Wie sehr sich Horst Heldt freut, nach fast 25 Jahren zurück beim 1. FC Köln zu sein – das war ihm bei seiner Präsentation geradezu anzusehen. Das schelmische Grinsen, das ihn schon in jungen Jahren als Spieler auszeichnete, hat der neue Sportchef der „Geißböcke“ auch mit fast 50 Jahren nicht verlernt. „Wer mich kennt, weiß, dass der FC für mich eine Herzensangelegenheit ist“, formulierte Heldt auf der Pressekonferenz ganz in der Tradition eines Christoph Daum und sinnierte darüber, wie viel ihm seine kölsche Heimat und der Verein, bei dem seine Profikarriere startete, bedeutet. Das in Köln so wichtige „Jeföhl“ – es stimmt auf jeden Fall bei Horst Heldt.
Für ihn ist es eine Rückkehr zu seinem „Heimatverein“, wie er den FC stets bezeichnete. 1969 in Königswinter am Fuße des Siebengebirges geboren wird Heldt nach Stationen in den Nachwuchsmannschaften in Königswinter und Bad Honnef interessant für die Jugendabteilung des 1. FC Köln, der im zweiten Anlauf 1988 die Verpflichtung des kleinen, aber überaus talentierten Mittelfeldspielers hinbekommt. „Man bereut ja so einiges im Leben, aber diese Entscheidung bereue ich sicher nicht. Es war eine wunderbare Zeit und ich war sehr stolz, Teil dieses Vereins sein zu dürfen“, sagt Heldt später in einem Interview mit der „Kölnischen Rundschau“.
In Köln zum Profi, bei 1860 zum Nationalspieler
Beim FC entwickelt sich der dribbelstarke Offensivgeist zur Nachwuchshoffnung, wird nach dem überraschenden Abgang von Mittelfeldstar Thomas Hässler sogar zeitweise als dessen Nachfolger gehandelt und debütiert am 1. September 1990 im Auswärtsspiel der „Geißböcke“ beim rheinischen Rivalen Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga. Von da an ist Heldt ein fester Bestandteil der FC-Profis und avanciert zunehmend zur Stammkraft der Mannschaft. Bis zu seinem Abgang 1995 absolviert der 1,69 Meter kleine Linksfuß 130 Bundesliga-Spiele für den effzeh. Dann ist abrupt Schluss: Morten Olsen setzt nicht mehr auf Heldts Dienste, der Verein verkauft ihn an 1860 München. „Es war nicht mein Wunsch, den Verein zu verlassen, und ich bin auch nur schweren Herzens gegangen“, sagt Heldt 2015.
In München beginnt allerdings eine schöne Zeit für den Mittelfeld-Dribbler: Bei 1860 blüht Heldt zwischenzeitlich derart auf, dass er es sogar bis in die Nationalmannschaft schafft. Am 28. April 1999 debütiert der Rheinländer im EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland für die DFB-Auswahl – drei Monate später soll beim Confederations-Cup sein zweites und letztes Länderspiel folgen. Für Heldt folgt derweil ein Wechsel nach Frankfurt: Bei der Eintracht wird er letztlich zwei Jahre als Stammspieler verbringen, bis die SGE den bitteren Gang in die 2. Bundesliga antreten muss. Nach einem kurzen Intermezzo in Österreich bei Sturm Graz kehrt er im Januar 2003 in die Bundesliga zurück und schließt sich dem VfB Stuttgart an Es wird die letzte Station in der Fußballkarriere des Horst Heldt – und die erste in seiner Funktionärslaufbahn.
