https://effzeh.com

Investoren und 50+1: Asche oder Champions League?

Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Am 22. März 2018 entschieden sich die deutschen Proficlubs knapp mit 18 zu 16 Stimmen für den Erhalt der 50+1-Regel. Sie besagt, dass Investoren in Deutschland nur die Mehrheit an einem Lizenznehmer der deutschen Profiligen halten dürfen, wenn sie diesen mehr als 20 Jahre “ununterbrochen” und “erheblich” gefördert haben. Die Entscheidung ist nun etwas mehr als ein halbes Jahr alt und man könnte annehmen, dass das Thema damit erledigt wäre. Aber offensichtlich ist das nicht so.

Andreas Rettig, Manager des FC St. Pauli, sah es trotz seines erfolgreichen Antrages im März als notwendig an, in einem beachtlichen Brandbrief für den Erhalt der 50+1 Regel zu werben. Ihm gegenüber formierten sich – wie sollte es anders sein – Martin Kind aus Hannover und Karl-Heinz Rummenigge aus München, aber auch Armin Vehs Äußerungen als Geschäftsführer des 1. FC Köln gingen in jene Richtung. Für Martin Kind rauscht der „immer schneller rasende Fußballzug an Deutschland vorbei“, was er unter anderem am Transfer Cristiano Ronaldos nach Turin festmachte. Allerdings ist es auch ohne Häme schwer vorstellbar, dass Ronaldo selbst für das doppelte Gehalt nach Hannover gewechselt wäre. Und für die deutschen Top-Clubs Bayern und Dortmund stand ein Ronaldo-Transfer sicher nicht allein des Geldes wegen nicht zur Debatte.

Karl-Heinz Rummenigge und seine Ideen für finanzielle Leitplanken

Der Sportchef des effzeh schlug in die gleiche Kerbe: „Wenn wir international konkurrenzfähig bleiben wollen, müssen wir die Regel im Blick haben. Als Sportler will man erstklassig sein, nicht zweit- oder drittklassig“, so Armin Veh. Und Karl-Heinz Rummenigge entdeckte in der Beurteilung der 50+1-Regel gar seine Sorge um die Bundesligakonkurrenz: „Ich denke, jeder Verein sollte für sich selbst entscheiden, ob er sich für Investoren öffnet, wie weit er sich für Investoren öffnet oder ob er sich gar nicht öffnet. (…) Ich hoffe, dass die Deutsche Fußball Liga die 50+1-Regel freigeben wird. Wahrscheinlich würden Leitplanken eingebaut, welcher Natur auch immer, der Übergang soll sanft gestaltet werden.“ (…) Mir wäre auch mehr Konkurrenz lieber, aber es ist für die anderen Vereine in der Liga nicht einfacher geworden.“

Wenn wir international konkurrenzfähig bleiben wollen, müssen wir die Regel im Blick haben.

Ideen für Leitplanken hat Rummenigge auch. Auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit angesprochen sagte er: „Die UEFA muss eine Modernisierung des Financial Fairplay durchsetzen. (…) Es war eigentlich ein gutes Finanzkontrollwerkzeug, das da erfunden wurde. Man hätte es bloß strikt und stringent einsetzen müssen. Strikt und stringent heißt: Jeder, der dagegen verstößt oder mit Tricksereien anfängt, ich sage es jetzt drastisch, kriegt auf die Hörner.“ Und weil Rummenigge bei der UEFA keinen Willen zur Umsetzung sieht, ruft er kurzerhand die EU auf den Plan: „Hier müsste die europäische Politik dem Fußball helfen, damit die Pflicht aller Clubs zur Einhaltung ökonomischer Regeln sowie ihre Bestrafung bei Zuwiderhandlung politisch und juristisch wasserdicht sind.“

Sind Fußballclubs normale Wirtschaftsunternehmen?

Bemerkenswert ist hier sicherlich Rummenigges „Talent“, in einem Satz zu Gunsten der Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga die Entfesselung der Investorengelder zu fordern, um im nächsten Satz regulatorische Maßnahmen gar durch die europäische Politik durchsetzen lassen zu wollen, weil er sich um die internationale Wettbewerbsfähigkeit seiner Bayern sorgt. Rummenigges Aussagen zeigen, wie heuchlerisch die Diskussionen um Investoren im Fußball geführt werden. Deswegen soll sein Hinweis darauf, dass ökonomische Regeln gelten müssten, nun weiter näher beleuchtet werden.

Auf der nächsten Seite: Welche Modelle gibt es in der Bundesliga bis dato?

Ohne zu weit in ökonomische Theorien abzuschweifen, lässt sich schnell festhalten, dass ein Fußballclub kein normales Wirtschaftsunternehmen ist. Ein Fußballclub will sportlichen Erfolg, bilanzielle Überschüsse sind sekundär. Der finanzielle Erfolg hängt maßgeblich vom sportlichen Erfolg ab, der – zumindest für drei Viertel der Bundesligisten – extrem schwierig zu kalkulieren ist. Das ist bis hierhin für einen Investor ungefähr so sexy wie eine Firma, die ihr ganzes Geld einsetzt, um den ersten Platz im Ranking „Kundenzufriedenheit“ bei Focus Money zu erzielen und nach der zehnten schlechten Kundenbewertung Insolvenz anmelden darf.

