Am Montag steigt die Mitgliederversammlung beim 1. FC Köln. Wir haben vorab mit dem Vorsitzenden des Mitgliederrats, Stefan Müller-Römer, über das Verhältnis zwischen Mitgliederrat und Vorstand, die Debatte um den Standort Müngersdorf, die Orientierung nach China, mögliche Investoren, die Initiative “100%FC” und andere wichtige Themen im Exklusiv-Interview gesprochen. Das Gespräch führten Thomas Reinscheid und Christopher Kohl.
effzeh.com: Die Mitgliederversammlung steht ins Haus – es werden wieder Rekordzahlen verkündet, eine richtungsweisende Entscheidung könnte getroffen werden. Was erwarten Sie vom Montagabend?
Stefan Müller-Römer: Eigentlich habe ich die Erwartung, dass es eine ruhige Mitgliederversammlung wird. Die Zahlen, die der Verein präsentieren wird, sind unbestreitbar gut. Das Einzige, was Spannung verspricht, ist aus meiner Sicht der Antrag der Mitgliederinitiative „100 Prozent FC – Dein Verein“ zum Thema Anteilsverkäufe.
“Das Einzige, was Spannung verspricht, ist aus meiner Sicht der Antrag der Mitgliederinitiative”
effzeh.com: Also siehst du keine großen Reibungspunkte, die an dem Abend auftreten könnten?
Müller-Römer: Eigentlich nicht. Aber man weiß vor einer Mitgliederversammlung nie, was genau kommen wird und welche Dynamik bestimmte Themen entwickeln können. Das hängt immer auch von der sportlichen Lage ab. Aktuell haben wir jetzt leider den schlechten Saisonstart, der bei vielen Mitgliedern Fragen zur sportlichen Perspektive in dieser Saison aufwerfen wird.
effzeh.com: Im vergangenen Jahr gab es im Vorfeld der Mitgliederversammlung Knatsch um die Aufwandsentschädigung für den Vorstand, nun haben sich Mitgliederrat und Vorstand bei dem Thema offensichtlich geeinigt. Wie ist der Stand der Dinge?
Müller-Römer: Das Ding ist durch, wie die Fußball-Reporter so gerne sagen. Das haben wir im August einstimmig beschlossen.
Stefan-Müller-Römer | Foto: effzeh.com
effzeh.com: Bei der Diskussion um die Aufwandsentschädigung wurde auch immer von einem angespannten Verhältnis zwischen Mitgliederrat und Vorstand berichtet. Haben sich die Wogen denn inzwischen geglättet?
Müller-Römer: Unser Verhältnis ist nach wie vor konstruktiv-kritisch. Wir gehen alle Themen konstruktiv, aber eben auch mit der erforderlichen kritischen Distanz an, weil wir keine Abnicker sind. Dass damit nicht immer alle glücklich sind, ist völlig klar. Das ist aber auch nicht unsere Aufgabe. Wir müssen genau hingucken und ab und zu auch den Finger in die Wunde legen, wenn das notwendig ist.
“Wir werden sicherlich keine leichtfertige Entscheidung treffen”
effzeh.com: Stadion, China-Kooperation und Anteilsverkäufe: Abseits des sportlichen Geschehens sind es wohl diese drei Themenkomplexe, die die effzeh-Fans aktuell bewegen und heftig diskutiert werden. Wie nehmt ihr die aktuelle Stimmungslage rund um den Klub wahr?
Müller-Römer: Wir nehmen die Diskussionen über diese Themen sehr intensiv wahr, weil die Mitglieder in unserem Gremium sich gerade mit solchen Themen immer wieder intensiv auseinandergesetzt haben. Wir sprechen mit Fans und Mitgliedern, lesen in Foren und den sozialen Netzwerken mit und sind deshalb sehr gut informiert, was viele, die sich dazu äußern, darüber denken. Die Debatte um das Stadion war beispielsweise bei uns schon mehrfach Thema, weil es eine ganz wesentliche Richtungsentscheidung für den Verein ist. Es ist nichts entschieden, das muss man klar festhalten. Wir werden sicherlich keine leichtfertige Entscheidung treffen.
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effzeh.com: Ist der Mitgliederrat bei der Entscheidungsfindung denn eingebunden?
