Fußball ist ein Spiel mit intensiven Dynamiken. Ein Fußballspiel wechselt regelmäßig die Richtung, die Schnelligkeit, mal haben die einen das Momentum, mal die anderen. Um die Dynamik eines Fußballspiels beherrschbar zu machen, greifen Fußballtrainer auf eine Systematisierung in vier Phasen zurück. Dabei kümmern sie sich darum, was die eigene Mannschaft in Ballbesitz tun soll, um Tore zu erzielen. Gleichzeitig müssen sie die Frage beantworten, was die eigene Mannschaft tun soll, um Tore zu verhindern, wenn der Gegner den Ball hat. Hinzu kommen die beiden Phasen, in denen der Ballbesitz auf die jeweils andere Mannschaft übergeht.
Das ist der Sport – er ist eigentlich relativ simpel. In Köln war Achim Beierlorzer im Sommer mit der Maßgabe angetreten, dass seine Mannschaft jederzeit aktiv sein und den Gegner unter Druck setzen soll. Für einen Aufsteiger ein durchaus offensives Ziel, hatte der FC doch unter Peter Stöger noch mehr reagiert als agiert. Für den neuen Trainer der “Geißböcke” gibt es offenbar aber weder eine Alternative zum Optimismus noch zu seiner Spielidee.
Nachvollziehbare Haltung von Beierlorzer
Dabei ist es durchaus nachvollziehbar, warum Beierlorzer davon nicht abrückt. In den letzten Jahren hat sich der Fußball in verschiedene Richtungen entwickelt, weil viele einflussreiche Trainer mit ihren Mannschaften eine Benchmark gesetzt hatten. Dazu gehören der FC Barcelona und Manchester City unter Pep Guardiola oder der BVB oder Liverpool unter Jürgen Klopp – um die Antipoden “Ballbesitz” und “Gegenpressing” mal kontrastierend gegenüberzustellen. In der Folge haben sich viele Mischformen entwickelt, viele Einflüsse wurden aufgegriffen und in die tägliche Arbeit mit der eigenen Mannschaft integriert.
Es gibt nicht mehr nur die eine Ballbesitz- oder die eine Gegenpressing-Mannschaft. Moderne Fußballmannschaften müssen zu jeder Zeit auf die Anforderungen des Spiels reagieren können und Lösungen finden. Das passiert natürlich alles auf unterschiedlichen Niveaustufen.
Gebt der Entwicklung die Zeit, die sie braucht!
Beim 1. FC Köln ist dabei im bisherigen Verlauf der Saison zu erkennen gewesen, dass die Idee, den Gegnern wenig Luft zum Atmen zu geben, nur in Phasen aufgegangen ist. Gegen die hohen Favoriten aus Dortmund und München funktionierte es tatsächlich über einige Strecken des Spiels ganz ordentlich, wenngleich beide Spiele verloren gingen. In Wolfsburg und gegen Freiburg, zwei Mannschaften mit einem ähnlichen Stil wie der des FC, waren die Spielverläufe sehr eng – das eine Spiel ging verloren, das andere konnte der FC gewinnen.
Die beiden Spiele, in denen es bisher am wenigsten funktioniert hat, aktiven Fußball zu spielen, waren die Partien gegen Mönchengladbach und Hertha zuhause. Das Derby verlor der FC emotions- und chancenlos mit 0:1, gegen die Berliner schafften es die “Geißböcke” nicht, die Primäraufgabe des Verteidigens zu erfüllen. Und so steht nach sechs Spielen nach dem Wiederaufstieg eine Bilanz von drei Punkten – in Köln schrillen bereits wieder die Alarmglocken. Doch das ist zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht.
Auch im vergangenen Jahr schien es, als hätte man der Mannschaft nicht genügend Zeit gegeben, um sich unter einem neuen Trainer zu entwickeln. Gewiss, Markus Anfang hatte auch mit zwischenmenschlichen Aspekten zu kämpfen. Aber zu einem ähnlichen Zeitpunkt im Herbst, als der FC in eine Formkrise geriet, wurde durch den zunehmenden Druck von außen (und auch von Geschäftsführer Armin Veh) das System verändert. In der Folge dominierte der FC zwar in den wenigsten Spielen wirklich durchgängig, erzielte aber aufgrund der hohen individuellen Qualität mehr Tore als der Gegner. Dadurch brachte man sich bis in den April in eine gute Position im Rennen um den Wiederaufstieg, Anfang wurde dennoch entlassen.
