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Nachspiel

Kick it like Hitchcock

Eine Millionen Aluminumtreffer und ein irres Kölner Publikum machen das Hardtwaldstadion zu Sandhausen zum Schauplatz eines astreinen Thrillers.

Die einen Menschen stehen auf französische Filme. Die Filme, in denen eine Handlung nicht sichtlich erkennbar ist, die aber vor Kunst und Kultur nur so triefen. Die anderen Menschen stehen auf Action und Spannung auf der Leinwand. Sie stehen auf Hitchcock. Auf Dramatik und Thrill. Die Freunde des französischen Films finden sich wieder bei den Passstaffeten des bayrischen Traumkabinetts gegen den SC Freiburg, künstlerisch wertvoll doch gänzlich ohne Spannung.
Die Freunde Hitchcocks hingegen werden nun auch nicht mit leuchtenden Augen aufgeblickt haben, als sie in den Terminplan der zweiten Bundesliga geblickt haben und auf das Spiel des sympathischsten Spitzenreiters aller Zeiten in Sandhausen gestoßen sind. Der Super-Spitzenreiter wollte das dann aber nicht so auf sich sitzen lassen.
© effzeh.com

Halfar – der Mann für die französischen Elemente im Thriller © effzeh.com

Dem irren Publikum sollte was geboten werden. 3:0 in Sandhausen gewinnen kann jeder. Präzise Schüsse gegen das Aluminium, Glanzparaden zu den besten Zeitpunkten und eine Schlussphase mit Herzinfarktgefahr, das wollte der Cast um Regisseur Peter Stöger auf die Leinwand Rasen zaubern.
Und genau das tat er. Hitchcock wäre von grenzenlosen Stolz erfüllt, der Fan vor dem Fernsehbilschirm rastet aus und am Ende wird aus einem scheinbar müden Kick ein waschechter Thriller.

Ausgangslage

Ein wenig mit gesenkten Köpfen reiste der FC nach Sandhausen. Von Paderborn taktisch und spielerisch auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, zwei Spieler (Lehmann und Peszko) mit Gelbsperren verloren und die Erkenntnis gewonnen, dass das jetzt wohl doch kein superleichter Bundesliga-Durchmarsch wird. Glücklicherweise wusste jeder rund ums Geißbockheim die Niederlage richtig zu bewerten. Es wurde nichts schöngeredet, doch auch nicht der Geißbock an den Pranger gestellt. So zweifelten wohl nur die wenigsten daran, dass die Mannschaft ihre Lehren gezogen haben sollte.

Das Spiel gegen Sandhausen war trotz allem wieder sehr gefährlich. Drei Spiele in Folge nicht verloren, die zweitbeste Defensive der Liga nach dem rot-weißen Traumteam und erste eine Heimniederlage, weswegen der SVS in der Heimbilanz noch vor uns auf dem dritten Platz der Liga stand. Zumindest das mit dem Heimspiel schien dann aber ziemlich schnell erledigt…

Spielverlauf

Bei anfänglichem Kaiserwetter war eigentlich schon vor dem Anpfiff klar, dass der Erste Fußballclub Köln in Baden Württemberg, also gute 250 Kilometer entfernt von der Heimatstadt, mal wieder kein normales Auswärtsspiel erwartete. Kölsche Klänge und Kölner Chöre schallten durch das Hardtwaldstadion. Die tausenden mitgereisten Kölner Fans hatten das Stadion also fest in der Hand und auch die Jungs unten auf dem Platz übernahmen erwartungsgemäß schnell die Kontrolle über das Spiel. Die Sandhausener standen zwar kompakt, spielten aber keineswegs Mauerfußball und auch wenn Sky-Moderator Uli Potofski in den ersten 45 Minuten gefühlte 1948 Mal von einem harten Kampf sprach, war das Spiel eigentlich ganz nett anzusehen und vor allem von zwei taktisch gut eingestellten Mannschaft geprägt, die nicht unbedingt den Sandhauser Acker umpflügten.

