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Meinung

Interview von Friedhelm Funkel: Nicht nur Rassisten äußern sich rassistisch

Nach der 0:3-Niederlage gegen Leverkusen ernten Friedhelm Funkel und der 1. FC Köln nach einem Interview einen Shitstorm. Grund war eine Aussage Funkels über Moussa Diaby und Leon Bailey.

Friedhelm Funkel | Foto: imago images/Eduard Bopp

Als die 16. Niederlage des 1. FC Köln gerade ein paar Minuten feststand, sollte sich der neue Interims-Trainer Friedhelm Funkel vor den Sky-Kameras zur Partie gegen Bayer Leverkusen äußern – und wer hätte ahnen können, dass das der eigentliche Aufreger dieses Samstags werden sollte. Die Gastgeber hatten mit 3:0 gewonnen, Torschützen waren Moussa Diaby und zweimal Leon Bailey, jeweils nach schnellen Kontern. Der 67-jährige Funkel sah in den Leistungen des Franzosen Diaby und des Jamaikaners Bailey einen wichtigen Faktor für den Ausgang der Partie, was er im Interview zu vermitteln versuchte. Dabei kam der Kölner Fußballlehrer allerdings ins Stocken.

“Sie haben natürlich auch eine enorme Schnelligkeit durch ihre, ihre, äh, ja, äh, den ein oder anderen Ausdruck darf man ja jetzt nicht mehr sagen, durch ihre Spieler, die halt so schnell sind”, stammelte Funkel und setzte ein leichtes Lächeln auf, was Sky-Reporter Ecki Heuser ebenfalls mit einem Lachen quittierte. In den sozialen Medien verbreitete sich ein Mitschnitt des Interviews rasant, sodass der FC in einem Tweet darauf reagierte. Als Einleitung wählte die Kommunikationsabteilung des Vereins, die derzeit noch interimsmäßig von Lil Zercher geleitet wird, den folgenden Satz: “FC-Cheftrainer Friedhelm Funkel zur Interpretation seiner Aussage nach #BO4KOE im Interview mit sky.#effzeh”. Darunter fand sich dann ein Sharepic mit Funkel und einem Zitat.

Friedhelm Funkel: Dem Fauxpas folgt eine “Nonpology”

“In dem Interview bei Sky bezog ich mich einzig auf die enorme Schnelligkeit von Leverkusens Spielern, nichts anderes war gemeint, nichts anderes wollte ich damit sagen”, zitierte ihn der FC. Am Morgen danach sprach Funkel in einer Presserunde am Geißbockheim erneut zu den Medien, dabei wurde er natürlich auch zu seinem Interview am Vortag befragt. Funkel sagte: “Jeder, der mich kennt, weiß, wie ich bin. Ich habe mit so vielen Spielern zusammengearbeitet auf allen Kontinenten und wenn ich da wirklich missverständlich verstanden worden bin, dann tut mir das echt leid, aber mehr kann ich da gar nicht zu sagen.” Der frühere Düsseldorfer Trainer ergänzte, dass er “total überrascht” darüber gewesen sei, dass er da “so angegriffen” worden sei. Er wiederholte, dass er mit vielen Spielern zusammengearbeitet habe. “Es hat mir immer Spaß gemacht, egal, ob der Spieler jung, alt oder was weiß ich ist.” Die ganze Angelegenheit, die am Vorabend seinen Anfang gefunden hatte, habe ihn” ein Stück weit traurig gestimmt.”

Funkel lieferte mit seiner Rechtfertigung das ab, was man klassischerweise als “Nonpology” bezeichnet – eine Entschuldigung also, die im eigentlichen Sinne keine ist. Statt für das eigene Verhalten um Verzeihung zu bitten, galt die Entschuldigung hier den anderen, die verletzte Gefühle haben. Statt des eigenen Verhaltens tut ihm leid, dass die anderen so fühlen. Funkel entschuldigte sich also für etwas (“Tut mir echt leid.”), stellte aber zugleich dar, dass er sich im Grunde eigentlich keiner Schuld bewusst sei oder gar die Schuld bei jemand Anderem sieht. Dieser Andere wäre in diesem Beispiel das Netz, wo Funkel und der 1. FC Köln sich seit dem Interview am Samstagabend mit einem Shitstorm auseinandersetzen mussten.

Auch positiv gemeinter Rassismus bleibt Rassismus

Der Vorwurf, der im Raum schwebte, bezieht sich darauf, dass Funkel die Schnelligkeit von Diaby und Bailey mit deren Herkunft und Hautfarbe in Verbindung bringt – ein rassistisches Denkmuster also, egal, ob man es sagt oder denkt. Genauer gesagt handelt es sich hier um ein Muster des positiv gemeinten Rassismus, weil Funkel die beiden Leverkusener Flügelspieler aufgrund äußerer Merkmale positiver einzuschätzen scheint als andere. Natürlich ist das nicht positiv oder gar nett gemeint, es ist und bleibt rassistisch.

