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Interviews

Interview mit “FC-Stammtisch Talk”-Moderator Ralf Friedrichs: “Der Talk funktioniert nur gefühlsecht und mit Anfassen”

Was macht ein Fußball-Talkmoderator, wenn es derzeit keine Talks zu moderieren gibt? Wir sprechen mit Ralf Friedrichs über die Zukunft des “FC-Stammtisch Talks”, die Gegenwart beim 1. FC Köln und sein neues Buch mit Thomas Wagner.

FC-Stammtisch Talk Eckhardt Sauren Ralf Friedrichs Werner Wolf
Foto: Ralf Friedrichs

Da sagst du was. Wie emotional nimmst du die FC-Spiele denn überhaupt wahr? Wie die Geisterspiele? Hat sich da mittlerweile für dich eine gewisse Normalität eingestellt?

Nein, Geisterspiele sind und bleiben furchtbar. Ich kann und will mich an diesen Stadionhall einfach nicht gewöhnen. Es nimmt mich emotional kaum mit. Auch bei den Siegen in Dortmund und beim Derbysieg in Gladbach hat sich da nur bedingt eine gewisse Stimmung eingestellt. Letztlich bleibt das Fußball im Reagenzglas und damit zum Abgewöhnen.

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Hast du dich dadurch entemotionalisiert? Viele Fans sprechen zuletzt von einer gewissen Entfremdung vom Fußball.

Aktuell ein klares Ja! Ich schaue auch wirklich nur die FC-Spiele live. Nichts anders. Keine Sportschau, kein Sportstudio, keine europäischen Spiele. Ich habe wirklich nichts von Bayerns Champions-League Sieg mitbekommen, nichts aus der diesjährigen Champions-League-Saison und auch nur ein Länderspiel. Das 0:6 gegen Spanien. Hurra! Ansonsten visuell nichts, gar nichts, außer dass ich natürlich alles Relevante lese und dadurch im Thema bleibe. Das bleibt bis zum Ende aller Maßnahmen auch so. Pandemie-Fußball in leeren Arenen ist zum Kotzen, da reichen mir die Ergebnisse und eben die FC-Spiele völlig.

“Ganz Köln – Fans, Umfeld, Medien – sieht den FC in der Summe total realistisch, nur am Geißbockheim hat man mit der wirklichkeitsgetreuen Einordnung anscheinend seit Jahren erhebliche Probleme.”

Allerdings bin ich nicht komplett entemotionalisiert. Fragwürdige Aussagen eines Kalle Rummenigge zum Beispiel verhindern das. Und natürlich sind da ja die Aussagen unserer Freunde der gepflegten Schnitzeljagd, die bringen mich auch ab und an in Wallung. Was Horst Heldt und Markus Gisdol manchmal so von sich geben, kann einen schon aus der Fußball-Lethargie erwecken. Die Sprüche zur Erwartungshaltung eines Horst Heldt nach dem Stuttgart-Spiel waren dermaßen an der Realität vorbei – es wundert mich wirklich, dass manche das sogar ernst genommen haben. Ganz Köln – Fans, Umfeld, Medien – sieht den FC in der Summe total realistisch, nur am Geißbockheim hat man mit der wirklichkeitsgetreuen Einordnung anscheinend seit Jahren erhebliche Probleme.

Wie meinst du das konkret?

Mal ohne Polemik: Beim 1. FC Köln kann doch keiner so unfassbar dumm sein, die eigenen Sprüche der angeblich so hohen Erwartungshaltung der Fans und des Umfelds wirklich zu glauben. Ein Blick in die sozialen Medien oder in Foren belegt das in aller Kürze. Auch die Medien fordern nichts Unmögliches. Dennoch bläst der Verein schon seit einigen Jahren das Märchen von der hohen Erwartungshaltung heraus. Da frage ich mich schon: Warum tun sie das? Ist es eine grandiose Fehleinschätzung? Dann wäre es fast Dummheit. Daran will ich nicht glauben. Oder ist es Kalkül? Das wohl schon eher. Aber warum? Da fängt das Spekulieren an.

