Nach nur einem Punkt aus drei Spielen stand der effzeh vor dem ersten richtigen Heimspiel der Saison medial bereits wieder unter Druck. Sogar über den Trainer wurde bereits spekuliert. Punkte mussten her, denn von der viel beschworenen Geduld mit einer jungen, neuen Mannschaft war nicht mehr viel zu sehen. Doch der Ball wollte einfach nicht über die Linie.
Ausgangslage
Unglückliche Niederlage gegen Braunschweig, unnötiges Unentschieden gegen Sandhausen, unglückliche, aber verdiente Niederlage gegen Aue. Auch der Pokalerfolg gegen Unterhaching konnte nichts daran ändern, dass Presse und Fans vor dem Spiel gegen Cottbus bereits wieder auf die Bäume geklettert waren, um von oben herab mit Dreck auf die Mannschaft und die Verantwortlichen zu werfen. Die Stimme der Vernunft, sie existierte noch, aber sie war im Geschrei der Polemiker nicht mehr zu hören. Die sehr kurze Woche nach dem Spiel am Montag nutzte Holger Stanislawski deshalb auch, um den Druck von seinen Jungs zu nehmen und die vor der Saison versprochene Geduld wieder einzufordern.
Hinter den Kulissen werkelte man unterdessen fast unbemerkt von der Presse an einigen Last-Minute-Personalentscheidungen. Noch am Freitag entschied sich, dass Kevin Pezzoni und Alexandru Ionita den Verein verlassen werden, nachdem unter der Woche bereits der aussortierte Michael Rensing in Leverkusen unterschrieben hatte. Sascha Bigalke von der SpVgg Unterhaching und Anthony Ujah aus Mainz verstärken im Gegenzug den Kader. Im Spiel gegen Cottbus kamen jedoch beide noch nicht zum Einsatz.
Der Gegner aus Cottbus verlor in dieser Saison bislang noch kein Ligaspiel, musste sich aber im Pokal dem SV Sandhausen überraschend deutlich mit 0:3 geschlagen geben. Mit einem Sieg gegen den effzeh konnte man sich zumindest vorrübergehend an die Tabellenspitze setzen – eine Extramotivation für die Mannschaft aus dem tiefen Osten der Republik.
Personelle Lage
Stani musste in der Aufstellung auf den angeschlagenen Matthias Lehmann verzichten, der durch Tobias Strobl ersetzt wurde, der damit sein Pflichtspieldebüt in der Startaufstellung des effzeh gab. Für Kevin Pezzoni, der den Verein verließ, rückte Kevin Wimmer wieder in die Innenverteidigung, Christian Eichner startete auf der linken Verteidigerposition. Im Sturm erhielt Mikael Ishak den Vorzug vor Chong Tese und Kacper Przybylko.
Energie Cottbus musste auf die verletzten Markus Brzenska und Daniel Brinkmann verzichten.
Spielverlauf
Schon von der ersten Minute an spielte der effzeh nach Vorne und suchte den Torabschluss, wovon die Gäste aus Cottbus zunächst etwas überrascht schienen. So konnte Daniel Royer bereits in der 4. Minute einen schnell gespielten Konter vielversprechend abschließen, doch Ivica Banovic konnte im letzten Moment für den geschlagenen Thorsten Kirschbaum im Tor der Energie retten. Nachdem die Gäste langsam ins Spiel gefunden hatten, entwickelte sich ein von Köln zwar weiter durch viel Ballbesitz und Druck dominiertes Spiel, aber die zwingenden Chancen blieben zunächst aus, auch wenn der effzeh durch Standardsituationen gefährlich blieb.
In der 30. Minute war es dann jedoch Bobucar Sanogo mit der einzigen Torchance der Cottbuser im ganzen Spiel, der den Ball über die Linie brachte. Nach einem Ballverlust im Mittelfeld ging Adlung über den Flügel und setzte Stiepermann in Szene, der Torhüter Timo Horn überwandt und den Ball in die Mitte legte. Sanogo musste nur einschieben und ließ in dieser Situation keinen Zweifel an seinen Torjägerqualitäten. Zunächst leicht beeinflusst durch den Führungstreffer der Gäste, kam der effzeh zwar schnell wieder zurück in die gewohnten Abläufe, ließ aber bis zur Halbzeitpause den Zug zum Tor vermissen.