Der Effzeh hatte nach fünf Minuten bereits mehr gute Flanken geschlagen als im ganzen Paderborn-Spiel zusammen, auch wenn keine der Hereingaben einen Abnehmer fanden. Auch ansonsten wirkte das alles ein wenig kreativer, lebendiger und engagierter als vor einer Woche bei den rot-weißen Göttern. Nach acht Minuten feuerte Daniel Halfar (sic!) den ersten guten Schuss auf SVS-Keeper Riemann ab, der Ball zischte flach links vorbei. Kurze Zeit später versuchte Maroh sein Glück durch einen relativ laschen Akrobaten-Schuss nach einer Ecke. Der Effzeh war feldüberlegen, wenn auch Sandhausen immer wieder kleine Nadelstiche setzte, die von unserer Abwehr aber immer wieder gut abgefangen wurden.

Zwischen der 20. und 30. Minute erlebte der Effzeh seine stärkste Phase der ersten Hälfte. Nach einem Traum-Konter über Hector und Halfar ließ sich Patrick Helmes leider etwas zu weit nach außen abdrängen und schoss schlussendlich nicht aufs Tor sondern an den Arm seines Gegenspielers. Statt ein Tor zu erzielen, reklamierte er Handspiel. Aber alles in Ordnung seitens des Sandhausers. Nur zwei Minuten später die beste Chance der ersten Hälfte: Nach einem wundervollen Pass von Halfar in die Gasse vergab Ujah aber relativ kläglich aus dem Lauf gegen Riemann, ehe Patrick Helmes fünf Minuten später einen gefährlichen Freistoß 1 1/2 Meter rechts neben das Tor von Riemann setzte. In den letzten zehn Minuten der ersten Hälfte konnte Sandhausen dann auch einige Zeit in der Kölner Hälfte verbringen, kam aber zu keinen großartigen Torchancen. Als alle Spieler schon halb auf dem Weg in die Kabine waren, fackelte Marcel Risse einen Schuss aus dem Nichts an die Latte. Hätte er den Schuss zwei Meter weiter vom Tor entfernt abgegeben, der Effzeh wäre mit einer verdienten Führung in die Pause gegangen.

© flickr User Tomas Caspers

Den Pfosten treffen ist sowieso viel schwerer als das Tor! © flickr User Tomas Caspers

Die verdiente Führung gab es dann zwei Minuten nach dem Wiederanpfiff als ein langer Ball aus dem linken Halbfeld an den Sechszehner segelte, wo Yannick Gerhardt sehr schön per Kopf in den Lauf von Patrick Helmes verlängerte. Der Stürmer machte das, was er halt so macht, wenn er aus acht Metern frei vor dem Torwart auftaucht: Er haut das Leder in die Maschen. Wer das ein odere andere Effzeh-Spiel in dieser Saison verfolgt hat, der wird wissen, dass Peter Stögers Team nur schwer bezwingbar ist, wenn erst einmal die Führung da ist. So tat sich das offensiv harmlose Sandhausen auch sehr schwer. Die Ansätze waren zu erkennen, die Badener kamen aber einfach nicht durch. Dagegen verstärkte der Tabellenführer den Druck und drängte auf das 2:0. Er drängte massiv.

Nach einem feinen Außenrist-Pass von Ujah tauchte Helmes wieder vor Riemann auf, kam aber ins Straucheln und landete noch vor dem Torschuss auf dem Boden. Danach schoss Risse, danach schoss Gerhardt. Das 2:0 war eine Frage der Zeit. Und immer wieder scheiterte Helmes. Nach einer genialen Aktion von Halfar, der sich gegen drei Sandhauser im Mittelfeld durchgedribbelt hatte und wunderschön zu Helmes weitergab, war der Innenpfosten wieder einmal Schuld daran, dass der Stürmer nicht traf. Der 1.000.000 Aluminiumtreffer in dieser Saison. Risse, Matuschyk, Halfar – alle probierten es wieder mit Schüssen bis man irgendwann an diesem im Fußball so berühmten Punkt angelangt war. An dem Punkt, an dem das 2:0 so überfällig war, dass jetzt irgendeine komische Situation kommen musste, die zwangsläufig zum 1:1 führt. Und genau so war es. Einmal ließ Miso Brecko seinen Gegenspieler laufen, einmal kam die scharfe Flanke und plötzlich war Schiefler da und schob den Ball aus fünf Metern platziert ins Tor…

Irgendwie, irgendwie schaffte es Timo Horn, bis dato so stark gefordert wie Steven Hawking mit dem Einmaleins, seine Finger mit einer überragenden Parade an den Schuss zu bekommen und die Null stand weiterhin.

