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Fünf Erkenntnisse nach dem Remis in Kiel: Eine Szene verändert alles

Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

Das Leid eines Menschen, der über Fußball schreibt, verdeutlich sich manchmal daran, dass sich der öffentliche Gesamteindruck über ein Spiel manchmal durch eine isolierte Aktion verändert, weil aus einem Sieg ein Unentschieden oder aus einem Unentschieden eine Niederlage wird. So geschehen auch beim Auftritt des 1. FC Köln in Kiel, dessen Ausgang eigentlich vorgezeichnet schien – Kiel schaffte im gesamten Spiel keinen Abschluss aufs Tor, die effzeh-Defensive stand solide, obwohl man nach vorne hin sicherlich kein Feuerwerk abbrannte. Ein Missverständnis zwischen Timo Horn und Jorge Meré brachte dann Heinz Mörschel in die Position, per Kopf den Ausgleich zu erzielen – aus eigentlich sicheren drei Punkten wurde nur einer, der Umgang mit dem Spiel veränderte sich auch.

Und wenn man jetzt in die Analyse des Spiels geht, darf man gerne emotional werden – aber auch ein sachlicher Blick kann vielleicht nicht schaden. Denn für den 1. FC Köln war es deswegen ein besonderes Spiel, weil aufgrund einiger Verletzungen Spieler zum Einsatz kamen, die bis dato in der Saison kaum Spielminuten auf dem Konto hatten – bei aller Frustration über das Ergebnis muss man diesen und andere Fakten für eine neutrale Analyse des Spiels und dessen Ergebnis betrachten.

Schwierige Ausgangslage: Balance und Verletzungen

Erinnern wir uns mal an die letzten Minuten des Heimspiels gegen Duisburg: Der 1. FC Köln rannte mit voller offensiver Man-Power einem Rückstand hinterher, prügelte einen langen Ball nach dem anderen nach vorne und hoffte auf einen glücklichen Ausgleich. Im Nachgang wurde bei unserer Analyse der fehlende Plan B im Offensivspiel des effzeh kritisiert, da die langen Bälle wenig erfolgsversprechend waren. Gleichermaßen wurde die mangelnde Balance im Spiel des Aufstiegsfavoriten bemängelt, der den Gegnern in einzelnen Spielen der Vergangenheit immer wieder große Räume eröffnete.

Die Vorbereitung auf das Spiel im Norden war dann auch schwierig: Mit Sobiech, Koziello und Clemens verletzten sich drei potenzielle Startelfkandidaten und eine Länderspielpause verhinderte mannschaftstaktisches Training im weitesten Sinne. Das Ansinnen, dem effzeh durch eine veränderte Startelf mehr Stabilität zu verleihen, war für Markus Anfang und sein Trainerteam dann offenkundig das Mittel der Wahl. Schließlich musste man mehrere Spieler integrieren, die entweder über längere Zeit nur wenig gespielt hatten – Schmitz, Hauptmann und Özcan sind hier zuerst zu nennen. Mit Hauptmann rückte nach Högers Verletzung gar ein Spieler kurz vor Anpfiff erst ins Team, nach Schaubs Verletzung dann auch der eingewechselte Simon Zoller. Kurzum: Die Vorbereitung auf das Spiel verlief nicht ideal.

Mehr Pragmatismus als Dogmatismus: Anfangs verändert Statik

Und so war beim effzeh dann neben der veränderten Viererkette auch eine andere Raumbesetzung in Spiel gegen den Ball zu beobachten. Bisher formierte man sich in einer 4-1-4-1-Stellung, mit Marco Höger als tiefem Sechser hat man dafür auch einen prädestinierten Spielertyp im Kader. Da Höger allerdings kurzfristig ausfiel, war Anfang gezwungen, die Statik des Spiels zu verändern. Mit Niklas Hauptmann rückte ein Verbindungsspieler ins Team, der überwiegend im Zehnerraum agierte. Einen einzigen tiefen Sechser gab es nicht, im Spiel gegen den Ball verteidigte der effzeh im 4-2-3-1 mit Özcan und Hector im defensiven Mittelfeld.

Auf der nächsten Seite: Mehr Stabilität auf Kosten der Offensive

Von der Herangehensweise im Spiel mit dem Ball rückte Anfang nicht ab, aufgebaut wurde nach wie vor in der bereits bekannten 2-3-4-1-Stellung mit veränderten Besetzungen insbesondere im Mittelfeldzentrum. Durch die Verletzung von Schaub nach etwa einer halben Stunde kam mit Zoller dann ein deutlich linearer und weniger kombinationsorientierter und spielgestaltender Akteur ins Spiel, was dem Offensivspiel des 1. FC Köln an diesem Tag auch nicht wirklich zuträglich war.