Zum Start der zweiten Hälfte hatte dann wieder Royer die erste große Chance zum Ausgleich, doch nach einem von Thorsten Kirschbaum abgeprallten Schuss von Christian Eichner traf der Österreicher den Ball nicht optimal, sodass der Aufsetzer gegen die Latte sprang. Nicht viel später traf Christian Clemens an der Strafraumgrenze einen Ball aus der Luft genau richtig, doch Kirschbaum rettete mit einem unglaublichen Reflex mit der Faust. In der 80. Minute hatte der eingewechselte Kacper Przybylko ebenfalls eine große Chance, doch der ungenaue Abschluss in Bedrängnis war kein Problem für den gut aufgelegten Torhüter der Cottbuser.
Zu diesem Zeitpunkt wäre der Ausgleichstreffer längst verdient gewesen, die Gäste aus Ostdeutschland konnten und wollten ihre Angriffe kaum noch zu Ende spielen. Angriffswelle nach Angriffswelle der Kölner stürmte auf das Tor der Energie, aber der Ball wollte an diesem Tag einfach nicht über die Linie, sodass Cottbus die einzige Chance des Spiels am Ende zum Sieg reichte.
Spieler im Fokus
Timo Horn: In seinem fünften Spiel als Nummer 1 strahlte er erneut Ruhe aus, als er in der ersten Halbzeit noch gebraucht wurde. Beim Gegentor war er weitgehend machtlos, in der zweiten Halbzeit wurde er nicht mehr geprüft.
Christian Eichner: Zeigte bei seiner Rückkehr in die Startelf eine solide Leistung, offenbarte aber erneut Schwächen im direkten Laufduell mit schnellen Gegenspielern.
Miso Brecko: Bot sich im Duell der Kapitäne mit Uwe Möhrle einige interessante Zweikämpfe. Nahm dabei den Cottbuser Kapitän völlig aus dem Spiel, konnte sich deshalb allerdings selbst weniger in die Offensive einbringen.
Die Offensivspieler: Rennen, kämpfen, kratzen, beissen. Über fast die gesamte Spielzeit, auf jeden Fall aber in der zweiten Halbzeit stimmte durchweg der Einsatz, der Kampfgeist und der Wille. Großes Manko bleibt die katastrophale Chancenverwertung.
Fazit
Selten war in den letzten Jahren ein so gutes Spiel des effzeh zu bewundern, wenn man die eklatante Abschlussschwäche außen vor lässt. Spielerisch schön anzusehen, kämpferisch, leidenschaftlich und vor allem mit einem bewundernswerten Durchhaltevermögen auch nach den unzähligen Rückschlägen durch vergebene Großchancen überzeugten alle Spieler gleichermaßen. Doch gerade jetzt scheint der effzeh mit dem Spiegelbild der vergangenen Hinrunde bestraft zu werden, als man häufig unansehnlich spielte, dafür aber die beste Chancenverwertung der Liga hatte. Der Gegner aus Cottbus machte es vor, denn kaltschnäuzigerund effektiver als Sanogo, der seine einzige Chance zum Siegtor nutzte, kann man kaum spielen.
So wirkt es fast ein wenig verzweifelt, wenn Holger Stanislawski sagt: „Ich kann den Jungs keinen Vorwurf machen, sie rennen, machen und tun. Uns fehlt einfach das scheiß Tor. Der FC ist nicht am Boden. Wir sind da, machen aber die Tore nicht.” Und wie dem Kölner Übungsleiter geht es sicherlich vielen Fans, die dieser Mannschaft zumindest den Ausgleichstreffer schon deshalb gegönnt hätten, weil sie ihn zweifellos verdient hatten.
Vielleicht kommt die Länderspielpause in der nächsten Woche dem Trainerteam und den Spielern deshalb ganz gelegen, um konzentriert daran arbeiten zu können, die vielen herausgespielten Chancen auch zu nutzen. Denn wenn der effzeh das Potential und die Ansätze, die gegen Cottbus zu sehen waren, konsequent zu Ende spielt, wird man sich schnell aus dem Tabellenkeller verabschieden können. Der erste Schritt dazu könnte schon im nächsten Spiel gemacht werden – gegen die alte Liebe von Holger Stanislawski, den FC St. Pauli.