In der Folge stand der gemeine Geißbock-Fan zwar noch zehn Minuten lang kurz vor dem Herztod, weil Sandhausen dann doch Druck aufbaute und der FC es irgendwie nicht verstand, so richtig clever auf Zeit zu spielen, letztendlich rettete man den höchst verdienten Auswärtssieg dann aber doch mehr oder weniger souverän über die Zeit ganz zur Freude des Sandhauser Stadions, das zu 90 Prozent von Kölner Fans besucht war.

Spieler im Fokus

Daniel Halfar: Einen leichten Stand hatte der Organisator und Initiator der Kölner Offensive nicht. Die Sandhauser versuchten alles, um ihn zu stoppen. Er wurde getreten und gehalten und machte einfach immer weiter. Es gelang nicht alles, aber sehr vieles. Mit tollen Märschen und Dribblings durchs Mittelfeld und mit wundervollen Ideen. Halfar war das kreative Element im Spiel, das gegen Paderborn fehlte. Er machte eben auch mal das, was niemand erwartet und bediente Helmes sowie Ujah mehrere Male mustergültig. Zudem auch kämpferisch ganz vorne dabei. Eine verdammt starke Leistung.

Patrick Helmes: Das entscheidende Tor erzielte er gewohnt kaltschnäuzig und stark. Rieb sich auch ansonsten auf, suchte die Zweikämpfe und hatte letztendlich dann doch immer wieder Pech. Sein toller, harter Flachschuss nach Halfar-Vorlage war perfekt, aber er traf eben – mal wieder – nur den Innenpfosten. War trotzdem der Matchwinner. Weitermachen!

Horn grüßt uns. Wir sagen DANKE! © effzeh.com

Timo Horn mag Filme mit Happy End! © effzeh.com

Adam Matuschyk & Yannick Gerhardt: Gerade in der Mittelfeldzentrale hatte der FC das Spiel absolut im Griff. Die beiden Herrschaften hielten den Laden bestens zusammen. Gerhardt war physisch sowas von da. Er haute sich in jeden Zweikampf, er grätschte und lenkte (42 Pässe, nur 4 Fehlpässe). Zudem mit einer tollen Kopfballverlängerung zum entscheidenden Treffer. Eine für einen so jungen Spieler vorbildliche Leistung. Matuschyk spielte unauffällig, aber souverän und gewann nach Daniel Halfar die meisten Zweikämpfe (16). Besser kann man das als Reservist kaum machen.

Timo Horn: Im Stile eines Spitzentorwarts. Nie gefordert, eiskalt und mit Bravour zur Stelle. Manche mögen sagen, wir haben gegen Paderborn auch wegen Horn verloren, gegen Sandhausen haben wir auch dank Horn gewonnen. Danke dafür, Timo!

Fazit

Lektion gelernt. Keine Unruhe, sachliche Kritik, ein verdammt guter Umgang mit der ernüchternden Niederlage gegen Paderborn und dann die sofortige Antwort – so wünscht man sich das von einem professionellen Sportverein. Auch Sandhausen machte es dem Effzeh schwer, auch Sandhausen stand dicht und gut, aber die rot-weißen Göttern zeigten mehr Fleiß, mehr Engagement und mehr Kreativität als noch vor einer Woche.

Am Ende stand ein hochverdienter Sieg vor einer Kulisse, die Sandhausen in seiner Vereinsgeschichte wohl noch nicht erlebt hat. Wir haben schon schönere Spiele gesehen und beim nächsten Mal darf die Torausbeute dann auch wieder besser sein, andererseits wäre das ja dann auch langweilig und Hitchcock stand ja schließlich nie für Langeweile.

1. FC Köln: Horn – Brecko, Maroh, Wimmer, Hector – Matuschyk, Gerhardt  – Risse (80. Bröker), Halfar – Helmes (90. Finne), Ujah

SV Sandhausen: Riemann – Schauerte, Olajengbesi, Kister, Achenbach – Linsmayer, Tüting – Stiefler (81. Kluft), Ulm (63. Mendler), Thiede (63. Diakité) – Adler

Tore: 0:1 Helmes (48.)

Gelbe Karten: – | Linsmayer

Schiedsrichter: Tobias Christ (Münchweiler)

Zuschauer: 9.800

 

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