Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln werden wir auch in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen stellen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Wir sind nicht nur gespannt, wieviel effzeh in den Anhängern der anderen Bundesligisten steckt, sondern erwarten auch eine Einschätzung zur Situation der eigenen Mannschaft.
Keinen Pfifferling hatten viele noch auf den Klassenerhalt des Hamburger SV gesetzt – und dennoch ist der offenbar unabsteigbare Bundesliga-Dino auch in dieser Saison weiter erstklassig unterwegs. Zumindest für den Unterhaltungsfaktor der Liga offensichtlich nicht die schlechteste Idee, wenn die ersten Wochen der Spielzeit nicht trügen. Vor dem Heimspiel gegen die “Rothosen” spricht effzeh.com mit Wahl-Kölnerin Britt, seit Ende der 70er Jahre HSV-Fan, über die anhaltende Häme, die Probleme des HSV, Bruno Labbadia und Uwe Seelers Sorgen.
effzeh.com: Die ersten Spiele in dieser Saison sind gespielt, es war für den HSV eine einzige Achterbahnfahrt. Ist aus deiner Sicht Licht am Ende des Relegationstunnels zu sehen?
Britt: Zunächst: Die Relegation ist vorbei, wir sind mitten in der Bundesliga-Saison, und ich als HSV-Fan bin sehr dankbar, dass mein Verein dort mitspielen darf. Das ist nach diesen zwei Spielserien schon mal eine ganze Menge Licht. Allerdings: Mit dem Spiel in Jena, wo der HSV völlig zu Recht aus dem Pokal flog, knüpfte er nahtlos an die vergangene Saison an. Für uns Fans, die wir vor Ort waren, ist das kaum zu fassen gewesen. Die Personalentscheidungen, die getroffen wurden, machen nicht unbedingt Hoffnung, und ich befürchte, dass auch Labbadias Tage in Hamburg gezählt sind, wenn die Ergebnisse nicht stimmen – da können sie heute noch so viel von Geduld reden.
effzeh.com: Nach zweifacher Rettung in der Relegation und zahlreichen Skandalen gilt der Bundesliga-Dino in Deutschland als komplett unten durch. Macht man sich als HSV-Fan darüber Gedanken?
Britt: Natürlich geht das nicht spurlos an einem vorbei. Aber es ist doch verrückt: Wir denken immer nur in Extremen. Entweder ist der HSV komplett unten durch, oder die SportBild titelt was von “Neuer Lust am HSV”. Geht es nicht eine Nummer kleiner? Für mich war in der vergangenen Rückrunde absolut unverständlich, dass sich viele deutlich mehr am Elend des HSV ergötzten, als ihre eigene Mannschaft zu unterstützen – Effzeh-Fans übrigens neben den Unaussprechlichen von der Weser weit vorne dabei.
effzeh.com: Als im Exil lebende HSV-Anhängerin: Wie schlimm ist es, das derzeitige Image und die damit verbundene Häme zu verkraften?
Britt: Ich habe in meinem VHS-Kurs einen Effzeh-Fan, der im vergangenen Frühjahr extra nach Hamburg fuhr, um sich das Spiel des HSV gegen Schalke 04 anzuschauen, das der HSV 2-0 gewann. Er kam stocksauer zurück und erzählte mir (!) von seinem Ärger. Ich gebe zu, dass ich ihm dann liebsten meinen Kaffee ins Gesicht geschüttet hätte. Inzwischen ist die Häme jedoch mehr dem Mitleid gewichen. Zu Hause ist es noch einigermaßen erträglich, meine “Kölschen” hier wissen ja auch, wo sie herkommen.
effzeh.com: Letztlich scheint es von außen seit Jahren keinen Schritt vorwärts zu geben. Was fehlt in Hamburg derzeit noch, um aus dieser Abwärtsspirale auszubrechen?
Britt: Das Problem beim HSV ist nicht primär auf dem Platz zu suchen, sondern tief im Verein bzw in der Administration der Fußball-AG. Der HSV hat einen Aufsichtrat mit einem sehr sendungsbewussten, aber nicht teamorientierten Vorsitzenden, er hat einen Vorstandschef, der betulich, ja fast ängstlich rüberkommt und alles ist, nur kein Vorstandschef. Er hat einen Sportdirektor, der die Mannschaft öffentlich in die Pfanne gehauen und sich als Rucksack-Peter zum Gespött der Liga gemacht hat. Und als ob das nicht reicht, hat der HSV eine Kommunikationsabteilung, die jedem Profi die Zornesröte ins Gesicht treibt – schau mich an. Man pflegt außerhalb des Platzes eigene Interessen, der HSV fällt dann eben runter. Und so präsentiert sich dann auch die Mannschaft auf dem Platz. Will sagen: Ich sehe da momentan nicht viel, das den HSV da rausholen könnte. Das ist bitter, aber leider die Realität.
effzeh.com: Bewunderswert ist allerdings die Moral der Mannschaft. Stets schienen die “Rothosen” am Boden zu liegen, doch immer wieder rappelte man sich wieder auf. Das einzige Pfund, mit dem der HSV derzeit wuchern kann?