Müller-Römer: Der Mitgliederrat nicht unmittelbar, aber Carsten Wettich als mein Stellvertreter und ich als Vorsitzender über unseren Sitz im Gemeinsamen Ausschuss. Uns wurde zugesagt, dass wir von Anfang an in alle Überlegungen eingebunden werden. Darauf achten wir auch.
effzeh.com: Du hast gesagt, es ist noch nichts entschieden. Auf einige machen so manche Aussagen in den Medien gelegentlich den Eindruck, dass der effzeh es auf einen Neubau anlegt. Teilst du diesen Eindruck?
Müller-Römer: Nein. Es steht auch tatsächlich nichts fest.
Foto: roteboecke.com
effzeh.com: Die Fanszene hat sich deutlich positioniert und Müngersdorf als „unverhandelbar“ erklärt. Gibt es denn weitere Reaktionen Euch als Mitgliederrat gegenüber?
Müller-Römer: Relativ wenig. Ab und zu schreibt uns jemand, aber insgesamt ist es erstaunlich wenig. Ich hatte mit mehr Meldungen zu diesem Thema gerechnet.
“Nichtsdestotrotz müssen wir mit der Stadt zusammenarbeiten – und die Stadt mit uns”
effzeh.com: Als Mitspieler kommt noch die Stadt Köln und die Politik ins Boot. Beim Geißbockheim-Ausbau wurde das für den effzeh ein wenig zum Albtraum. Wie stehen aus Eurer Sicht die Dinge in dieser Richtung?
Müller-Römer: Das ist eben Politik – da muss man damit rechnen, dass das manchmal nach leider recht traurigen Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Das weiß man jedoch im Vorhinein, da sollte dann niemand beleidigt sein. Es ist allerdings schwierig, die Stadt hat aus meiner Sicht noch keine konsistente Position in Sachen Stadion. Das macht die Situation für den effzeh natürlich nicht einfacher, mit jemandem zu verhandeln, der selbst nicht weiß, was er eigentlich machen will. Nichtsdestotrotz müssen wir mit der Stadt zusammenarbeiten – und die Stadt mit uns.
effzeh.com: Ist es überhaupt vorstellbar, dass die Stadt die Infrastruktur für ein neues Stadion bezahlt, während gleichzeitig in Müngersdorf ein Millionengrab entsteht?
Müller-Römer: Dazu kann man zum jetzigen Zeitpunkt gar keine vernünftige Aussage machen, weil keine konkreten Zahlen auf dem Tisch liegen.
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effzeh.com: Wechseln wir das Thema Richtung Fernost: Du hast im Express klar Stellung zum chinesischen Regime bezogen, während FC-Präsident Werner Spinner eine deutlich andere Meinung einnimmt. Viele fragen sich: Warum ist eine Kooperation mit einem chinesischen Klub überhaupt nötig?
Müller-Römer: Das müsst ihr die sportlich Verantwortlichen fragen. Wenn dort die Meinung vorherrscht, das würde dem effzeh etwas bringen, dann bin ich bereit, das zu akzeptieren. Insgesamt stehe ich aber jeder Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen oder gar Regierungsstellen sehr skeptisch gegenüber. Da ist mein Standpunkt klar: Das ist eine Diktatur.
Foto: Isaac Lawrence/AFP/Getty Images
effzeh.com: Wie reagiert der Vorstand auf diese Vorbehalte gegenüber der Kooperation bezüglich der Menschenrechtslage in China? Mitunter scheint es, als herrsche die beliebte Maxime „Don’t mix politics with games“ auch beim effzeh vor.
Müller-Römer: Dass ich diesen Punkt kritischer sehe, ist bekannt. Ich habe unsere Position klar gemacht: Die Meinung, dass Sport und Politik nichts miteinander zu tun hätten, habe ich schon immer für Blödsinn gehalten. Diese Meinung wird auch gerne vom IOC vertreten. Das ist, um das in aller Deutlichkeit zu sagen, völliger Quatsch: Sport ist hochgradig politisch und wird deshalb auch seit Jahrzehnten dafür eingesetzt. Nicht umsonst bewerben sich seit jeher gerade Diktaturen um Großevents wie die Olympischen Spiele, um sich selbst ein tolles Image zu verpassen. Das war auch bei den Sommerspielen 2008 in Peking der Fall. Da wurde auch vorher erzählt, dass China sich dadurch weiter öffnen würde. Genau das Gegenteil ist passiert: Es wurden vorab massiv Menschenrechte verletzt und danach wurde die Repressionsschraube noch stärker angedreht. Hier erzählen die Verbandsfunktionäre immer wieder aufs Neue die gleichen Märchen. Ich lasse mir keine Märchen erzählen.
