Während der Sommerpause konnte man eigentlich gar nicht genug Abstand zwischen sich und den 1. FC Köln bringen, der nach einer emotional intensiven, sportlich dann aber doch schwachen Saison relativ spannungsfrei absteigen musste. Man war sauer, man war auch ein bisschen erschöpft, aber vor allem wollte man in erster Linie seine Ruhe – der 1. FC Köln ist ein emotionaler Faktor im Leben vieler Menschen, sodass es vielleicht mal ganz gut tut, wenn man ein wenig Distanz dazu einnimmt. Wenn dann jedoch die Vorbereitung beginnt und langsam die Maschinerie der Berichterstattung über den 1. FC Köln wieder einsetzt, wird man unweigerlich in den Sog gezogen – der Sache kann man sich dann doch nicht so ganz einfach entziehen.
Vor dem ersten Spiel gegen Bochum stieg die Vorfreude natürlich dann exponentiell und wurde letztendlich auch belohnt: Der effzeh gewann das Spiel im stimmungsvollen und schönen Bochumer Stadion mit 2:0. Aus rein sportlicher Sicht waren in diesem Spiel (und auch in den Testspielen zuvor) bereits einige Dinge zu erkennen gewesen, die Markus Anfang seinem Team während der Vorbereitung vermittelt hatte. Dominantes Positionsspiel, flache Spieleröffnung und hohes Pressing – es ist cool, dass in Köln ein Trainer einen offensiven Stil durchsetzen will, auch gegen mögliche Widerstände. Nach dem Spiel in Bochum gab es die zwar auch, sie waren allerdings vergleichsweise gering, weil der 1. FC Köln eben sein Spiel gewinnen konnte.
Es gibt immer noch einen Gegner bei Spielen des 1. FC Köln
Dadurch steigerte sich die Vorfreude auf das erste Heimspiel gegen Union Berlin natürlich auch noch einmal – ein attraktiver Gegner zu einer nicht so attraktiven Uhrzeit, dazu die Möglichkeit, mit einem Sieg auf Rang eins der Tabelle zu springen. Die Voraussetzungen an diesem Montagabend in Müngersdorf waren also wieder einmal ideal. 50.000 Zuschauer sorgten für ein ausverkauftes Stadion, im Umfeld waren die ersten Sprossen der Aufbruchsstimmung bereits zu entdecken – das Problem war nur, dass der 1. FC Köln bei Fußballspielen in der zweiten Liga dann immer noch gegen einen Gegner antreten muss.
Die Grundannahme vieler effzeh-Fans scheint es in dieser Saison ja zu sein, neben der finanziellen Überlegenheit aufgrund der faktischen individuellen Qualität einiger Einzelspieler davon auszugehen, dass man wohl mit 80 plus X Punkten in die erste Bundesliga zurückkehrt. Das Zusammenspiel aus der individuellen Qualität des Kaders und des offensiven Ansatzes von Markus Anfang ist natürlich kein Grund, irgendwie Trübsal zu blasen und sich in pessimistischen Weltuntergangsszenarien zu ergehen. Offenbar scheint es jedoch doch so zu sein, dass viele Menschen die Teams der zweiten Liga unterschätzen und deren Qualitäten im Vergleich mit dem effzeh als nicht ausreichend abtun.
Christian Clemens trifft gegen Union zur Führung
Der 1. FC Köln schaffte es nicht, die Führung gegen Union Berlin ins Ziel zu retten – im ersten Durchgang hatte Christian Clemens nach einer beherzten Einzelaktion für das erste Heimtor der neuen Saison gesorgt. Union konnte nach etwas mehr als einer Stunde durch einen Konter ausgleichen, Gogia hatte den Raum auf der linken Seite für einen intensiven Lauf und eine gute Flanke auf Andersson genutzt – 1:1. So viel zum Spielfilm der Partie. Natürlich, Torgelegenheiten gab es für den effzeh auch noch: Hector traf nach einem Freistoß per Kopf die Latte, Cordobas Schuss in der ersten Halbzeit wurde von Gikiewicz entschärft. Im zweiten Durchgang verhinderte Timo Horn dann zuerst den Ausgleich bei Reichels Freistoß, den er an die Latte lenkte.
Hector auf der Sechs – “Fehlpass” bringt die Führung
Markus Anfang hatte zu Beginn eine Mannschaft ins Rennen geschickt, die im Vergleich zum Spiel in Bochum drei Änderungen aufwies. Der gelb-rot-gesperrte Meré wurde erwartungsgemäß durch Sobiech ersetzt, Hauptmann kam für Guirassy ins Spiel und Jannes Horn für Özcan. Daraus ergab sich, dass der Nationalspieler auf die Sechserposition rückte und Niklas Hauptmann zusammen mit Dominick Drexler (überwiegend) das offensivere Mittelfeldzentrum besetzte. Mit dieser nominellen Aufstellung versuchte Markus Anfang, seinen Matchplan durchzubringen. Sein Gegenüber Urs Fischer setzte auf eine Doppelsechs bestehend aus dem unheimlich hart arbeitenden Duo Schmiedebach und Prömel. Davor agierte mit Marcel Hartel der Umschaltspieler von Union, der auch den Ausgleich mit einem Ball in die Tiefe einleiten sollte.
