Jonas Hector fehlte dem 1. FC Köln monatelang und will nun in der Rückrunde wieder angreifen: Neben dem Klassenerhalt hat er in dieser Saison allerdings ein weiteres großes Ziel vor Augen.
Knapp 30 Minuten waren in London gespielt und die Kölner Welt hätte an diesem 14. September nicht besser aussehen können. Nach drei Spieltagen punktloser Tabellenletzter? Geschenkt! Auf das rettende Ufer war es ja nur ein Punkt Rückstand. Das würde die Mannschaft von Trainer Peter Stöger schon noch aufholen, waren sich die effzeh-Fans sicher. Vielmehr wollten alle diesen Moment genießen: Zum ersten Mal nach 25 Jahren spielte der 1. FC Köln wieder im Europapokal. Und dann gleich gegen den großen Arsenal FC. Den ganzen Tag feierten die Kölner Fans in London die Mannschaft und sich selbst. Die Stimmung hätte kaum besser sein können.
Als Jhon Cordoba nach neun Minuten den effzeh mit einem Traumtor auch noch in Führung brachte, kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Tatsächlich führten die Jungs im Emirates Stadium gegen den Champions League erprobten Arsenal FC. Und in der ersten halben Stunde verteidigten Dominique Heintz & Co. so stark, dass sich die Londoner keine Großchancen herausspielen konnten. Doch in der 30. Spielminute ereignete sich eine Szene, die symptomatisch für die Kölner Saison sein sollte. David Ospina konnte einen Pass von Konstantin Rausch nur knapp vor Simon Zoller klären, Jonas Hector setzte nach und wurde von dem Kolumbianer im Strafraum gefoult. Ein klarer Elfmeter, doch der Pfiff blieb aus, weil Zoller beim Pass zuvor einen halben Schritt im Abseits stand.
An sich nichts Dramatisches, da der effzeh immer noch in Führung lag und die Entscheidung korrekt war. Doch es sollte sich schnell herausstellen, dass es kein normaler Zweikampf war. Hector blieb lange liegen und musste behandelt werden. Zwar kam der Nationalspieler nochmal zurück auf den Rasen, aber rund lief er nicht mehr. Drei Minuten nach diesem Zweikampf war das Spiel für den 27-Jährigen gelaufen. Jorge Meré eroberte den Ball und wollte einen Konter mit einem Pass auf Hector einleiten. Doch dieser signalisierte zur Seitenlinie, dass es nicht mehr weiterginge und setzte sich hin.
Ospinas Foul als Beginn einer langen Leidenszeit für Jonas Hector
Direkt nach dem Spiel ahnte niemand das Ausmaß der Verletzung. Selbst Peter Stöger nicht: „Ich bin kein Prophet, aber Jonas neigt nicht zur Theatralik, deswegen glaube ich, dass es für Sonntag eng werden wird.“ Es wurde nicht nur für das Spiel am Sonntag gegen Borussia Dortmund eng, sondern auch für die restliche Hinrunde. Hector erlitt einen Syndesmoseriss und verpasste alle verbleibenden Spiele im Jahr 2017. Dem 1. FC Köln fehlte damit der wohl wichtigste Mann – Stammspieler in der deutschen Nationalmannschaft, Vize-Kapitän und ein extrem ballsicherer und flexibler Spieler noch dazu. Egal ob hinten links, wie in der Nationalmannschaft, oder zuletzt unter Peter Stöger im zentralen Mittelfeld: Jonas Hector war einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste, Bausteine im Spiel des 1. FC Köln.
Doch neben seiner spielerischen Klasse fehlte der Mannschaft auch seine Erfahrung. Hector wurde im Sommer als Führungsspieler mit der deutschen Nationalmannschaft Confed-Cup-Sieger. Mit seinen 27 Jahren wäre er in der unruhigen Phase auf und neben dem Platz ein wichtiger Ansprechpartner für die jungen und unerfahrenen Spieler gewesen. Stattdessen musste er von draußen zugucken, wie es für den Verein ohne ihn immer weiter bergab ging. Auch für ihn persönlich war es eine harte Zeit, denn für den Defensivspieler war es die erste größere Verletzung, verpasste er doch zuvor nur zwei Spiele durch kleinere Blessuren. “Definitiv war das die schlimmste Phase meiner Karriere. Ich hatte ja noch nichts Schlimmeres. Es war schon nervig, gehört aber zum Leben eines Profisportlers dazu, dass man auch solche Phasen durchmacht. Diese Zeit habe ich jetzt Gott sei Dank überstanden“, erklärte Hector in einem Interview auf der FC-Homepage.