Große Stabilität und wenig Gefahr durch Kiel – bis zur 88. Minute

Im Spiel gegen den Ball allerdings war beim 1. FC Köln (und das kann man trotz des Ergebnisses sagen) somit ein Fortschritt zu erkennen, weil man deutlich weniger Räume zuließ und dem Gegner kaum Abschlüsse zugestand. Die zu drei Vierteln neu formierte Viererkette funktionierte, Jannes Horn und Startelf-Debütant Benno Schmitz besetzten die sonstigen Problempositionen der “Geißböcke” durchaus zufriedenstellend. Und auch die Arbeit gegen den Ball im defensiven Mittelfeld ließ keinen Kontrollverlust zu – Hector und Özcan hatten das Zentrum jederzeit im Griff.

Timo Horn war eigentlich über das gesamte Spiel beschäftigungslos, was defensive Aufgaben betraf – Ballkontakte im Aufbauspiel hatte er dennoch einige. Hierbei offenbarte er, dass seine technischen Fertigkeiten im Zweifel dann doch nur den langen Schlag ermöglichen und damit eben keine zielgerichtete Spieleröffnung auf einen Mitspieler. Aber das wäre alles kein Thema gewesen, wenn in der 88. Minute die folgenschwere Szene nicht passiert wäre, die den effzeh letztlich um zwei Punkte bringen sollte. Ein langer Ball in den Strafraum der Kölner brachte an sich keine Gefahr, doch Jorge Meré rechnete damit, dass Horn den Ball aufnimmt – dieser war allerdings zu weit entfernt, sodass Mörschel intervenieren und den Ball ins leere Tor köpfen konnte. Schuldzuweisungen am Gegentreffer sind unnötig, aber im Zweifel muss der Abwehrspieler den Ball kurz hinter der Sechzehnerlinie klären und nicht auf seinen Keeper warten.

Dieses Mal wirft die Offensive Fragen auf

Dass das Spiel bis dato allerdings immer noch offen war, lag unter anderem auch daran, dass das Offensivspiel an diesem Tag eben nicht funktionierte. Mit Louis Schaub wurde einer der bestimmenden Faktoren bereits früh ausgewechselt, was der ohnehin neuformierten effzeh-Elf einen weiteren Baustein nahm, der im Normalfall viel Einfluss nimmt. Aber auch mit dem Österreicher dauerte es etwa zehn Minuten, bis der 1. FC Köln das erste Mal eine einigermaßen vernünftige Ballstafette aufs Parkett brachte. Vielleicht war es Zufall, dass man danach mit Czichos und Drexler die ersten Abschlüsse verzeichnete, in jedem Fall aber lief in der Offensive wenig zusammen.

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In solchen Spielen sind es dann eben Standardsituationen, die den Unterschied machen können – eine der wenigen ansprechenden Kombinationen in der ersten Halbzeit über Schmitz und Terodde führte letztlich zum Strafstoß, der eigentlich das Spiel hätte entscheiden müssen, wenn die 88. Minute nicht gewesen wäre. Die wenigen Kontergelegenheiten, die sich der effzeh in dieser Partie erspielte, wurden entweder schlampig (Drexler) oder umständlich (Zoller) zu Ende geführt, sodass auch in der zweiten Halbzeit (bis auf einen Terodde-Schuss nach schnell ausgeführtem Freistoß durch Hector) wenig Torgefahr entstand. Einzig Jhon Cordoba hatte noch so etwas wie eine Torchance.

Punktemäßig nach wie vor im Soll – doch die Fragen werden lauter

Mit 20 Punkten nach zehn Spielen ist der 1. FC Köln nach wie vor im Soll, wenn man einen Schnitt von zwei Punkten pro Spiel als Maßstab nimmt. Nachdem aber zuletzt insbesondere die Statik in der Defensive bemängelt wurde, war diese gegen Kiel eigentlich okay – bis auf eine Szene eben. Größere Fragezeichen hinterlässt nach diesem Spiel die Offensive, in der wenig bis gar nichts funktionierte. So war es (sorry) dann eigentlich ein “klassisches 0:0-Spiel”, das 1:1 endete und viele Fans frustriert zurücklässt.

Das Ergebnis ist in Bezug auf die Vorbereitung auf das Spiel irgendwo verständlich. Dass nach zehn Spielen allerdings minimum vier dabei waren, über die man diskutieren muss, hinterlässt dann doch einige Fragen. Gegen Heidenheim wird der effzeh die Gemüter mit einem Sieg beruhigen müssen, um einen komplett unruhigen Herbst zu verhindern.

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