Leev Lück,
ist das derzeit heiß in dieser Stadt. Der Asphalt schmilzt in der Mittagssonne schneller als das Eis am Büdchen, der Schweiß läuft selbst bei geringster Bewegungsgeschwindigkeit schneller als ein 100-Meter-Sprinter und der neue beste Freund des Menschen hört urplötzlich auf den Namen Ventilator. Doch während wir unter der Rekordhitze ächzen, jammern und japsen, bereitet sich der 1. FC Köln in Kitzbühel zielstrebig und akribisch auf die neue Saison vor. Wie jetzt neue Saison? Ja, auch wenn uns der Sommer noch in seiner Urgewalt hat, tickt die Uhr für den ersten Pflichtspiel-Anpfiff der „Geißböcke“ gnadenlos herunter.
Doch ganz anders als die Temperaturen bin ich noch gar nicht so heiß auf Fußball. Nach den vergangenen Jahren beim effzeh vielleicht nicht unverständlich, aber dennoch ungewöhnlich. Sogar das „kicker“-Sonderheft, seit Jahrzehnten ein „Must Have“ für mich Fußballverrückten, habe ich am Kiosk links liegengelassen und mir stattdessen ein kühles Kölsch gegönnt. Man muss in diesen Zeiten eben auch einfach Prioritäten setzen. Und die sehen derzeit so aus: Abschalten von all den Nachrichten rund um meinen geliebten 1. FC Köln, die Seele baumeln und den lieben Hennes einen guten Bock sein lassen. Freibad statt Trainingsbesuch, Rheinauhafen statt Provinzstadien, ein Buch lesen statt Lektüre der neuesten Transfergerüchte.
Trotz Auszeit: Die Vorfreude auf die neue Saison wächst!
Dennoch: So ganz ohne Vorfreude auf die neue Saison bin auch ich nicht. Einen Blick auf den Spielplan mit dem Derby gegen Borussia Mönchengladbach und dem Flutlicht-Heimspiel gegen den BVB zu Beginn habe ich schon geworfen und mich insgeheim doch ein wenig auf die Rückkehr der Bundesliga ins Müngersdorfer Stadion gefreut. Irgendwie scheint es mir zu gehen wie John Toshack, der einst als Trainer von Real Madrid sagte: „Am Montag nehme ich mir vor, zur nächsten Partie zehn Spieler auszuwechseln. Am Dienstag sind es sieben oder acht, am Donnerstag noch vier Spieler. Wenn es dann Samstag wird, stelle ich fest, dass ich doch wieder dieselben elf Scheißkerle einsetzen muss wie in der Vorwoche.“
Auch wenn die Zeiträume etwas größer sind, die Pause etwas länger: Ich spüre, dass diese Auszeit gut getan hat. Ich spüre, dass auch für mich diese Saison ein Neustart werden könnte. All das Gerumpel, all die technischen Schwächen und taktischen Aussetzer, all der Ärger, all die Zweifel und all der Frust: Sie sind wie weggewischt. Wie in jedem Sommer heißt es vermutlich: Der Trainer ist ein Taktikgenie, die Neuzugänge sind sportlich top und passen charakterlich 1a, die Vorbereitung läuft bestens, alles ist möglich und nichts kann uns stoppen.
Selbst meine „Lieblingsspieler“, die ich im Stadion gern verfluche, sie haben neues Vertrauen verdient. Ich weiß, dass jetzt mindestens zwei Sitznachbarn aus dem Stadion genauso auflachen werden wie eine gesamte Whatsapp-Gruppe, aber ich meine das tatsächlich ehrlich: Neue Saison, neue Liga, neues Glück. Versprochen. Hoch und heilig. Zumindest bis zum ersten Spiel und meinem ersten Wutanfall.
Dank Bundesliga-Rückkehr stehen wieder Highlights auf dem Programm
Worauf ich mich auf jeden Fall gewaltig freue, sind die Auswärtstouren in dieser Saison: Endlich wieder mit den Jungs (und ja natürlich, auch mit dem Mädels) kreuz und quer durch die Republik reisen. Das war schon in der 2. Bundesliga immer eine gelungene Sache und wird es eine Spielklasse höher vermutlich auch bleiben. Europapokal in Southampton steht auf dem Programm, Biergarten am Stadion in Freiburg, Oktoberfest-Wochenende in München. Ach, allein bei den ersten Partien nach der selbstverordneten Pause stehen wieder Highlights auf dem Programm, die das kölsche Herz höher schlagen lassen. Vielleicht, ganz vielleicht schafft es ja sogar der 1. FC Köln, einem diesmal nicht so oft die Laune zu versauen. Erschreckend, aber wahr: Mir macht mein eigener Optimismus schon Sorgen, das kann nur in Enttäuschung enden.
Heute startet dann auch die 2. Bundesliga in die neue Spielzeit: Diesen dreiwöchigen Vorsprung aus Marketinggründen habe ich noch nie verstanden. Gerade für Ab- und Aufsteiger, am besten noch in der Relegation, ist die Pause dadurch enorm verkürzt, eine vernünftige Saisonplanung kaum möglich. Gänzlich abgesehen davon, dass das Interesse wohl auch nicht so riesig ist, wie es sich so manch Zweitligist erhofft hat. Bis eben, das muss ich schockiert eingestehen, habe ich nicht einmal gewusst, dass heute bereits der Auftakt ist – und dabei der VfB Stuttgart gegen Hannover 96 spielen wird. Sogar die Europapokal-Qualifikation läuft bereits mit deutscher Beteiligung. Es wird also offenbar höchste Zeit für einen Fußballverrückten wie mich, das System wieder hochzufahren und sich endlich mit Fußball zu beschäftigen.
Sommerpause sei Dank: Wir bleiben optimistisch!
Also nach der Alpenetappe der Tour de France. Was passt da besser als Abendprogramm als zunächst das enorm wertvolle Testspiel des glorreichen 1. FC Köln gegen den FC Bologna? Bereits vor zwei Jahren hat der effzeh gegen den italienischen Erstligisten getestet – eine ordentliche Treterei war das. Mal schauen, ob es diesmal was Aussagekräftigeres auf dem Rasen zu entdecken. Wobei: Es ist immerhin nur Vorbereitung. Wir haben auch schon einmal den russischen Meister ZSKA Moskau (oder vielleicht doch eher die russischen Kellner vom Hotel?) im Wintertrainingslager mit 9:1 weggeflext. Es folgte der sang- und klanglose Abstieg aus der Bundesliga. Aber jetzt in dieser Saison natürlich nicht – wir bleiben weiterhin optimistisch, es ist doch immer noch Sommerpause!
Euer Jeff Jas
Einmal im Monat schreibt Jeff Jas an dieser Stelle über die groben Fouls und versteckten Nickligkeiten im Fußball, die Diskussionen auf dem Platz, an der Seitenlinie, in der Kabine, auf der Tribüne und an der Theke. Er fühlt sich überall zuhause, wo der Ball rollt: Vom Aschenplatz auf der Schäl Sick über das Müngersdorfer Stadion im Kölner Westen bis zu den Hochglanzarenen dieser Welt.