Die erste große Verletzung in der Karriere
Nun musste er drei Monate von der Tribüne aus zugucken, wie sein Verein in dem Abstiegskampf rutschte. Der Trainer, unter dem er zum Nationalspieler wurde, wurde entlassen. Er selbst konnte nichts daran ändern und musste tatenlos zusehen. Auch im Hinblick auf die Weltmeisterschaft in Russland war die Verletzung mit Sicherheit kein Vorteil. Er verpasste die verbleibenden Qualifikationsspiele und andere Spieler drängten sich auf. Marcel Halstenberg und Marvin Plattenhardt spielten mindestens solide und zeigten, dass sie auf der Linksverteidiger-Position eine Alternative sein können. Hinzu kommt, dass mit Philipp Max ein Außenverteidiger vor allem in der Offensive überzeugte. Mit neun Torvorlagen ist er der beste Vorbereiter der Bundesliga. Eine Entwicklung, die sicherlich auch Bundestrainer Joachim Löw registriert haben wird.
Entsprechend motiviert wird Hector in der Rückrunde sein. Er wird alles versuchen, um seinen Stammplatz, den er bei der Europameisterschaft 2016 und in der folgenden WM-Qualifikation innehatte, zu verteidigen. Da kommt es ihm entgegen, dass sein neuer Trainer Stefan Ruthenbeck aktuell anscheinend zunächst als Linksverteidiger mit ihm plant: Im Testspiel gegen Hertha BSC spielte er auf seiner „alten“ Position. Da Jannes Horn am Wochenende gegen Borussia Mönchengladbach ausfällt und Konstantin Rausch sich unter Ruthenbeck erst beweisen muss, wird Hector wohl hinten links in der effzeh-Viererkette beginnen.
Klassenerhalt und WM-Teilnahme als Ziele
Allerdings zeigte er gegen die Hertha, wie flexibel er sein kann. Er war nicht nur auf der linken Seite zu finden, sondern teilweise auch im zentralen Mittelfeld. „Jonas hat eine schwergewichtige Rolle bei uns, er soll und muss mit führen“, verlangt der neue effzeh-Coach Stefan Ruthenbeck von seinem Vorzeigeprofi. Ob defensiv als Linksverteidiger oder in anderer Rolle, der neue Chef ist von Hectors Qualitäten überzeugt: “Du kannst ihn überall hinsetzen, er liefert immer ab“, lobte der FC-Trainer. „Jonas bringt Lösungen mit, die nicht jeder andere Spieler mitbringt. Er hat Ideen in seinem Spiel, die eher untypisch sind, die schwer zu verteidigen sind.“
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Für Hector selbst geht es nun darum, seine alte Form möglichst schnell wiederzufinden und dem effzeh beim fast aussichtslosen Unternehmen “Klassenerhalt” zu unterstützen. Aufgegeben hat der 27-Jährige die Aufholjagd noch lange nicht: „Dass sie sehr, sehr schwierig wird, weiß jeder. Wir wissen aber auch, dass mit einer sehr guten Rückrunde noch etwas möglich ist”, betonte der Nationalspieler zum Start in die Vorbereitung. Mit seiner individuellen Klasse und seiner Erfahrung als Führungsspieler wird er der Mannschaft auf jeden Fall helfen und für Stabilität sorgen. Ob es dann am Ende für das Wunder reichen wird, wird sich zeigen. Doch neben den Klassenerhalt hat Jonas Hector im Sommer noch ein anderes Ziel: Er will bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland dabei sein und möglichst als Stammspieler seinen Teil dazu beitragen, dass die deutsche Nationalmannschaft ihren WM-Titel verteidigt.