Wie gefährlich sind Energy-Drinks? Wir gehen als Fanzine unserem Bildungsauftrag nach und warnen vor einem Gesundheitsrisiko, das bislang eher selten als solches im Fokus stand. Gemeinsam mit einem Kinderarzt kommen wir zu einem bedrohlichen Fazit.
Ein Wachmacher. Ein Alkoholverdünner. Ein Modegetränk. Der Energy Drink ist in seinen verschiedenen Formen schon lange auf dem Siegeszug und wird dabei unterstützt von einer gigantischen und lauten Marketingmaschine. Der Sport spielt dabei eine ganz große Rolle. Kaum ein Sportevent mehr verzichtet auf Werbung für Energy-Getränke.
Gleichzeitig ist der Energy-Drink aber so ziemlich das Ungesündeste, was man seinem Körper einverleiben kann, natürlich nicht zuletzt für Sportler. 250 Milliliter des süßen Getränks enthalten 80 Milligramm Koffein – das ist so viel wie in über zwei Dosen Cola. Weiterhin sind darin ungefähr 27 Stück Würfelzucker enthalten, auch das kein so ungefährlicher Wert. Nun ist es jedem selbst überlassen, was er wann trinkt. Nur bei Kindern, da hört der Spaß auf, finden wir – leider sind die Gefahren dieses Getränks für die Jüngsten der Gesellschaft nicht überall bekannt.
Plädoyer für eine Altersbeschränkung bei Energy-Drinks
Aber immerhin gibt es in Deutschland einen Spezialisten, der den Energy-Drinks den Kampf angesagt hat. Dr. Martin Hulpke-Wette ist Herzspezialist und Kinderarzt in Göttingen. Er ist so etwas wie der medizinische Vorkämpfer, der dafür wirbt, die Gesetzgebung zu verändern. “Die gesetztlichen Vorgaben sind lasch, viel zu lasch”, erklärt er uns auf Nachfrage. Er ergänzt: “Ich rücke Energy-Drinks in die Nähe von Drogen.” Na, ist alles immer noch so harmlos?
-> Hintergrund: Warum wir nicht über das Spiel gegen RB Leipzig berichten
Dr. Hulpke-Wette scheint einer der wenigen in Deutschland zu sein, der überhaupt die Gefahr des Getränks für Kinder erkannt hat. Offenbar scheint es in der Gesellschaft nicht bekannt zu sein, dass Kinder egal welchen Alters überhaupt Energy-Drinks konsumieren. Doch dazu reicht es meistens, morgens an der Bushaltestelle mal genauer aufzupassen: Grundschüler haben den Energy-Drink zum offiziellen Frühstück auserkoren. Bei den Supermärkten und Getränkehändlern findet sich nicht nur die top gestylte Dose des Branchenprimus aus Österreich, alle machen mittlerweile mit, die 1-Liter-Dose von Edeka, die 1,5-Liter-Flasche von Magic Man.
Auch der effzeh-Hauptsponsor Rewe verkauft seinen eigenen Energy-Drink. Was bei all den Herstellern gleich ist: Es gibt keine Altersbeschränkung für Käufer! Auf allen Dosen oder Flaschen ist zu lesen: “Erhöhter Koffeingehalt. Für Kinder und schwangere oder stillende Frauen nicht empfohlen.“ Mehr muss laut dem Gesetzgeber auch nicht draufstehen. “Nicht empfohlen” heißt allerdings nicht “verboten”. Und wir wissen alle, wie groß der Reiz des Verbotenen im Kindesalter sein kann, getreu dem Motto: “Was ich nicht soll, will ich erst recht.”
Gesundheitsrisiko Energy-Drink: Erhebliche Gefahren für Kinder
Der Kinderkardiologe aus Göttingen wurde auf das Thema aufmerksam, als er einen Jugendlichen mit Herzrasen behandelte. Dies war vollkommen ungewöhnlich, denn der Junge war ansonsten kerngesund. „Ich habe ihn gefragt, was er denn schon gefrühstückt hätte. Er würde nicht frühstücken, antwortete er mir. Da hab ich gefragt, ob er etwas getrunken hätte, was er bejaht hat. Auf meine Nachfrage hin, was das denn gewesen sei, kam die Anwort: “Energy, ich trinke nur Energy.“
Dies war der Ausgangspunkt dafür, dass Dr. Hulpke-Wette sich mit dem Thema zu beschäftigen begann. Dass Kinder gesundheitsgefährdende Mengen in sich reinschütten, war ihm bis dahin nicht klar gewesen. Mittlerweile gibt es aufgrund seines Wirkens immerhin Supermärkte in Göttingen, die eine freiwillige Altersbeschränkung eingeführt haben. Denn der Arzt ist hartnäckig. Und überzeugend.
Mittlerweile hat er sich zum Spezialisten für das Thema entwickelt und verschiedene junge Patienten behandelt, die von Energy-Drinks krank geworden sind. Und zwar messbar krank. Sie sind sogenannte High Consumer, die mehrmals am Tag zur Dose greifen. „Sie haben ganz erhebliche Wandverdickungen ihrer linken Herzkammer entwickelt. Wenn sie das uneingeschränkt fortgesetzt hätten, und das kann ich mit Sicherheit sagen, weil es dokumentierte Berichte über solche Fälle gibt, wären sie im Anschluss daran gestorben.“
Von möglichen Gefahren spricht man in der Werbung natürlich nicht
Tot durch den Konsum von Energy Drinks. Die Hersteller weisen die Gefahr weit von sich. Doch es gibt bislang keine repräsentative Studie, die mit Kindern im Grundschulalter durchgeführt wurde. Eine Studie der europäischen Gesundheitsorganisation EFSA sieht Risiken bei übermäßigem Konsum. Aber auch diese Studie wurde mit jungen Erwachsenen durchgeführt. Nicht mit Kindern.
Fun Fact: der Kommissar für Gesundheit der Europäischen Kommission, Vytenis Andriukaitis, war zuvor Gesundheitsminister seines Heimatlandes Litauen. Dort ist seit längerem der Verkauf von Energy Drinks an Jugendliche unter 18 Jahren nicht mehr gestattet. Der Kommissar lässt sich auf meine Anfrage für die ARD wie folgt zitieren: “Wir erlebten in unserem Land die ansteigende Popularität von Energy-Drinks unter Kindern und Teenagern und ich glaubte, dass es unser Job als Politiker ist, sie zu beschützen.”
In Deutschland ist die Regierung noch nicht soweit, Energy-Drinks sind hier weiter frei verkäuflich. Man setze auf Aufklärung, heißt es vom Gesundheitsministerium. Das große Problem: Behördliche Aufklärung tritt hier im direkten Duell gegen die wahrscheinlich größte Werbemaschine der Welt an. Und besonders Kinder lassen sich davon verführen. Kein Wunder. Die Bilder, die der größte Hersteller von Energy-Drinks in die Welt hinausschickt, sind spektakulär, atemberaubend, teilweise wirklich wunderschön. Sie machen nur leider Werbung für eine Sache, die besonders für Kinder große Gefahren bereithält. Gefahren, vor denen kein werbender Sportler warnt, Herzrasen, dass absolut nicht positiv gemeint ist, Wandverdickungen der Herzkammer, die man nicht sieht, aber dann spürt, wenn man im Alter von 30 Jahren die Treppenstufen nicht mehr hochkommt.
Dementsprechend wäre es doch wünschenswert, sich dem Kinderarzt aus Göttingen und einer Initiative wie Foodwatch anzuschließen und zu fordern, dass eine Altersbeschränkung für den Kauf von Energy-Drinks eingeführt wird.