COLOGNE, GERMANY - FEBRUARY 20: Horst Heldt, 1. FC Koeln Managing Director of Sport talks to Sky Sports prior to the Bundesliga match between 1. FC Koeln and VfB Stuttgart at RheinEnergieStadion on February 20, 2021 in Cologne, Germany. Sporting stadiums around Germany remain under strict restrictions due to the Coronavirus Pandemic as Government social distancing laws prohibit fans inside venues resulting in games being played behind closed doors. (Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Foto: Frederic Scheidemann/Getty Images

Was spekulierst du?

Dass es – wie so oft – nichts weiter als eine Ausrede ist, um von eigenen Fehlern abzulenken. Nach dem Motto: Seht her, hier in Köln können wir aufgrund des Umfelds und der Medien einfach nicht in Ruhe arbeiten und somit keine Erfolge erzielen. Man versteckt sich schlicht bequem hinter seinen Fans. Wäre das der Grund für diese unsinnigen Behauptungen, dann wäre es perfide, eigene Unzulänglichkeiten auf diejenigen abzuwälzen, die den ganzen Wahnsinn finanzieren. Also beispielsweise so etwas wie einen sündhaft teuren Zehn-Jahres-Vertrag für Anthony Modeste oder langfristige Verträge mit 28-jährigen Zweitligakickern. Oder das Verschenken eines Simon Terodde an den HSV, mit zusätzlichem Geld, das hinterher geworfen wird. Ich könnte noch zig andere Beispiele nennen. Ist das alles die Schuld des Umfelds? Ganz sicher nicht.

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Horst Heldt hat die Kritik an der derzeitigen Spielweise recht schroff abgebügelt mit der Behauptung, schlichtweg mehr Ahnung zu haben.

Natürlich hat er mehr Ahnung als ein Journalist oder als ich. Das wäre ja auch noch schöner, wenn dem nicht so wäre. Er war Spieler, lange auch Manager und kommt aus dem Business. Deswegen verdient er sehr gutes Geld. Aber ob man mit dem, was er dann so anbietet, zufrieden ist, das sollte er mal schön seinem Gegenüber überlassen. Ein Koch hat auch mehr Ahnung vom Zubereiten der Speisen als ich, aber ob mir sein Schnitzel schmeckt, entscheidet nicht er. Und wenn es angebrannt ist, dann sage ich das. Vier-Sterne-Koch hin oder her.

“Ein Koch hat auch mehr Ahnung vom Zubereiten der Speisen als ich, aber ob mir sein Schnitzel schmeckt, entscheidet nicht er. Und wenn es angebrannt ist, dann sage ich das. Vier-Sterne-Koch hin oder her.”

Sollte man beim FC, abgesehen von den finanziellen Ausfällen, nicht eigentlich sogar froh sein, derzeit in Ruhe arbeiten zu können? Das Umfeld ist ja eigentlich recht ruhig, im Stadion sind keine Fanreaktionen zu befürchten.

Gute Frage. Sie arbeiten ja in der Tat eigentlich so, wie sie es immer gefordert haben. Nämlich in Ruhe und ohne große Beeinflussung von außen. Das direkte Feedback des Publikums im Stadion oder am Geißbockheim fehlt nun einmal. Leider kommt dabei aber kaum was Besseres dabei rum als zuvor. Im Gegenteil: Sie pflegen eigentlich weiter – und eben noch ungestörter – ihre Wohlfühloase, wie man an den bescheidenen Ansprüchen an sich selbst erkennen kann. Ich halte es für einen Treppenwitz, sich selbst überspitzt formuliert als den größtmöglichen Außenseiter in der Liga dazustellen, der eine großartige Leistung erbracht hätte, wenn man Fünfzehnter wird. Der Kader ist sicher nicht gut zusammengestellt und das Konstrukt nicht passend für Platz 7 bis 12. Aber Platz 13 bis 15 ist mit den Spielern zu erreichen. Dann hätte man seinen Job befriedigend bis ausreichend gemacht. Mehr aber auch nicht. Man darf ja auch nicht vergessen, nur sechs Vereine haben in dieser Saison mehr Geld in Verstärkungen investiert als wir. Wir haben mehr als 12-mal so viel ausgegeben wie Union Berlin und gar über 35-mal so viel wie Arminia Bielefeld. Das, was dabei herauskommt, ist insgesamt dann doch recht erbärmlich. Fußballerisch sind wir wirklich kaum zu ertragen. Da muss man sogar die Effizienz loben, denn gemessen an dem, was wir zeigen, holen wir noch verhältnismäßig viele Punkte.

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