“Ein Investor aus China kommt für mich nicht in Frage, das ist ein absolutes No-Go”
effzeh.com: Mit Britta Heidemann wurde eine China sehr freundlich zugewandte Person in den Aufsichtsrat gewählt – nur einige Tage, nachdem Sie sich im Express klar gegen China positioniert hatten. Wie wurde diese Personalie aufgenommen?
Müller-Römer: Britta Heidemann wurde nicht gewählt, sondern vom Vorstand in den Aufsichtsrat der KG berufen. Ich habe Werner Spinner darauf hingewiesen, dass Frau Heidemann im Hinblick auf China in der Vergangenheit Äußerungen getätigt hat, die ich für überhaupt nicht akzeptabel halte.
Foto: 1. FC Köln
effzeh.com: Wie sehen aus deiner Sicht die roten Linien in dieser Sache aus?
Müller-Römer: Ein Investor aus China kommt für mich nicht in Frage, das ist ein absolutes No-Go. Auch bei einem größeren Partner gilt das für mich. Es gibt genügend Unternehmen auf der Welt, mit denen wir zusammenarbeiten könnten. Wir müssen nicht nach China gucken, um jemanden zu finden, der mit uns langfristig zusammenarbeiten will. Zumal die Langfristigkeit bei diesen politischen Verhältnissen trügerisch ist: Diktaturen sind fragile Gebilde – kommt es zu gravierenden Veränderungen, bricht schnell alles zusammen. Gerade in China zeigt sich, wie schnell man vom Günstling der Partei zum Todfeind werden kann.
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effzeh.com: Kommen wir zum dritten großen Themenkomplex: Die Mitgliederinitiative „100 Prozent FC – Dein Verein“ strebt eine Satzungsänderung an, damit die Mitglieder bei jedwedem Anteilsverkauf gefragt werden müssen. Wurdet ihr davon vorzeitig in Kenntnis gesetzt oder gar mit ins Boot geholt?
Müller-Römer: Nein, die Initiative hat uns vorher nicht gefragt oder informiert. Das haben sie uns gegenüber danach auch begründet: Sie wollten sich von jeder Einflussnahme freihalten. Sie wollten ganz bewusst unabhängig sein. Damit können wir leben, auch wenn es anderslautende Presseberichte gab. Diese Berichte sind schlicht falsch, das hat niemand im Mitgliederrat geäußert.
Foto: Mathis Wienand/Getty Images for 11 Freunde)
effzeh.com: Welchen Eindruck hat der Mitgliederrat von dem Antrag?
Müller-Römer: Man muss über diesen Antrag diskutieren. Es gibt Gründe, die dafür sprechen. Es gibt aber auch Gründe, die man dagegen anführen kann. Der Mitgliederrat wird sich deswegen an dieser Stelle neutral verhalten, wir werden keine konkrete Abstimmungsempfehlung geben. Wenn das Thema auf der Mitgliederversammlung vernünftig diskutiert wird, sollte jeder in der Lage sein, sich seine Meinung dazu zu bilden.
“Wir werden keine konkrete Abstimmungsempfehlung geben”
effzeh.com: FC-Präsident Werner Spinner hat sich in der Öffentlichkeit schon gegen den Antrag gestellt und ist dabei eher auf der emotionalen denn auf der sachlichen Schiene unterwegs. Wie bewertest du das Verhalten des Vorstands bezüglich des Umgangs mit den Antragsstellern?
Müller-Römer: Die Bewertung von Herrn Spinner hätte ich so nicht getätigt. Mitglieder haben das Recht, Satzungsänderungsanträge zu stellen. Dies ist also ein legitimer Antrag, über den man sachlich und ruhig reden kann. Ich sehe den Antrag auch nicht als einen Ausdruck von Misstrauen gegenüber dem aktuellen Vorstand an. Der Verein gehört nun mal den Mitgliedern und man sollte nicht schon negativ bewerten, dass Mitglieder von ihren satzungsgemäßen Rechten Gebrauch machen. Vermutlich hätte eine frühzeitigere Einbindung von Vorstand und Mitgliederrat aber zu einer entspannteren Atmosphäre beigetragen.
Foto: roteboecke.com
effzeh.com: Viele versuchen bei solchen Äußerungen die Zwischentöne zu hören – und vermuten deswegen, da sei etwas im Busch, man wisse es nur noch nicht. Kannst du das nachvollziehen?
