Bei einem Stadionbesuch des Lieblingsvereins – egal ob heim oder auswärts – gehört der Kontakt mit der Polizei für viele Fußballfans zum Alltag. Nicht selten endet dieses Zusammentreffen in Konfrontation – zum Nachteil für uns Fans. Oft beginnen die Auseinandersetzungen schon bei der Anreise: So gibt die Polizei immer häufiger Anreisewege zu Auswärtsspielen vor. Reisen Fans als größere Gruppe an, werden ihnen bei Umstiegen mit der Bahn unter dem Deckmantel der Sicherheit Zugang zu sanitären Anlagen oder zum gastronomischen Angebot verwehrt. Doch denkbare Einschränkungen durch die Polizei enden nicht im öffentlichen Raum.
Die Verringerung von Kartenkontingenten auf Druck der Polizei und eine steigende Anzahl an Risikospielen, wie die Polizei Hochsicherheitsspiele nennt, sind Anzeichen dafür. Wer jetzt denkt, dass das sie oder ihn als Normalo-Fan nicht betrifft, irrt gewaltig. So kann jeder, der sich am Spieltag zur falschen Zeit am falschen Ort aufhält, von einer polizeilichen Maßnahme betroffen sein und sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung ausgesetzt sehen, mit einer Anzeige wegen Landfriedensbruch konfrontiert oder Opfer von Polizeiwillkür werden. Für Einzelpersonen ist es dabei häufig mit großen Risiken verbunden, sich gegen rechtswidrige staatliche Maßnahmen zur Wehr zu setzen: entweder müssen sie hohe Kosten oder die Gefahr, weitere repressive Maßnahmen zu erleiden, auf sich nehmen.
In vielen Städten haben sich in den letzten Jahren solidarische Fanhilfen begründet, um Betroffene zu unterstützen und Hilfestellung zu geben. So auch in Köln. Im effzeh.com-Interview erzählen Ehrenamtliche, die im „Kölsche Klüngel“ aktiv sind, warum wir eine Fanhilfe brauchen und wie man sie unterstützen kann.
effzeh.com: Was ist der „Kölsche Klüngel“?
Wir sind eine Fanhilfe und eine AG der Südkurve 1. FC Köln e.V. Gegründet wurden wir schon 2013. Alle, die im Klüngel tätig sind, sind auch in der Südkurve organisiert. Andersherum kann jeder bei uns mitmachen, der mit seinem Fanclub in der Südkurve 1. FC Köln ist. Aktuell haben wir rund 15 bis 20 Aktive, die regelmäßig ehrenamtlich mitarbeiten.
Wichtig ist: Wir sind nicht als Rechtschutz zu verstehen. Wir suchen uns Präzedenzfälle heraus und klagen dann für die Allgemeinheit. Denn wir haben ja in diesem Sinne keine Mitgliedschaft und sind finanziell nicht so gut aufgestellt wie andere Fanhilfen, die zahlende Mitglieder haben.
Warum es notwendig ist, dass Fanhilfen existieren
effzeh.com: Ihr seid also eine Fanhilfe von Fans für Fans. Warum braucht es das?
Kritische Situationen mit den Sicherheitsorganen gehören für viele Fans heutzutage bedauerlicherweise zum Alltag. Anstatt die ganze Energie in den Support der Mannschaft zu stecken, müssen sich Fans immer öfter mit Repressionen auseinandersetzen. Oft fehlt es auch an Informationen, wie man sich in kritischen Situation mit der Polizei richtig verhalten soll, sodass wir den ratsuchenden Fans eine Unterstützung geben wollen.
Wir haben an Spieltagen zum Beispiel das sogenannte Notfalltelefon dabei. Dort können sich FC-Fans oder auch Auswärtsfans, die nach Köln kommen und Probleme mit der Polizei oder dem Ordnungsdienst haben, melden. Aber auch bei generellen rechtlichen Problemen oder Fragen kann man sich dann unter der Nummer bei uns melden. Wir können allerdings nur eine nicht-juristische Ersthilfe bieten. Ein anderer Punkt unserer Arbeit ist, dass wir sehr eng mit Anwälten zusammenarbeiten, FC-Fans in Rechtsangelegenheiten unterstützen oder sie an Anwälte vermitteln können.
effzeh.com: Was sind das für Fragen, die euch am Spieltag gestellt werden?
Am Spieltag müssen wir uns oft um Leute kümmern, die in Gewahrsam genommen wurden. In Zusammenarbeit mit dem sozialpädagogischen Fanprojekt finden wir den Namen der Person heraus und was mit ihm passiert. Meistens wird die Person nach dem Spiel wieder rausgelassen. Wir geben daraufhin den Freunden Bescheid, mit denen die Person da ist. So wissen sie genau, was mit ihrem Freund passiert und können auf ihn warten, bis er raus gelassen wird.
Was auch öfter mal vorkommen kann ist, dass Fans einen Platzverweis von dem Polizeibeamten erhalten. Viele wissen dann gar nicht, was das genau bedeutet. Wir geben dann Tipps, wie man sich am besten verhalten sollte.
Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images
effzeh.com: Und was ratet ihr dann?
Sich dran zu halten und das Gelände zu verlassen. Wer trotz Platzverweis dableiben würde, riskiert noch mehr Ärger.
effzeh.com: Warum ist es so wichtig, dass es eine Fanhilfe gibt?