Stimmen zum Spiel
Maroh: „ Es ist unfassbar, wir hatten heute so viel hochkarätige Chancen und unterm Strich steht da wieder die Null. Das ist gerade wirklich eine extreme Seuche, die wir haben. Wir wollten heute unbedingt den Befreiungsschlag machen, hat leider wieder nicht geklappt. Ich hatte schon mal so eine Phase miterlebt, aber was hier gerade passiert ist schon extrem. Da willst du das Tor machen, die ganze Zeit und verlierst im Mittelfeld unnötig den Ball und dann steht es 0:1. Davon haben wir uns auch überhaupt nicht unterkriegen lassen. Die Jungs haben gefighted. Wir haben super Chancen herausgespielt, zum Schluss auch die Brechstange ausgepackt – alles versucht – nur das Tor wollte nicht fallen. Es bringt ja auch nichts, wenn ich jetzt wieder sage, ja nächste Woche, nächste Woche…
Es ist so wie es ist. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, jetzt gilt es weiter zu arbeiten in den zwei Wochen, in denen man viel mitbekommen wird von außerhalb. Die Jungs lesen ja auch und bekommen die Stimmung in der Stadt mit. Ich kann nur sagen wir arbeiten hart und konzentriert. Auch gerade haben wir uns gesagt, keine Untergangsstimmung, überhaupt nicht! Warum auch? Das Tor wird fallen, bestimmt und wir haben jetzt zwei Wochen Zeit hart zu trainieren und dann gilt es im nächsten Spiel es noch besser zu machen.
Brecko: „Wir hatten heute Chancen für fünf Spiele, unglaublich. Einmal klärt ein Spieler auf der Linie, einmal rettet der Pfosten, einmal hält der Keeper, der weiß auch nicht wie er das gemacht hat- es ist halt wie verhext im Moment.
Es ist richtig schwer jetzt den Kopf oben zu halten, während der Pause. Fußball ist halt kein Wunschkonzert, man muss sich jeden Punkt hart erarbeiten, wir müssen weiterarbeiten, damit auch mal die Tore fallen. Wenn man kein Tor schießt , kann man halt kein Spiel gewinnen. Im Moment will der Ball einfach nicht rein, aber das wird noch kommen. Eigentlich kann man gar nicht glauben, dass wir nur einen Punkt haben,wenn man sich alle Spiele noch einmal anguckt.“
Stanislawski: „Wir hatten in der ersten Halbzeit schon unsere Probleme, im fußballerischen Bereich, gehabt. Da merkte man, dass wir gegen eine sehr erfahrene Mannschaft gespielt haben. Gerade im Mittelfeld mit unseren jungen Spielern, Hector, der ein gutes Spiel gemacht hat oder auch Strobl, der sein erstes Spiel von Beginn an heute machte, gegen diese Routiniers, war schwierig.
Es nervt ja immer wenn man immer wieder das Gleiche erzählen muss, aber wir haben halt gerade die Situation, dass das Tor nicht fällt – ob Latte, auf der Linie etc. pp. Das Tor ist wie vernagelt im Moment! Wir müssen halt aufpassen, dass wir das Toreschießen nicht ganz verlernen. Insofern müssen wir die 14 Tage auch wirklich nutzen, um uns in diesem Bereich zu verbessern. Ich glaube auch heute, mussten wir dieses Spiel nicht verlieren. Letztendlich ist es so, dass der Gegner das Tor gemacht hat und wir eben nicht. Darum müssen wir uns, bei uns selbst beschweren, da wir aus einer Vielzahl an Tormöglichkeiten, nichts daraus gemacht haben. Das ist letztendlich aber ausschlaggebend für ein Fußballspiel. Mir tut es mal wieder für die Jungs leid, aber großen Respekt an die Zuschauer, wie sie die Mannschaft verabschiedet haben. Daran merkt man, dass das Publikum auch das Gefühl hat, dass die Jungs alles geben. Dementsprechend großen Dank dafür und wir müssen weiter arbeiten – die Tage nutzen, um das Runde in das Eckige zu erzwingen.“
Aufstellung: Horn – Brecko, Maroh, Wimmer, Eichner – Hector, Strobl (78. Tese) –Royer (60. Jajalo), Bröker, Clemens – Ishak (46. Przybylko)
Tore: 0:1 Sanogo (30.)
Gelbe Karten: Ishak – Hünemeier, Farina, Sanogo
Zuschauer: 34.000
Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen)