Hätte sich Frank Schmidt als Trainer des 1. FC Heidenheim vor dem Spiel einen idealen Auftakt malen können, er hätte wohl genauso ausgesehen wie die tatsächliche Anfangsphase: seine Mannschaft ging nach neun Minuten durch eine Standardsituation in Führung und konnte in der Folge gegen eine ohnehin schon nicht sehr selbstsichere Kölner Mannschaft eher reagieren als selbst agieren. Als Auswärtsmannschaft nach Köln zu fahren und dem dortigen “Favoriten” das Leben schwer zu machen ist in dieser Saison sowieso ein geeignetes Mittel, um Punkte aus der Domstadt zu entführen.
Dass das Spiel in genau diese Richtung laufen würde, verdeutlichte sich bereits in einer Szene in der ersten Minute: Marco Höger sprang im Aufbau der Ball zu weit weg, in der Folge musste der defensive Mittelfeldspieler foulen und sah bereits früh die gelbe Karte. Schnatterers Freistoß wurde dann von Özcan offenbar auch mit der Hand geklärt. Der erste wirklich zielführende Angriff der Gastgeber wurde dann auch bis zum Torabschluss durchgespielt, Louis Schaub stand beim Pass von Salih Özcan allerdings im Abseits – das Tor wurde zurecht nicht anerkannt.
Griesbeck, Dorsch und Co.: Heidenheims Arbeitsbienen
Direkt im Anschluss an diese Szene wurde Jonas Hector im Gegenpressing der Heidenheimer so unter Druck gesetzt, dass er aus Bedrängnis heraus nur einen Notpass auf Timo Horn zurückspielen konnte. Bevor der Kölner Keeper allerdings den Ball klären konnte, überschritt dieser die Torauslinie – es gab einen Eckball, den Schnatterer auf den Kopf von Beermann schlug. Der Abwehrspieler der Baden-Württemberger hatte keine Mühe und wurde auch kaum daran gehindert, das 1:0 zu erzielen.
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Zwar entstand das Gegentor nicht unmittelbar aus einem erzwungenen Fehler, schließlich bestand noch die Möglichkeit, den Eckball zu verteidigen – Frank Schmidt dürfte an der Seite aber trotzdem die Faust geballt haben, denn seine Mannschaft schaffte es bereits früh, durch ihre hohe Arbeitsrate die Kölner derart unter Stress zu setzen, dass diese Fehler beging. Und die können auch einem Jonas Hector passieren. Generell ist Stress so etwas wie das Leitmotiv dieser Partie: Die Gäste aus Heidenheim legten eine hohe Arbeitsrate an den Tag, die die Gegenspieler des 1. FC Köln immer wieder in genau diese Stresssituationen versetzte, aus denen dann Fehler begangen wurden. Insbesondere im Zentrum ackerten Griesbeck, Dorsch (über eine seiner Aktionen wird noch zu sprechen sein) und Dovedan auf ganz, ganz hohem Niveau – denn bei allen ästhetischen Ansprüchen besteht Fußball in erster Linie aus Lauf- und Zweikampfverhalten (beide foulten allerdings auch relativ beständig und wurden in diesem Engagement auch nicht wirklich gebremst).
Viele Torchancen und Fair-Play-Preis für Risse
Das soll allerdings nicht heißen, dass der effzeh in der ersten Halbzeit keine Tormöglichkeiten hatten: Hector begann mit einem Volleyschuss, danach folgte Terodde per Kopf und Risse mit so etwas Ähnlichem wie einem Seitfallzieher. Diese Aktion fiel in die beste Phase der Mannschaft von Markus Anfang, die ab der 20. Minute zunehmend die Kontrolle übernahm, Sicherheit im Passspiel gewann und auch in die torgefährlichen Räume kam. Dominick Drexler verzog dann kurz darauf aus spitzem Winkel. Danach trat allerdings wieder der Faktor Stress auf die Bühne: Norman Theuerkauf führte einen Zweikampf gegen Marcel Risse, bei dem auf den ersten Blick nicht ganz klar war, ob der Heidenheimer den Ball oder Foul gespielt hatte. Schiedsrichter Stieler (über den wir ebenfalls noch reden müssen) entschied sich zuerst für Gelb und Freistoß, um dann allerdings auch in Rücksprache mit Marcel Risse diese Entscheidung wieder zurückzunehmen. Den Fair-Play-Preis für diese Entscheidung hätte Risse verdient, ein wenig mehr Macchiavelli wäre vielleicht auch nicht schlecht gewesen.
