Der effzeh ist auf Kurs und eilt (scheinbar) unaufhaltsam dem Wiederaufstieg entgegen. Und er zeigt in den letzten Wochen endlich jene Stabilität, die er in der Saison lange vermissen ließ – trotz der Unruhe, die im Verein rund um die Besetzung des Vorstands aktuell herrscht. Sportlich besteht also kaum noch ein Grund zur Sorge, dennoch sorgt der Schatten der jüngeren Vergangenheit dafür, dass die aktuellen Erfolge auch eine Befürchtung wecken. Denn die sportliche Leitung unter Jörg Schmadtke hatte die Tendenz, gerade in Zeiten des Erfolgs bekannte Lücken im Kader gerne länger als nötig zu ignorieren.
Da blieben die Position des rechten Verteidigers, des defensiven Mittelfeldspielers oder auch des linken offensiven Flügelspielers gerne mal mehrere Transferperioden un(ter)besetzt, während es ein Überangebot an Mittelstürmern und Innenverteidigern gab. Und meist gab es für die Transfers gefühlt auch oft nur einen Plan A wie bei Salif Sané, jedoch keine Alternativen, wenn dieser sich nicht realisieren ließ. Was das mit der aktuellen Situation zu tun hat? Erst einmal nichts, denn noch gibt es keine verlässlichen Einblicke dazu, wie sich Armin Veh die nächste Transferphase vorstellt. Und so bleibt die Hoffnung, dass der Kader nicht ähnlich unausgewogen wie 2017 ins Rennen um den Verbleib in der ersten Liga gehen muss.
Klarheit auf der Torhüterposition, Frage nach der Grundordnung
Im Tor ist die Situation klar. Allenfalls die Frage nach der Nummer 2 ist noch offen, Timo Horn ist hingegen auch der Bundesliga absolut unumstritten. Spannend wird ansonsten in erster Linie die Frage nach dem primären System, dass der effzeh für die erste Liga anstrebt. Während Markus Anfang zu Saisonbeginn und bis zum Dresden-Spiel sein vermeintlich favorisiertes 4-1-4-1 spielen ließ, ist seither in den meisten Fällen eine 3-5-2-Grundordnung zu sehen. Und mit Blick auf die Leistungsexplosion von Jhon Cordoba und dessen Stellenwert für das Kölner Spiel fällt es aktuell schwer, sich eine Rückkehr zum 4-1-4-1 mit nur einem zentralen Stürmer vorzustellen.
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Ein wichtiger Unterschied in Bezug auf die benötigten Spielertypen sind die Außenbahnen. Im 4-1-4-1 von Markus Anfang sind die Flügel nicht immer, aber häufig doppelt besetzt und es werden unterschiedliche Spielertypen für beide Rollen benötigt: Der defensivere Spieler sollte zweikampf- und spielstark sein, aber nicht zwingend und ausschließlich an der Linie agieren, also einer wie beispielsweise Jonas Hector, der offensivere ein dribbelstarker und torgefährlicher Spieler wie beispielsweise Leo Bittencourt. Bei einem 3-5-2 ist nur ein reiner Außenspieler gefragt, der wie ein Filip Kostic schnell, laufstark, defensiv ordentlich und in erster Linie offensiv gefährlich ist.
Hinten rechts und vorne links: Nachbesserungen nötig
Anzahl und Typus der benötigten Spieler hängen also vom System ab, im Idealfall bekommt man Spieler, die für beide Systeme in Frage kommen können. Der bereits verpflichtete Kingsley Schindler hat seine Stärken bisher primär in der Offensive nachgewiesen. Ob er in der Lage wäre, den Flügel in Deutschlands höchster Spielklasse in einem 3-5-2 defensiv alleine zu sichern, ist fragwürdig. Und mit ihm ist die Perspektive des gesamten vorhandenen Personals für die rechte Seite mit einigen Fragezeichen versehen. Marcel Risse kam nach seiner Verletzung noch nicht wieder an sein maximales Leistungsniveau heran, Christian Clemens hatte nach dem starken Saisonstart wieder nachgelassen, ist aber mittlerweile wieder besser geworden.
