannst du es verstehen, dass sich viele Fans an Werks- oder Investorenvereinen reiben?
Klar, aber das Gejammere höre ich nur von den Fans, die hinter den „Plastikvereinen“ in der Tabelle stehen.
Selbst Nagelsmann hat in dieser Saison schon Kritik daran geübt, dass das Stadion nicht immer ausverkauft ist. Tut es da nicht richtig Not, durch die Champions League neues Publikum heranzuziehen? Werden dann die Neuankömmlinge von den “Alteingesessenen”, die schon 2009 dabei waren, kritisch beäugt?
Da gebe ich dem Trainer absolut recht. Bei den Spielen in dieser Saison hätte die Mannschaft eigentlich immer ein ausverkauftes Stadion verdient gehabt. Auch hier haben wir unter den Fans noch Nachholbedarf und lernen Jahr für Jahr dazu.
Kommen wir zurück zum Spiel am Freitagabend. Was erwartest du für eine Partie? Was traust du dem 1. FC Köln in dieser Saison noch zu?
Ich rechne mit einer hitzigen Partie. Für den FC ist es die letzte Chance auf einen Europapokal-Platz. Das schafft uns natürlich Räume. Nach einer guten Hinrunde ist Köln ein wenig ins Stocken geraten. Ein zweiter Modeste würde da sicher helfen. Platz sechs oder sieben wird es am Ende wohl werden.
Wie sieht dein Tipp aus?
Ich will keinen Ärger und könnte mit einem 2:2 leben.