Das System ist sichtbar, aber noch nicht funktionstüchtig
Auf ihn folgte mit Beierlorzer ein Trainer mit einer anderen Spielidee – der Franke profitiert davon, dass für das Unternehmen Klassenerhalt mehr Gelder zur Verfügung standen, um den Kader zu verstärken. Der FC spielt mittlerweile mit vielen externen Neuzugängen und versucht auf diese Weise, die Ideen des Trainers umzusetzen. Aktuell scheint sich für den FC aber das Problem zu ergeben, dass es mittlerweile für einzelne Positionen zwar Spezialisten gibt, deren Ausfälle vom Kader aber nicht kompensiert werden können.
In einer sich ohnehin noch entwickelnden Mannschaft ragte das Duo aus Ellyes Skhiri und Birger Verstraete heraus. Die beiden Neuzugänge ergänzen sich aufgrund ihrer Positionsprofile gut und bringen der Mannschaft die nötige Stabilität. Nach Verstraetes Ausfall wegen einer Operation verlor der Bundesliga-Aufsteiger aber genau diese Stabilität und holt sich zwei 0:4-Klatschen ab.
Diesen Trend an nur einem Spieler festzumachen, ist allerdings genauso falsch, wie die Bedeutung der Position im zentralen defensiven Mittelfeld herunterzuspielen. Da der FC weit vorne anläuft, manchmal sogar mit zwei Spitzen, entsteht ein großer Raum vor den beiden Sechsern. Wenn dann auch nur einer der beiden überspielt wird, bringt es die Viererkette in Schwierigkeiten. Es ist zwar durchaus nachvollziehbar, wenn junge Spieler wie Bornauw und Meré erstmal versuchen, das eigene Tor zu sichern – durch das fehlende Nach-vorne-Verteidigen entstanden beim FC zuletzt aber zu viele einfache Gegentore.
Greifen die einzelnen Rädchen im Defensivverhalten nicht ineinander, führen einzelne individuelle Fehler wie das Abwehrverhalten des Belgiers gegen Ibisevic zu drastischen Auswirkungen – der Bosnier erzielte gleich zwei Tore in kurzer Zeit. Ohne Bornauw in den Senkel zu stellen, muss gleichzeitig die Frage erlaubt sein, wie überhaupt die Situationen entstehen konnten, in denen Bornauw im Sechzehner gegen den erfahrenen Torjäger verteidigen musste. Da muss man früher anfangen als bei der Abschlussaktion.
Evolution statt Disruption!
Mit dem FC Schalke 04 wartet am Wochenende eine Mannschaft, die einen ähnlichen Stil fährt – nur wesentlich stabiler. Die “Knappen” sind in der Bundesliga aktuell sowas wie das Team der Stunde. Die Königsblauen kombinieren defensive Stabilität und Laufstärke mit individueller Qualität – derzeit vor allem durch Amine Harit. Trotz ihres derzeitigen Tabellenstands sind die Schalker jedoch noch keine Mannschaft aus dem oberen Leistungssegment der Bundesliga – gegen diese Teams muss der FC auch gar nicht punkten.
Entscheidend für die “Geißböcke” wird sein, wie die direkten Duelle gegen Mannschaften aus dem (unteren) Durchschnitt des Oberhauses ausgehen. Genau in diesen Spielen ist es wichtig, dass der fußballerische Ansatz von Beierlorzer nicht nur in Phasen, sondern in Gänze funktioniert. Doch wie bereits erwähnt braucht es eben auch diese Lernphasen, in denen Spieler wie Bornauw Fehler machen, aus denen sie die richtigen Schlüsse ziehen und sich dann weiterentwickeln.
Nach ein paar Spieltagen schon wieder alles auf links zu drehen, erscheint daher wenig ratsam. Wünschenswert wäre vielmehr, wenn Umfeld und Fans dieser Entwicklung die nötige Zeit geben würden, damit der FC im Großteil der Spiele in der Bundesliga bestehen kann. Ein weiterer Trainer- und Systemwechsel würde die ohnehin schon fragmentierte Mannschaft bestehend aus Neuzugängen, früheren Zweitligaspielern und Lokalhelden vermutlich ohnehin nur noch weiter verunsichern.