Benno Schmitz und Matthias Bader sind schon jetzt in Liga 2 nur noch Ersatz. Bedarf für die rechte Seite ist also vorhanden: Ein schneller und zweikampfstarker Defensivspieler, der idealerweise (wieder sei der Blick nach Frankfurt erlaubt) wie Danny da Costa sowohl als Außenverteidiger wie auch als Außenspieler im 3-5-2 agieren könnte. Links sieht es besser aus, hier sind mit Jonas Hector, Jannes Horn und Florian Kainz drei Spieler vorhanden, die auch schon auf Topniveau (wenn auch Kainz und Horn bisher nur streckenweise) bewiesen haben, dass sie mithalten können. Wenn es im 4-1-4-1 weitergehen soll, bräuchte der effzeh noch einen offensiven Mann für die linke Seite. Dass hier zu Saisonbeginn Serhou Guirassy spielen musste, zeigt leider, dass auch unter Armin Veh Mut zur Lücke bestand, denn optimal aufgehoben war der Franzose auf dieser Position nicht.
Jorge Meré als Fixpunkt in der Defensive – hoffentlich
In der Abwehr ist Jorge Meré inzwischen ein Fixpunkt, die zentrale Position in einer Dreierkette scheint ihm besonders gut zu liegen, auch Rafael Czichos spielt von wenigen Fehlern abgesehen eine starke Saison als ballsicherer und zweikampfstarker Innenverteidiger. Auch wenn der Tausch Heintz gegen Czichos vor der Saison von außen betrachtet seltsam anmutete, hat der ehemalige Kieler unter anderem durch seine präzisen Diagonal- und Flugbälle, aber auch durch flache Pässe nach vorne das Kölner Aufbauspiel bereichert und einige Tore eingeleitet. Lasse Sobiech ist hinter Meré der notenbeste Kölner Verteidiger (laut “kicker”), er hat die Erwartungen unabhängig von einer solchen am Ende auch immer ein Stück weit diskussionswürdigen Einordnung ebenfalls erfüllt und hatte zeitweise den talentierten Spanier sogar auf die Bank verdrängt.
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Frederik Sörensen ist leider der einzige wirkliche Verlierer des Kölner Neuaufbaus: Seine Hoffnung auf einen Wechsel erfüllte sich nicht, und leider kam er auch nach dem Wechsel auf eine Dreierkette nie in Form, obwohl er für dieses System eigentlich prädestiniert wäre. Als zentraler Mann in der Abwehr kommt in den letzten Spielen auch Marco Höger zum Einsatz, was andere Teams in der ersten Liga mit defensiven Mittelfeldspielern wie Kevin Vogt oder Makoto Hasebe erfolgreich vorgemacht haben. Ob Högers Stärken in der Spieleröffnung und Stellungsspiel auch in der Bundesliga ausreichend zur Geltung kommen und er im Verbund mit seinen Nebenleuten in der Lage ist, gegen Teams mit schnellen Stürmern zu bestehen, wird sich zeigen müssen.
Drexler als spielbestimmender Mann in der Offensive
Jorge Meré wäre der einzige Spieler, der in der Beletage ohne Fragezeichen bestehen könnte, Czichos und Sobiech haben keine beziehungsweise keine große Bundesliga-Erfahrung, Sörensen wird im Sommer den Verein vermutlich verlassen. Der effzeh braucht also zwei Innenverteidiger (sollte Meré den Verein in Richtung Spanien verlassen, sogar drei), die auf jeden Fall in der Lage sein sollten, vorhandene Tempodefizite auszugleichen.