Müller-Römer: Ja. Scharfe Reaktionen schüren eher Misstrauen, das vorher gar nicht da war. Deswegen würde ich für einen entspannten Umgang mit dem Antrag werben. Wir stehen immer für einen entspannten Umgang mit kritisch-konstruktiven anderen Meinungen.
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effzeh.com: Für große Diskussionen hat auch die Vergabe der Karten für die Europa-League-Spiele gesorgt. Wurdet ihr bei den Planungen miteinbezogen?
Müller-Römer: Ja, da waren wir eingebunden. Das haben die Mitarbeiter beim effzeh aus unserer Sicht sehr gut vorbereitet. Dass am Ende nicht immer alle glücklich sein können, ist leider zu erwarten gewesen.
“Wir sind ein richtig toller Fußballverein mit einer super Stimmung und einem super Umfeld”
effzeh.com: Etwas genereller haben viele das Gefühl, der FC entferne sich immer weiter von seinen Fans und ist nicht mehr sonderlich “spürbar anders”. Droht der Verein durch die zunehmende Kommerzialisierung an Emotionalität zu verlieren oder ist das für dich noch im Rahmen?
Müller-Römer: Aus meiner Sicht ist das noch im Rahmen. Ich mag unseren Slogan weiterhin, weil ich ihn passend finde. Wir sind ein richtig toller Fußballverein mit einer super Stimmung und einem super Umfeld. Deswegen engagiere ich mich auch für diesen Club, weil es mir Spaß macht, für den FC etwas zu bewegen und mit ihm wieder Erfolg zu haben.
Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images
effzeh.com: Siehst du denn angesichts der Allgegenwärtigkeit des Fußballs eine Gefahr der Übersättigung?
Müller-Römer: Ich denke, dass wir aufpassen müssen, das Rad nicht zu überdrehen. Das gilt aber ganz allgemein für den Fußball. Im deutschen Fußball scheinen viele zu glauben, dass die Geldquelle Fußball niemals versiegen wird. Das halte ich für eine Illusion.
“Eine weitere Entkopplung zwischen den Fußball-Fans und dem Fußball-Business hielte ich für einen schweren Fehler”
effzeh.com: Ist sowas denn auch Thema im Verein? Das Leiden am „modernen“ Fußball und der Gesamtsituation ist ja auch bei den effzeh-Fans präsent.
Müller-Römer: Im Mitgliederrat wird darüber viel diskutiert. Ich kann beispielsweise verstehen, dass viele Menschen die exorbitanten Ablösesummen und Gehälter nicht mehr nachvollziehen können. Fußball ist Volkssport und zieht daraus seine immense Popularität – wir wollen uns im Mitgliederrat dafür einsetzen, dass das auch so bleibt. Eine weitere Entkopplung zwischen den Fußball-Fans und dem Fußball-Business hielte ich für einen schweren Fehler, der dem Fußball auf Dauer schaden wird.
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effzeh.com: Gilt das auch für die Diskussionen um die 50+1-Regel?
Müller-Römer: Auf jeden Fall. Die Debatte über das Thema abzulehnen und einfach zu sagen, Fussball ist Geschäft, damit macht man den Fußball mit ziemlicher Sicherheit kaputt. Der Sport lebt von Emotionen und nicht von Geschäftszahlen. Die sind zwar auch wichtig, aber es gilt stets die Balance zwischen diesen unterschiedlichen Interessen zu wahren.
effzeh.com: Ist das das große Thema, was für die Fans in Zukunft anstehen wird?
Müller-Römer: In naher Zukunft wird es das sicherlich sein. Der Umgang mit den eigenen Fans ist enorm wichtig, da haben wir als effzeh sehr viel gemacht. Wir wollen darauf hinwirken, bundesweit einheitlicher im Dialog mit den Fanszenen zu sein. Daran krankt es in der Liga, jeder kocht sein eigenes Süppchen. Dieser Dialog ist enorm wichtig, um das Thema voranzubringen. Das spielt auch in die Entscheidung beim Stadion hinein und auch bei der Diskussion um Anteilsverkäufe.
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effzeh.com: Zum Abschluss: Wo sieht der Mitgliederratschef uns am Ende der Saison?
Müller-Römer: Ich spekuliere nicht gerne. Der Start lief nun wirklich gar nicht gut. Momentan müssen wir darauf hoffen, den schlechten Lauf zu durchbrechen, und da finde ich, dass die sportlich Verantwortlichen sich Vertrauen verdient haben, nachdem es vier Jahre nur bergauf ging. Abgerechnet werden sollte immer erst am Schluss einer Saison.
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