Verschiedene Modelle in der Bundesliga: Von München über Leipzig nach Berlin

Wie unsexy das ist, kann man auch daran ablesen, dass den Bundesligisten nicht gerade von Investoren und institutionellen Anlegern die Türen eingerannt werden. Anteilsverkäufe der Bundesligisten, sieht man einmal von den Ausnahmen Wolfsburg, Leverkusen, Leipzig, Hoffenheim sowie Hannover, Dortmund und Augsburg ab (die letzten drei haben noch die Stimmenmehrheit), sind eher die Ausnahme, obwohl bis zu 50-1% der Stimmrechte verkauft werden dürfen.

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Als Musterbeispiel für die sinnvolle Einbindung von Investoren im Deutschen Fußball wird gerne das Investorenmodell des FC Bayern München herangezogen. Die Bayern verkauften jeweils 8,33% der Anteile an der FC Bayern München AG an Adidas, Audi und die Allianz. Dass die drei Investoren eigennützige Interessen verfolgen, ist an den Bemühungen von BMW zu erkennen, Audi als Fahrzeugausrüster bei den Bayern abzulösen. Ein Unterfangen, das am Unwillen Audis scheiterte, die Anteile am FC Bayern an BMW abzutreten – zum Leidwesen des FC Bayern, der gerne einen besseren Deal abgeschlossen hätte. Die Anteilsverkäufe an der FC Bayern München AG sind nämlich mit langfristigen Sponsorenverträgen mit den Investoren unter den Marktpreisen verknüpft.

Engagement immer von Profitmaximierung dominiert

Abgesehen von diesen Nachteilen für den FC Bayern kommen solche Investorendeals nur für Clubs in Frage, die auch langfristig sportlichen Erfolg garantieren – in Deutschland also nur für den Ligakrösus und Serienmeister. Und es zeigt, dass auch ein Anteilsverkauf von weniger als 50% der Anteile mit Souveränitätsverlusten einher geht.

Ein anderer Fall zeigt sich in Berlin. Dort hat die amerikanische Beteiligungsfirma (neudeutsch „Heuschrecke“) KKR 9,7 % der Anteile an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA übernommen; mit der Option, die Anteile auf über 33% zu erhöhen. Das Ziel ist die gewinnbringende Veräußerung der Anteile an wen auch immer. Sonst nichts. KKR sitzt im Aufsichtsrat und hat außer Rendite mit Fußball gar nichts am Hut. Ob das Investment für KKR wirklich so läuft wie gedacht, steht auch noch in den Sternen. Nachahmer gab es bisher jedenfalls nicht.

Auf der nächsten Seite: Sind Anteilsverkäufe für Infrastrukturprojekte nötig?

In den Ligen, wo Milch und Honig fließen, es also Investoren freisteht, in Spieler, Berater und Funktionäre beliebig Geld zu pumpen, haben diese auch zu 100% das Sagen. Besserer Fußball wird allerdings nur dort gespielt, wo Geld immerzu nachgeschossen werden kann, mithin jedes Jahr absolute Top-Stars geködert werden können. Jahrelang hat übrigens auch in England das viele Geld nicht zu besserem bzw. international erfolgreicherem Fußball geführt. Und auch in England oder Italien steigen Mannschaften ab, die nicht mehr von Vereinen geführt werden.

Es ist ein Rattenrennen um den Investor mit dem meisten Geld. Dass Regulierungen – ob bestehend oder gewünscht – keine Wettbewerbsgleichheit mehr herstellen können, zeigt Rummenigges Gezeter über die Durchsetzung des Financial Fair Play. Es zeigt sich aber auch in Deutschland, wo 50+1 nicht für alle gilt. Eine Gegenregulierung zugunsten des Wettbewerbs wird vermutlich erst dann diskutiert werden, wenn Bayern zweimal hinter Wolfsburg, Leverkusen, Leipzig & Co. ins Ziel kommt.

Investoren sind in erster Linie ein großes Risiko

Für den 1. FC Köln bedeutet das: Es wird keinen Investor geben, der weniger als 50 % der Anteile erwirbt, ohne sich bedeutende Mitsprache zu sichern. Es ist keine Rendite zu erwarten. Erlöse durch Weiterveräußerungen bringen wechselnde Anteilseigner, auf die man als Verein keinen Einfluss hat. Strategische Partnerschaften mit Sponsoren bedeuten eine langfristige Abhängigkeit. Es sind nichts anderes als Vorschüsse auf künftige Einnahmen, wenn bessere Verträge in der Zukunft nicht abgeschlossen werden können. Gerade für Infrastrukturprojekte, wie sie im Zusammenhang mit Investoren vom effzeh ins Spiel gebracht werden, sind Anteilsverkäufe an der Fußballgesellschaft nicht notwendig. Infrastrukturprojekte lassen sich hervorragend ausgliedern. Wenn sich das Projekt rechnet, lassen sich hierfür leicht Investoren finden.

Vor diesem Hintergrund bedeuten Investoren für Fußballgesellschaften immer ein großes Risiko. Es ist nicht kalkulierbar, ob mit den zusätzlichen Geldern auch sportlicher Erfolg einher geht. Die Interessen der Investoren liegen immer auch im Bereich der Mitsprache und sind selten auf einfache ökonomische Motive zu reduzieren. Andere Ligen zeigen, dass sich der sportliche Erfolg nur da einstellt, wo immer wieder neu und immer noch mehr Geld investiert wird. Der Rest der Clubs zahlt in der Folge für Durchschnittsspieler nur mehr Geld – nichts anderes wäre hier zu erwarten. Ist der Geist aber erst einmal aus der Flasche gelassen, fängt man ihn auch mit den bestgemeinten Regulierungen nicht mehr ein.

Daniel Gäbler ist Ökonom und kandidiert für den Mitgliederrat des 1. FC Köln.

ZurückSeite 1 von 3