Auf der nächsten Seite: Das Ergebnis in seiner Entstehung – und der Umgang damit
Natürlich kann man jetzt auch zur Sprache bringen, dass Grischa Prömel bei seiner Balleroberung gegen Hauptmann ein Foulspiel beging und das Gegentor bei einem Pfiff dann gar nicht erst entstanden wäre. Dann müsste man fairerweise aber auch darüber reden, dass Prömel vor dem Kölner Führungstreffer den Ball von Sobiech (dessen Idee, den Ball auf Clemens zu spielen, war bereits frühzeitig zu erkennen) eigentlich schon abgefangen hatte – einzig und allein ein technischer Fehler brachte Clemens wieder ins Spiel und dazu, Tempo aufzunehmen und das Tor zu erzielen. Ähnlich wie in Bochum brachte also ein eigentlich schlechter Pass dem effzeh die Führung.
Union Berlins Matchplan ging auf – der des 1. FC Köln nicht
Ob das jetzt ein Zeichen dafür ist, dass die offensiven Abläufe noch nicht reibungslos funktionieren, sei dahingestellt – über die gesamten 90 Minuten zeigte sich jedoch, dass der 1. FC Köln durchaus so seine Schwierigkeiten hatte, den Ball in torgefährliche Situationen zu bekommen. Die nackten Zahlen an sich sprachen für den Bundesliga-Absteiger: 19 zu 9 Torschüsse, 65 zu 35 Prozent Ballbesitz mit einer besseren Passquote als Union. Der Gast hatte jedoch auch einen klaren Plan, dessen Umsetzung besser funktionierte als beim effzeh: Urs Fischer hatte eine mutige Ausrichtung angekündigt und wurde darin bestätigt. Seine Mannschaft verteidigte mit vielen intensiven Läufen gegen das Aufbauspiel des effzeh, der insbesondere über die Außen wenig ins Spiel kam. Immer wieder schoben Unions Spieler aus dem Zentrum nach, um die Außen der Berliner zu unterstützen. Den effzeh-Spielern blieb dann nur der Rückpass.
Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images
Unions äußere Mittelfeldspieler (Hedlung und Redondo) hatten überdies den Auftrag, die Kölner Außenverteidiger Jannes Horn und Risse im Spielaufbau zu pressen, was überwiegend ebenfalls gut gelang. Dass mit Jonas Hector ein “neuer” Spieler auf der Sechs agierte, brachte zwar ein wenig mehr Ballsicherheit als noch in Bochum, doch die entscheidenden Impulse gingen von dieser Position auch nicht aus. Gerade in Markus Anfangs System kommt den Außenverteidigern eine spielmachende Funktion zu – warum nicht Jonas Hector dort belassen?
In jedem Fall war die Versorgung der Offensive in den wirklich gefährlichen Räumen beim effzeh sehr schwierig. Jhon Cordoba war wie immer stets bemüht, kam jedoch kaum in Abschlussaktionen. Die Außenspieler Schaub und Clemens sahen sich durch die intensive Verteidigungsarbeit Unions immer wieder in engen Räumen und wurden unter Stress gesetzt. Dieser Stress ist etwas, das naturgemäß entsteht, wenn der Gegner so mutig agiert wie die Berliner an diesem Tag. Es wird jedoch auch Mannschaften geben, die sich gegen den effzeh einigeln und dem Favoriten das Spielfeld überlassen – dann wird sich die Mannschaft von Markus Anfang einer weiteren Aufgabe stellen müssen.
“Ans Siegen gewöhnen” – Armin Vehs Auftrag
Geschäftsführer Armin Veh formulierte den Auftrag an seine Mannen dann etwas anders: Er sagte, dass man sich nach einer schwierigen Saison “erst wieder ans Siegen gewöhnen” müsse, was natürlich relativ direkt und forsch daher kommt. Klar ist, dass der 1. FC Köln in den verbleibenden 30 Spielen (ohne die gegen den HSV) als hoher Favorit ins Rennen gehen wird – vielleicht wäre es besser gewesen, bis dahin auf eine diplomatischere Formulierung zu gehen. Ein Satz wie “Wir müssen uns wieder daran gewöhnen, Dominanz auszustrahlen” würde vielleicht denselben Zweck erfüllen.
Alles in allem bleibt nach diesem Montagabend also das Fazit, dass in der zweiten Liga also auch durch den Gegner bestimmt wird, wie das Spiel endet – eigentlich keine Überraschung. Für den 1. FC Köln verbleibt dieselbe Aufgabenstellung wie noch vor Wochen: die richtige Abstimmung finden, die Automatismen perfektionieren und Punkte holen. Daran sollten sich auch die Erwartungen anpassen.