Heldt: “Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden”
Vom Platz auf die Tribüne: Im Januar 2006 wurde aus dem Spieler Horst Heldt im Schwabenländle der Sportdirektor. „Eigentlich sollte ich im Marketing den Hauptsponsor EnBW betreuen, aber davor hatte ich zu viel Respekt. Dann sollte ich im Jugendbereich als Trainer arbeiten, doch es gab keine passende Stelle. Die letzte Idee war dann Assistent der sportlichen Leitung. Ich sollte ein Konzept schreiben, das denen so gut gefallen hat, dass ich den Assistenten übersprungen habe“, schilderte Heldt seine Erinnerungen an die damalige Situation. „Ich hatte einen Heidenrespekt. Aber nachdem ich mich mit meiner Frau besprochen hatte, dachte ich mir: Es gibt nur 18 Jobs dieser Sorte in der Bundesliga. Mehr als scheitern kannst du nicht. Eine eigentliche Ausbildung, etwas Kaufmännisches oder im Sportmarketing, hatte ich nicht. Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden und habe mich anscheinend nicht so doof angestellt.“
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Wer auf die Entwicklung des VfB Stuttgart schaut, der wird über diese Einschätzung schmunzeln können. Denn: Heldts erste Amtshandlung, sich von Giovanni Trapattoni zu trennen und Armin Veh als neuen Coach zu installieren, erweist sich als Volltreffer. 2007 wird Stuttgart mit dem Duo völlig überraschend Deutscher Meister. Doch wer hoch fliegt, der fällt auch häufig tief: Anderthalb Jahre später ist die Traumehe zwischen Heldt und Veh Geschichte, der VfB trennt sich von seinem Trainer. Der Sportchef steht derweil alsbald auch in der Schusslinie: Nach dem Verkauf von Top-Torjäger Mario Gomez, der für 30 Millionen Euro zum FC Bayern München wechselt, floppen Neuzugänge wie Pavel Pogrebnyak oder Ciprian Marica, die Einnahmen aus dem Rekordtransfer sind schnell verprasst. Die Geschichte vom „Shopping Hotte“ macht die Runde, der gern Spieler kauft, die gegen den eigenen Verein stark gespielt haben.
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Doch Heldts Karriere beim VfB scheint das nur kurzzeitig zu bremsen: 2009 wird er zum Vorstand Sport bei den Schwaben bestellt, unterschreibt einen gut dotierten Vierjahresvertrag in Stuttgart. Das liegt auch an der Popularität des einstige Meistermachers, der mit seiner hemdsärmeligen Art und seiner rheinischen Mentalität bei den Fans ankommt. Die sportliche Entwicklung des Vereins dagegen schwankt stark: Zweimal sichert sich der VfB durch einen starken Aufwärtstrend nach Trainerentlassungen den Einzug in den Europapokal. Heldts Anteil daran: Er fackelt nicht lange, wenn die Formkurve eines Teams nach unten zeigt, scheut sich auch nicht davor, einem Freund wie Markus Babbel den Stuhl vor die Tür zu setzen.
2010 ist dann aber auch für den Sportvorstand Schluss in Stuttgart – allerdings freiwillig: Trotz langfristigem Vertrag wechselt Heldt zum FC Schalke 04. Den turbulenten Zeiten entkommt er dort allerdings auch nicht: Erst im Zusammenspiel mit Felix Magath, dann als dessen Nachfolger als Sportchef führt Heldt die „Königsblauen“ sportlich in wildes Gewässer. Die Bilanz sieht auf den ersten Blick allerdings gar nicht so schlecht aus: S04 blieb auch unter Heldt Stammgast in den internationalen Wettbewerben, dabei musste der neue Sportchef nach der Magath’schen Shoppingtour das Budget genauer im Auge haben.
Turbulente Zeiten, turbulente Vereine
Auch hier ein Muster, das sich bereits in Stuttgart zeigte: Heldt arbeitet mit einem guten Fundament, schafft es aber nicht, dieses zu erhalten oder gar zu verbessern. Ein sich langsam, aber stetig vollziehender Abwärtstrend ist auch auf Schalke die Folge – auch weil der Sportchef bei den Trainerentscheidungen mehrfach daneben greift. 2016 ist dann seine Zeit bei den „Königsblauen“ zu Ende, Christian Heidel ersetzt Horst Heldt als S04-Sportchef. Für den einstigen FC-Profis folgt eine weitere turbulente Station: Nach Gerüchten um einen Job beim Hamburger SV zieht es ihn zu Hannover 96 – der Bundesliga-Absteiger suchte nach internen Querelen um Martin Bader nach einem Nachfolger als Sportdirektor.