Friedhelm Funkel und Lil Zercher | Foto: imago images/Eduard Bopp

Gesagt hat der erfahrene Fußballtrainer das natürlich nicht, aber: Ihm scheint während des Sprechens deutlich geworden zu sein, dass seine Formulierung in eine rassistische Richtung geht und in der Folge hat er versucht, das abzuwenden. Als Fußballlehrer sollte er eigentlich wissen, dass sich Schnelligkeit als Komponente der sportlichen Leistungsfähigkeit immer als Kombination aus genetischer Veranlagung (schnell zuckende Muskelfasern wirken hier begünstigend) und externen Faktoren wie Training entwickelt.

Nur Imagekampagnen reichen nicht aus

Rassistisches Denken und Verhalten ist fast allen Weißen schon passiert, deswegen sind nicht alle überzeugte Rassisten – das gilt natürlich auch für Friedhelm Funkel. Aber gerade die Auseinandersetzung damit und die fehlende Erkenntnis, dass sich der 67-Jährige falsch verhalten hat, sprechen Bände. Hätten Funkel oder der Verein in ihren Statements kommuniziert, dass der Trainer sich falsch verhalten hat, gäbe es weniger Grund für Ächtung. Das Problem daran: Die Kommunikation verschlimmerte die Situation sogar. Funkels Aussagen am Sonntagmorgen zeigten, dass er sich darauf beruft, in seiner Karriere schon mit vielen Spielern zusammengearbeitet zu haben. Stark verkürzt bedeutet das: “Ich kann kein Rassist sein, ich habe einen Schwarzen Freund.” Das ist natürlich Quatsch.

Die “Nonpology” verdeutlichte, dass auch im Verein keine Sensibilität dafür besteht, dass rassistisches Denken in weißen Gesellschaften und natürlich auch im deutschen Fußball tief verankert ist. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Imagekampagnen, die auch der 1. FC Köln zu diesem Thema immer wieder entwickelt und durchführt, wirkt diese Causa natürlich nochmal schlimmer. Grundsätzlich ist es natürlich zu loben, dass sich der Verein gegen Rassismus einsetzt, aber im konkreten Fall muss dann auch etwas passieren. Es reicht nicht aus, sich im Heimspiel gegen den BVB vor etwa einem Monat mit Shirts warmzumachen, auf denen Botschaften für Offenheit und Vielfalt und gegen Rassismus und Ausgrenzung stehen.

Sinnvolle Optionen

Anfang Februar sah sich der Verein ebenfalls einem Shitstorm ausgesetzt, weil er mit dem ehemaligen “Bild”-Redakteur Fritz Esser einen neuen Kommunikationschef einstellen wollte, der vorher ganz auf Blattlinie in Texten und Tweets ausgeteilt hatte und dabei asylkritische Positionen vertreten hatte. Bereits damals fragten sich viele FC-Fans nicht zu Unrecht, inwieweit diese Positionen mit der FC-Charta in Verbindung zu bringen seien. Die Causa Funkel ergänzt nun ein weiteres Kapitel in dieser Debatte und zeigt ergänzend sehr deutlich auf, dass der FC sich in Sachen Kommunikation nach außen dringend professionalisieren und verbessern muss.

Wie schafft es ein Verein wie der 1. FC Köln, die Werte, denen er sich verschrieben hat, auch tatsächlich zu leben?

Es ist hilfreich, an dieser Stelle auf die entsprechende Literatur zu verweisen, wenn ein ernsthaftes Interesse daran vorliegt, die eigenen Verhaltensweisen und Denkmuster zu reflektieren und zu verändern. Das Buch “exit RACISM – rassismuskritisch denken lernen”, geschrieben von der Antidiskriminierungsexpertin Tupoka Ogette, hilft bei der Auseinandersetzung mit Rassismus und der Entwicklung von antirassistischem Denken. Dabei wird beantwortet, woher Rassismus kommt und welche Wirkungsweisen er entfalten kann.

Eine weitere wertvolle Lektüre ist das Buch “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten” von Alice Hasters. Darin erklärt die Journalistin ihren Alltag als Schwarze Frau in Deutschland. Auch das hilft der deutschen Mehrheitsgesellschaft, sich mit eigenen rassistischen Vorbehalten auseinanderzusetzen. In “Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche” von Reni Eddo-Lodge wird deutlich, dass Rassismus beileibe nicht nur von Extremisten des rechten Rands in Deutschland ausgeübt wird – er findet in der Mitte der Gesellschaft statt. Auch dieses Buch ist sehr gut dazu geeignet, systematische Benachteiligung von Schwarzen aufzuzeigen und zu bekämpfen.

Auf dieser Grundlage ist es dann zwingend notwendig, sich den Dokumentarfilm “Schwarze Adler” von Torsten Körner anzuschauen, die vor einigen Tagen auf Amazon Prime erschienen ist. Dieser Film analysiert die Problematik in einem ganz bestimmten gesellschaftlichen Resonanzraum, nämlich dem deutschen Fußball. Spieler*innen wie Gerald Asamoah, Erwin Kostedde und Steffi Jones waren alle von Rassismus betroffen, im Film berichten sie von ihren Erfahrungen. Jenseits dieser Buch- und Filmtipps gibt es natürlich noch viele andere gute Arbeiten, die von aufmerksamen Leserinnen leicht gefunden werden sollte. Vielleicht finden ja auch die Verantwortlichen am Geißbockheim und Friedhelm Funkel die Zeit dazu, sich damit auseinanderzusetzen.

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