Es ist wichtig, eine Fanhilfe zu haben, weil wir zu allen in Frage kommenden Szenarien – auch Bereichsbetretungs- oder Stadionverbote – wichtige Informationen haben und hilfreiche Tipps geben können. Nicht jeder hat Lust, sich durch Gesetztestexte zu wühlen – wir haben das aber gemacht und können diesen Leuten alle für sie relevanten Informationen zur Verfügung stellen. Wir können zum Beispiel helfen, ein Schreiben aufzusetzen, wenn jemand ein Bereichsbetretungsverbot bekommen hat. Oder wir bieten Betroffenen an, mit ihnen zur Stadionverbotskommission zu gehen, wenn man vorgeladen wurde.
Kölscher Klüngel: Eine ehrenamtliche AG der Südkurve
effzeh.com: Werdet ihr von 1. FC Köln unterstützt?
Nein. Das ist aber auch okay, denn wir als AG der Südkurve haben als diese mit dem Verein gar nichts zu tun.
effzeh.com: Wie kann man euch unterstützen?
Viele andere Fanhilfen haben eine eigene Mitgliedschaft, doch wir haben uns gegen so ein Modell entschieden. Weil wir eine AG der Südkurve sind, werden wir von den Mitgliedern der Südkurve unterstützt – auch finanziell. So generieren wir Spenden. Wir sammeln aber auch auf Busfahrten, bei Festen wie dem Südkurvencup oder Partys. Wer gut findet, was wir machen, kann uns aber auch als Einzelperson mit einer Spende über unser Bankkonto oder den PayPal-Button auf unserer Seite im Internet unterstützen.
Wichtig ist uns, dass wir alle ehrenamtlich am Start sind und niemand von uns dafür bezahlt wird. Alle Spenden, die beim Klüngel ankommen, fließen in solidarische Aktionen:Wir geben zum Beispiel den Betroffenen, die in einem Gesang vermeintlich Dietmar Hopp im Stadion beleidigt haben sollen, finanzielle Unterstützung. Ein anderes Beispiel: Die Stadt Freiburg hat beim letzten Mal, als wir dort gespielt haben, für das Verschicken von Stadtverboten eine Bearbeitungsgebühr von 105 Euro pro Nase verlangt. Die Spenden fließen alle an von solchen repressiven Maßnahmen betroffenen FC-Fans.
effzeh.com: Habt ihr konkrete Tipps für Verhalten am Spieltag?
Das Wichtigste ist: ruhig bleiben und nicht die Nerven verlieren. Das ist die halbe Miete. Wenn Personalien aufgenommen werden, sollte man einfach den Ausweis abgeben. Alle Daten, die auf dem Ausweis draufstehen, kann und sollte man der Polizei weitergeben. Was viele aber nicht wissen: alle Informationen, die darüber hinausgehen, muss man nicht einfach so weitergeben. Man muss den Beamten nicht die Telefonnummer, die Emailadresse, den Arbeitgeber oder die Namen der Eltern nennen. Auch in Handys dürfen die Beamten nicht einfach so gucken. Es wird zwar manchmal versucht, mit irgendwelchen Tricks die Leute dazu zu bringen, den Pin freiwillig zu verraten oder das Handy zu entsperren. Deshalb ist es so wichtig, dass Fußballfans über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt sind. Umso wichtiger ist es, ruhig zu bleiben und freundlich, aber klar zu kommunizieren.
Auf unserer Homepage geben wir einen Überblick, welche Daten man beispielsweise in einer Kontrolle angeben muss – und welche nicht. Was bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung oder bei Blut- oder DNA-Proben gilt und wie man sich im Falle einer Hausdurchsuchung verhalten sollte.
Konkrete Ratschläge bei Stress mit der Polizei
effzeh.com: Was sollte man tun, wenn man Zeuge von Polizeimaßnahmen oder Fehlverhalten der Polizei bei Fußballspielen geworden ist?
Dann sollte man sich in jeden Fall bei uns melden. Je mehr Zeugen, je mehr Videoaufnahmen man hat, desto besser können wir Betroffenen helfen, wenn gegen diese ein Verfahren eingeleitet werden sollte. Wichtig ist, dass man dabei seine Kontaktdaten angibt, damit wir Kontakt aufnehmen können. Auch wichtig sind Angaben, was wann wo passiert ist. Das erleichtert unsere Arbeit sehr.
effzeh.com: War die vergangene Saison für den Klüngel ohne Derbys eher eine ruhige?
Nein, das täuscht. An den Spieltagen passierte vielleicht nicht so viel, aber wir haben uns ja auch als Ziel gesetzt, so viele FC-Fans wie möglich über ihre Rechte aufzuklären und wie sie sich im Falle von Polizei-Kontrollen verhalten sollten.
Das letzte halbe Jahr haben wir uns intensiv mit Dietmar Hopp beschäftigt. Insgesamt 21 Anzeigen wurden gegen FC-Fans gestellt. Wir waren mit allen Betroffenen in Kontakt und haben Anwälte vermittelt. Dabei haben wir sehr eng mit der Fanhilfe Dortmund gearbeitet, weil auch die massiv davon betroffen waren.
effzeh.com: Zur Einordnung: Was wurde den Leuten konkret vorgeworfen?
Das waren Leute, die im Block standen und die Hopp-Gesänge mitgesungen haben. Über dem Stadion hing ein Richtmikrofon und die Polizei hat den Block gefilmt. Die szenekundigen Beamten haben dann diese Videoaufnahmen gesichtet und diejenigen identifiziert, die die spezifischen Gesänge mitgesungen haben.
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