Auch hier zeigt sich, dass Heldt nicht lange zögert, wenn es um den Trainerposten geht: Zwei Wochen nach Amtsantritt trennen sich die Niedersachsen von Coach Daniel Stendel, für ihn holt Heldt seinen einstigen Schalker Weggefährten Andre Breitenreiter an Bord. Zunächst mit Erfolg: 96 steigt letztlich souverän auf und wirbelt dann auch die Bundesliga durcheinander. Auch dank Neuzugängen wie Ihlas Bebou. Trotz Transferflops wie Jonathas, mit knapp neun Millionen Euro Rekordeinkauf der Hannoveraner. Stabilisieren kann Heldt den schwierigen Martin-Kind-Club allerdings nicht: Die Abwärtsspirale, die bereits in der Rückrunde der Spielzeit 17/18 einsetzte, kann 96 eine Saison später nicht mehr stoppen. Die Niedersachsen müssen nach einer schwachen Saison, überschattet von vielen Problemen, abermals den bitteren Gang in die 2. Bundesliga antreten.
Bereits im Herbst 2017 vor Wechsel zum 1. FC Köln
Heldt wollte da eigentlich schon längst nicht mehr in Hannover sein: Im Herbst 2017 buhlt der 1. FC Köln heftig um die Dienste seines einstigen Spielers, schreckt bei dieser Schlammschlacht nicht vor Fremdscham-Momenten in aller Öffentlichkeit zurück. Doch der so umworbene Hannoveraner Sportchef muss letztlich bei 96 bleiben – auch das Werben des VfL Wolfsburg ein halbes Jahr später wehren Martin Kind und Co. resolut ab. Stattdessen macht der Verein ihn zum Geschäftsführer, um ihn exakt ein Jahr später in der sportlichen Krise zu feuern. Den Weg nach Köln hat Heldt nun doch gefunden – nicht ohne sich von 96 ordentlich abfinden zu lassen. Nicht ohne mediales Gepolter in der alten und neuen Heimat.
„Der FC ist für mich nicht irgendein Job. Ich kehre zu dem Verein zurück, bei dem ich Profi wurde und mit dem mich nach zehn gemeinsamen Jahren sehr viel verbindet”
„Der FC ist für mich nicht irgendein Job. Ich kehre zu dem Verein zurück, bei dem ich Profi wurde und mit dem mich nach zehn gemeinsamen Jahren sehr viel verbindet. Die Situation ist nicht einfach, aber sie ist auch nicht so schlecht, wie es momentan manchmal dargestellt wird“, lässt sich der einstige Mittelfeldspieler in der Pressemitteilung zu seiner Verpflichtung zitieren. Er stellt sich einer schwierigen Aufgabe, vielleicht sogar der schwierigste seiner bisherigen Karriere. Den Weg dorthin hat ihm zuvorderst Alexander Wehrle, sein Weggefährte aus alten erfolgreichen Stuttgarter Zeiten, geebnet.
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Die Vorbehalte gegen ihn sind nicht gerade gering: Seine zuletzt von wenig Erfolg gekrönte Arbeit in Hannover. Die zwiegespaltene Betrachtung seines Schaffens auf Schalke und in Stuttgart. Sein Ruf als „Shopping-Hotte“, der ihm in der Branche vorauseilt. Doch auch die positiven Meriten kommen nicht zu kurz: Er hat die nötige Erfahrung, er hat zumeist im Rahmen der Erwartung erfolgreich gearbeitet, er hat den offensichtlich in Köln extrem gern gesehenen „Stallgeruch“. Für Horst Heldt ist es eine Rückkehr an alte Wirkungsstätte. Zurück in seine Heimat. Eine Herzensangelegenheit. Für ihn gibt es nun nur ein Ziel: Den Klassenerhalt mit seinem 1. FC Köln. Und nicht nur damit die Herzen derer erobern, die ihn noch kritisch sehen: „Ich möchte die Leute mit meiner Arbeit überzeugen, damit sie eines Tages sagen: Leck mich am Ärmel, mit dem Heldt hat es Spaß gemacht.“