Im Mittelfeld hat Armin Veh im letzten Sommer bewiesen, dass er in der Lage ist, bekannte Schwachstellen erfolgreich auszugleichen. Louis Schaub und Dominik Drexler brachten dringend benötigte Torgefahr und Esprit. Drexler besticht dabei durch eine Fähigkeit, die auch Thomas Müller häufig zugeschrieben wurde. Er besetzt in der Offensive Räume, die nicht an eine spezifische Position gebunden sind und schafft es dabei immer wieder, sowohl selber abzuschließen als auch Mitspieler erfolgreich einzusetzen. Seine bisherige Bilanz von 22 Torbeteiligungen in 30 Pflichtspielen ist absolut außergewöhnlich, und auch wenn er als fast 29-Jähriger bisher noch kein einziges Spiel in der Bundesliga bestreiten durfte, stehen die Chancen sehr gut, dass er auch dort seinen Beitrag leisten wird.
Defensives Mittelfeldzentrum des 1. FC Köln: Verstärkung nötig
Mit Louis Schaub ist dem effzeh ebenfalls ein großartiger Transfer gelungen. Sein Tor des Monats gegen Dresden stand dem wundervollen Treffer von Zoran Tosic gegen Hannover in nichts nach, und auch seine zahlreichen Vorlagen und Dribblings auf engem Raum sind ein Genuss. Vincent Koziello konnte sein Potenzial leider bisher ebenso wenig dauerhaft zeigen wie andere junge Mittelfeldspieler im FC-Kader wie Salih Öczan, Niklas Hauptmann und Nikolas Nartey. Dennoch ist die Besetzung des Mittelfelds auch für die Eliteklasse vielversprechend, leider mit einer elementaren Ausnahme.
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Der effzeh hat mit Geis, Höger, Koziello, Schaub, Drexler, Öczan und Hauptmann ein vergleichsweise kleines und gerade in der Defensive eher langsames Mittelfeld. Wenn der Verein auch in einer Etage weiter oben auf ein System mit einem 6er setzen sollte, wie es in dieser Saison bei beiden gespielten Formationen der Fall ist, hat der aktuelle Kader ein großes Defizit. Auch in der zweiten Liga bieten sich den Gegnern bei Kölner Ballverlusten enorme Räume, diese würden nach einem Aufstieg weit härter bestraft und wären gerade bei offensiver Grundausrichtung (wie sie Markus Anfang mutmaßlich auch oftmals wählen wird) eine fatale Hypothek. Auf der Wunschliste steht also ein schneller, kopfballstarker und dennoch ballsicherer Spieler, der in der Lage ist, in Kombination mit den gesuchten schnelleren Abwehrspielern die defensive Konteranfälligkeit drastisch zu reduzieren.
Sich durch den Aufstieg nicht blenden lassen
Im Sturm hat der Verein mit der Verpflichtung von Anthony Modeste bereits für die Bundesliga vorgebaut. Auch wenn der aktuelle Zustand mit drei Topscorern, die alle Stammplatzansprüche erheben, nicht ganz einfach zu moderieren ist, wären einige Erstligisten glücklich, drei solche Stürmer in ihren Reihen zu haben. Vorausgesetzt, Modeste findet auch in der erste Liga zu alter Stärke zurück, wäre die Kombination mit der körperlichen Wucht von Cordoba sehr vielversprechend. Und auch wenn Simon Terodde in der öffentlichen Wahrnehmung eher als Zweitligastürmer gilt, sollte man auch ihn nicht abschreiben. Der Bedarf also: Allenfalls ein Talent, das im Zentrum wie auf den Flügeln spielen kann.
Im Kern hat der Verein im Moment des drastischen Absturzes vor einem Jahr den größten Beitrag geleistet, die enorme Lücke zwischen Erster und Zweiter Liga nach einem Aufstieg schnell wieder schließen zu können. Kaum auszudenken, wenn zusätzlich zu den vorhandenen Schwachstellen auch noch Spieler von der Qualität eines Timo Horn, Jorge Meré, Jonas Hector, John Cordoba (wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass man das nun sagen würde) geholt werden müssten. Wenn der Verein sich nicht durch die aktuelle Siegesserie blenden lässt und es im Sommer schafft, sowohl seine Leistungsträger zu halten als auch Spieler zu finden, die wie Schaub und Co. im Vorjahr den Kader verstärken, stehen die Chancen gut, den Fahrstuhl länger als ein Jahr zu verlassen. Und um etwas anderes geht es zum Glück ja auch erst einmal nicht.