Britt: Ich denke, dass die Spieler inzwischen Nehmerqualitäten entwickelt haben. Vielleicht spielt dabei eine Rolle, dass sie ja nicht alle am Ende ihrer Karriere sind, mithin noch irgendwie beweisen wollen, dass sie doch kicken können. Wahrscheinlich ist das der HSV-Weg: Über den Willen, diesen unbedingten Willen langsam ins Spiel zu kommen und einfach Ergebnisse zu liefern. Schön spielen sollen die anderen, uns reichen einfach mal die Punkte.
effzeh.com: Auch gegen den VfB Stuttgart drehte das Team am Ende noch auf und holte einen umjubelten Heimsieg. Der Durchbruch oder doch nur ein Strohfeuer?
Britt: Weder noch. Da kamen viele Umstände zusammen: Der VfB spielte fast eine Halbzeit zu zehnt und hat ein irres Laufpensum hingelegt. Die Jungs waren dann gegen Ende des Spiels einfach platt. Dann kam ein abgefälschter Ball zu Lasogga, den er doch tatsächlich versenkt. Das dritte Tor war gut herausgespielt, Djourou hat sich da einfach mal getraut durchzulaufen. Doch was für Szenen hatte der HSV denn sonst noch? Olic kommt an eine Hereingabe von rechts nicht ran, das war es doch. Daher: Für eine Bewertung waren wir mal noch ein paar Spiele ab.
effzeh.com: Die Transferperiode wirkt für Außenstehende gerade in Sachen Neuzugänge recht unspektakulär. Reicht es dem HSV etwa, das verborgene Potenzial des Personals zu heben?
Britt: Die Transferpolitik des HSV erschließt sich mir nicht. Man lässt einen Westermann ziehen und holt einen drei Jahre älteren Spahic. Der kann ein Spiel eröffnen, wenn der Gegner ihm Platz lässt. Viel Platz. Ansonsten wandelt er immer am Rande eines Platzverweises. Man lässt einen Rajkovic gehen und dafür Cleber spielen – das muss man als Fan nicht verstehen. Was Beiersdorfer an Holtby fand, weiß wahrscheinlich auch nur er allein, eine Verstärkung war und ist er jedenfalls nicht. Ekdal könnte ein wichtiger Spieler werden, hoffen wir, dass Labbadia ihn da hinbringt. Ich freue mich auf einen fitten Kacar. Angesichts leerer Kassen und drückender Schulden muss der HSV mit dem auskommen, was er hat.
effzeh.com: Seit dem Saisonendspurt ist der Ex-Kölner Bruno Labbadia bei Euch am Ruder. Was hat sich seitdem verändert?
Britt: Das wüsste ich auch gerne – auf dem Platz nicht viel, finde ich. Das ist es ja, was uns Fans so irre macht: Normalerweise muss sich ein Trainerwechsel doch irgendwie bemerkbar machen. Überall ist das so, nur beim HSV nicht.
effzeh.com: Ganz anders als in Hamburg läuft es derzeit beim effzeh. Blickt man da als Wahl-Kölnerin neidisch Richtung Geißbockheim?
Britt: Was für eine Frage! Es ist allerdings kein Neid, denn ich gönne es dem Effzeh wirklich von Herzen, was er sich in den vergangenen Jahren erarbeitet hat. Eine Administration, die mir nicht jeden Morgen aus der Zeitung zuwinkt und sich nie in den Vordergrund drängelt, ein Trainer, der cool seine Arbeit macht, und einen Sportdirektor, der unaufgeregt sein Ding durchzieht. So muss das sein. Und so schlecht sieht Euer Fußball auch nicht aus. Ich kann da nur sagen: Respekt!
effzeh.com: Muss sich Uwe Seeler weiter Sorgen machen oder tickt die Stadion-Uhr auch nach dieser Saison noch?
Britt: Also, ich mache mir auch große Sorgen um den HSV ;-) Diese Uhr nervt inzwischen auch viele HSV-Fans, mich eingeschlossen. Ob es in dieser Saison zum Klassenerhalt reicht? Ich habe in meinem Tippspiel die Mannschaften für die Plätze 16 bis 18 getippt, der HSV ist dabei.
effzeh.com: Zum Abschluss: Geißbock gegen Dino – wie geht das Spiel aus?
Britt: Da Ihr Meister der Unentschieden seid und wir HSVer unser Team frenetisch nach vorne peitschen werden: 1-1. Und darauf dann ein Kölsch!