Wie der Spiegel berichtet, hat DFB-Präsident Reinhard Grindel in einer Mail an seinen Stellvertreter Rainer Koch davon abgeraten, das Länderspiel gegen Peru im Frankfurter Waldstadion stattfinden zu lassen, obwohl Frankfurt als Austragungsort an der Reihe gewesen wäre. Als Grund nannte Grindel Befürchtungen, dass Ultras von Eintracht Frankfurt, die er für unberechenbar halte, negativ in Erscheinung treten und damit auch den DFB kurz vor der Vergabe der EM 2024 in ein schlechtes Licht rücken könnten.
Das wirft einige Fragen auf: Wie gelangt der interne Mailverkehr von Koch und Grindel an Redakteure des Spiegel? Seit wann interessieren sich Ultras eigentlich für Länderspiele? Wieso sollten ausgerechnet die Frankfurter Ultras ein Interesse daran haben, die deutsche Bewerbung für die EM 2024 zu sabotieren?
Ultras bei Länderspielen? Paranoid!
Sicherlich gehört Frankfurt zu den motivierteren Szenen in Deutschland und zurzeit protestieren ja bekanntlich Fangruppen aus ganz Deutschland gegen den DFB. Die Befürchtung, dass Ultras Länderspiele nutzen könnten, um dem internationalen Ansehen des DFB zu schaden, ist allerdings doch etwas paranoid.
Doch es gibt einen Grund, warum der DFB-Präsident solche Angst hat, bei der Vergabe der Europameisterschaft das Nachsehen gegen den Mitbewerber Türkei zu haben. Für ihn ist es die große Chance, die nicht nur in sportlicher Hinsicht katastrophale WM vergessen zu machen.
Grindel war für seinen Umgang mit Mesut Özil im Rahmen der Erdogan-Affäre kritisiert worden. Nachdem Özil und Gündogan sich mit dem türkischen Präsidenten fotografieren lassen hatten, äußerte Grindel sich zunächst gar nicht, nur um dann nach dem peinlichen Vorrundenaus der deutschen Mannschaft die Debatte wieder anzuheizen. Nicht nur Özil hatte das Gefühl, für den DFB-Präsidenten als Sündenbock herhalten zu müssen. In seiner Rücktrittserklärung warf die ehemalige Nummer 10 des DFB-Teams Grindel Rassismus und Inkompetenz vor.
DFB: Der Fisch stinkt vom Kopf her
Man muss die ganze Debatte nicht wieder aufwärmen, um festzustellen, dass beim DFB der Fisch vom Kopf her stinkt. Wie soll ein Neuanfang gelingen, wenn die für den sportlichen Misserfolg sowie die katastrophale Außendarstellung des Verbandes verantwortlichen Personen allesamt nach wie vor an ihren Stühlen kleben? Der DFB hatte vor Beginn der Weltmeisterschaft ohne Not den Vertrag mit Joachim Löw bis 2022 verlängert. Auch diesen Schuh muss sich Grindel anziehen.
Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Doch was die Veröffentlichung des Mailverkehrs so brisant macht, ist vor allem die Tatsache, dass Grindel abermals seine Inkompetenz offenbart, diesmal in Sachen Fankultur. Womöglich wäre die Frankfurter Ultra-Szene in seinen Augen nicht ganz so unberechenbar, wenn er sich mit der Materie besser auskennen würde. Dass sich DFB-Vize Rainer Koch in den geleakten Mails als Hardliner outet, sollte eigentlich niemanden mehr verwundern. Nachdem es in der Vergangenheit mehrere gescheiterte Versuche gab, in Dialog mit den deutschen Fanszenen zu treten, sieht es ohnehin ganz danach aus, als ob der Konflikt sich zuspitzen würde.
“Kein ernstzunehmender Fanvertreter kann mit einem Verband unter diesem Präsidenten auch nur ein weiteres Wort wechseln!”
Die Einführung von Montagsspielen auch in der ersten Liga und die dilettantische Umsetzung des Videobeweises sind nur zwei Gründe, warum dieser Dialog nun von Seiten der Fans aufgekündigt wurde. Durch die Aussagen der beiden DFB-Funktionäre wird nun weiteres Öl ins Feuer gegossen. Das zeigt auch die Reaktion aus der Frankfurter Fanszene: “Kein ernstzunehmender Fanvertreter kann mit einem Verband unter diesem Präsidenten auch nur ein weiteres Wort wechseln“, schrieb der Nordwestkurve-Rat, der die Interessen der Eintracht-Fans vertritt, in einem Statement.
Eintracht Frankfurt zeigt sich irritiert
Auch Vereinsvertreter von Eintracht Frankfurt zeigten sich irritiert über eine Passage, in der Rainer Koch schrieb, man könne die Dialogbereitschaft des Verbandes verdeutlichen, wenn man das Länderspiel “trotz der Vorkommnisse beim Montagsspiel und trotz der Haltung der Eintracht” in Frankfurt stattfinden lasse. Der Verein hatte seinen Anhängern damals erlaubt, den Innenraum zu betreten, um gegen die Ansetzung zu protestieren.