Es ist eine willkommene journalistische Rubrik: Jedes Mal, wenn ein Politiker oder Vorstandschef sein neues Amt antritt, wird nach 100 Tagen überprüft, wie die Bilanz ausfällt. Ähnlich ist es auch bei Bundesliga-Trainern. Tritt ein neuer Coach in der höchsten deutschen Spielklasse sein Amt an, werden in den Redaktionen bereits die Terminkalender gezückt, um zu überprüfen, wann der Artikel zu den ersten 100 Tagen des neuen Trainers fällig wird. Der Inhalt der Texte beschäftigt sich dann mit den Arbeitsschwerpunkten, der Stimmung, der Menschenführung – und natürlich auch mit den Ergebnissen.
Genauso war es zu Beginn dieser Woche auch beim 1. FC Köln, als Achim Beierlorzer sein erstes kleines Jubiläum als FC-Coach feiern durfte. Nach dem 1:1-Unentschieden auf Schalke, bei dem die „Geißböcke“ in der Nachspielzeit den Ausgleich erzielten, scheint sich die Stimmung rund um den 1. FC Köln wieder ein wenig beruhigt zu haben – bei einer weiteren Niederlage wäre davon auszugehen gewesen, dass Umfeld und Medien noch unruhiger geworden wären. Denn schließlich gab es in dieser Saison erst einen Sieg zu feiern, der Punktgewinn gegen S04 gibt dem Bundesliga-Aufsteiger vor den kommenden richtungsweisenden Wochen mit Spielen gegen Paderborn, Düsseldorf und Mainz nun ein wenig Luft zum Atmen.
Die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt
Bricht man die Bilanz des ehemaligen Regensburger Coaches dann auf die Zahlen runter, stehen vier Punkte aus sieben Spielen und die Qualifikation für die zweite Runde des DFB-Pokals zu Buche. Für jeden Punkt musste Beierlorzer bis dato ungefähr 25 Tage arbeiten. Daran zeigt sich auch schon, wie sinnfrei eine Bilanzierung erscheint – die Arbeit eines Fußballlehrers mit einer neuen Mannschaft hat nach 100 Tagen eigentlich gerade erst begonnen, weil die absolute Kennenlernphase vorbei ist, die Grundprinzipien festgelegt wurden und nun die inhaltliche Detailarbeit beginnen kann.
Vielleicht kommt zu diesem Zeitpunkt das spielfreie Wochenende durch die anberaumten Länderspiele gerade recht. Dadurch besteht Zeit, die Stärken auszubauen und an den Schwächen zu arbeiten. Dass es beim FC durchaus Schwächen zu verzeichnen gibt, ist dabei in den ersten Partien offenkundig geworden – panisch muss aufgrund der bisherigen Leistungen aber auch niemand werden. Gerade die Partie auf Schalke zeigte auf, dass Beierlorzers personelle und taktische Anpassungen fruchten können. Dann ist der 1. FC Köln in der Bundesliga auch konkurrenzfähig.
Welche Rolle bekommt Hector?
Der Franke hatte seine Arbeit in der Domstadt mit viel Begeisterung und Euphorie begonnen, musste aber nach den Niederlagen gegen Gladbach und besonders Berlin erkennen, dass sich der Wind in Köln auch schnell drehen kann. Nur mit Leidenschaft wird der FC wahrscheinlich nicht in der Lage sein, die Klasse zu halten – dafür bedarf es mehr. Die Ausrichtung des 1. FC Köln gegen Schalke zeigte, dass Beierlorzer durchaus auch pragmatisch handeln kann. Mit Jonas Hector beorderte er einen Spieler auf die Sechs, der die Aufgabe zur Zufriedenheit aller erfüllen kann und weiß, worauf es in einem solchen Spiel ankommt.
“Ob das jetzt langfristig sein wird, ist unerheblich. Wir sehen die Qualität und die können wir flexibel einsetzen.”
„Jonas ist unglaublich flexibel“, bekannte der Übungsleiter am Mittwoch im Rahmen des Trainings. Dass der Nationalspieler jetzt zur Dauerlösung im Mittelfeld wird, lässt er offen. „Ob das jetzt langfristig sein wird, ist unerheblich. Wir sehen die Qualität und die können wir flexibel einsetzen“, so Beierlorzer. Sein Nebenmann Ellyes Skhiri bekam eine etwas konservativere Rolle zugeteilt, in der er sich in einer flachen Vier im Mittelfeld einreihte und nicht den lonesome rider im Pressingverhalten gab.
Spielpraxis für Nachwuchsspieler
Mutig war in jedem Fall die Entscheidung, mit Noah Katterbach einem Debütanten die Chance zu geben – und gleichzeitig die vakante Position des Linksverteidigers zu besetzen. Der 18-Jährige erfüllte die ihm gestellte Aufgabe souverän und deutete an, welches Potenzial in ihm schlummert. Vielleicht entwickelt sich der U19-Nationalspieler auch zur Dauerlösung auf der linken Seite, wenngleich sich Birger Verstraetes Rückkehr ins defensive Mittelfeld abzeichnet. Der Belgier dürfte in der kommenden Woche zur Vorbereitung des Paderborn-Spiels wieder ins Mannschaftstraining zurückkehren.
Um den verbliebenen Spielern, die nicht zu ihren Nationalmannschaften gereist sind, ein wenig Spielpraxis zu verschaffen, hat der 1. FC Köln bereits vor einiger Zeit ein Testspiel gegen den Drittligisten Viktoria Köln anberaumt. Mehrere Spieler aus der U19 und U21 füllen für den Trainingsbetrieb den Kader auf. Dazu gehören Sava Cestic, Robert Voloder, Jan Thielmann (alle aus der U19), Vincent Geimer und Oliver Schmitt (beide aus der U21). In Höhenberg werden Marcel Risse, Kingsley Schindler und Matthias Bader nicht spielen können. Einige Spieler werden deshalb auch komplett über 90 Minuten zum Einsatz kommen.
Nach dem freien Wochenende startet die Vorbereitung auf Paderborn
Achim Beierlorzer sagte dem Geissblog.Köln dazu im Vorfeld: „Das Spiel am Donnerstag ist nicht das Wichtigste in dieser Woche. Für uns ist es wichtig, die Woche zu nutzen, um die Aspekte, die wir eingefordert haben, zu verarbeiten. Wir wollen das Spiel für unsere Fitness nutzen, damit es uns leichter fällt, in einem Spiel laufbereit zu sein.“ Und wie man weiß, ziehen Fußballer einen Wettkampf immer dem Training vor. Gleichzeitig bietet das Spiel auch genügend Anlässe für die inhaltliche Weiterarbeit, weil einige Spieler sich zeigen können, die in den bisherigen 100 Tagen unter Achim Beierlorzer wenig zum Einsatz gekommen sind.
Nach einer weiteren Trainingseinheit am Freitag dürfte für die Profis ein trainingsfreies Wochenende anstehen, bevor die Mannschaft dann in die Vorbereitung auf das Spiel am Sonntag gegen Paderborn startet. Im Heimspiel gegen den Mitaufsteiger geht es für den FC dann eindeutig darum, drei Punkte einzufahren – auch damit die Bilanz von Beierlorzer für die nächsten 100 Tage noch besser wird.