Auf der nächsten Seite: Mit Guirassy kommt mehr Zielstrebigkeit
Den erhitzten Diskussionen über diese Entscheidung folgte dann auf jeden Fall ein Schiedsrichterball. So richtig durchschaubar war die Entscheidungsfindung nicht, in jedem Fall sorgte es dafür, dass Stieler bei den Spielern nicht unbedingt an Autorität gewann. Kurz vor der Pause sorgten zwei weitere Szenen dafür, dass man sich in der Folge mehr mit dem Schiedsrichter auseinandersetzte als mit dem eigenen Spiel – und damit zusätzlichen psychologischen Stress bewältigen musste. Nach etwas mehr als 40 Minuten hätte Terodde vielleicht einen Elfmeter bekommen können, doch das war noch nicht der Abschluss dieser ersten Hälfte: Salih Özcan wurde im Laufduell von Niklas Dorsch böse gefoult, der deutsche U20-Nationalspieler musste in der Folge ausgewechselt werden. Es war ein Foul, das definitiv eine rote Karte verdient gehabt hätte.
Heidenheim blockt alles weg – ist aber vorne zu ungenau
Zum zweiten Durchgang kam dann Guirassy für Özcan und damit einher ging auch eine veränderte Dynamik im Offensivspiel des effzeh – Guirassy ging auf links, Drexler rückte mehr in der Mitte und bis zur 50 Minute verzeichnete Anfangs Mannschaft fünf Torabschlüsse. Zweimal Risse, zweimal Guirassy und Terodde versuchten es, scheiterten aber noch. Danach folgte der Ausgleich nach einer kurz gespielten Ecke: Nachdem im Spiel bis dato alle Ecken mehr oder weniger unbedrängt geklärt wurden, spielte Schaub kurz auf Risse, der mit einem gefühlvollen Ball in die Mitte Guirassy in Szene setzte – der Franzose nickte zum 1:1 ein (58.). Der Ausgleich war somit hergestellt und der Spielfilm für die verbleibenden mehr als 30 Minuten auch.
Glück im Unglück für Salih #Özcan: Die Bänder am linken Sprunggelenk sind heil.
„Es war schmerzhaft, aber zum Glück ist nichts kaputt gegangen.“
Schnelle, gute Besserung, Salih!
___#KOEFCH 1:1 (90.) pic.twitter.com/QqwKERsW3R— 1. FC Köln (@fckoeln) October 27, 2018
Der effzeh rannte an, Heidenheim fand teilweise bizarr große Räume in der Gegenbewegung vor. Deswegen hatten die Gäste auch Möglichkeiten, die sie allerdings nicht allzu brillant ausspielten. Bei den effzeh-Spielern merkte man in vielen kleinen Aktionen dann wieder den Stressfaktor, als einfachste Sachen misslangen, weil man vielleicht wieder zu schnell zu viel wollte. Das soll aber wieder nicht heißen, dass es keine Torgelegenheiten gab: aus kurzer Distanz wurde ein Risse-Schuss geblockt, Guirassys Direktabnahme war kein Problem für Keeper Müller und schließlich wurde Hectors Abschluss in der Nachspielzeit auch noch geblockt. Ein Tor sollte allerdings nicht mehr fallen, sodass mit dem 1:1 nun das dritte sieglose Spiel in Folge zu Buche steht.
Ein Punkt für beide – zu wenig jedoch für den 1. FC Köln
Ab der 80. Minute hatte Markus Anfang dann mit Jhon Cordoba auch die Brechstange eingwechselt, woraufhin die Entscheidungsfindung bei den effzeh-Spielern in erster Linie so aussah, dass man ab der Mittellinie den Ball in den Strafraum prügelte – das war allerdings für die Gäste relativ einfach zu verteidigen. Generell muss man die Abwehrleistung der Heidenheimer loben, denn viele Abschlüsse wurden leidenschaftlich geblockt (siehe Hector). Offensiv verpasste es das Team um den auch verbal sehr aktiven Marc Schnatterer insbesondere zwischen der 70. und 80. Minute, das zweite Tor zu erzielen – das war in jener Phase, als der effzeh aufgrund der stürmischen Ausrichtung wieder in Unterzahl verteidigt hatte.
Betrachtet man alleine die nackten Zahlen, wäre ein effzeh-Sieg natürlich verdient gewesen: zehn Torschüssen aufs Tor (!) stand ein einziger der Heidenheimer gegenüber. Über die Ballbesitzphasen brauchen wir ohnehin nicht reden: Czichos, Meré, Hector und Höger hatten alle mehr als 100 Ballkontakte und mehr als 60 angekommene Pässe zu verzeichnen. Wenn man allerdings dann aus den vielen Möglichkeiten nicht das zweite Tor macht, steht am Ende ein Unentschieden, das für die Gäste dann aufgrund des Engagements auch irgendwie verdient ist.