Markus Gisdol ist nicht mehr Trainer des 1. FC Köln. Die Niederlage gegen den 1. FSV Mainz 05 besiegelte das Aus des Fußballehrers am späten Sonntagabend. Zuvor hatte Kölns Geschäftsführer Horst Heldt unter der Woche klargestellt, dass nur ein Sieg den FC-Coach in seiner Position halten würde. Leandro Barreiros Siegtreffer in der Nachspielzeit beendete allerdings die 16-monatige Amtszeit des Schwaben in der Domstadt. Zuvor hatte der 1. FC Köln unter Gisdol acht Spiele lang in Folge keinen eigenen Sieg gefeiert, mittlerweile befindet sich der Verein abermals in akuter Abstiegsgefahr. Nach 54 Spielen muss Gisdol nun also die “Geißböcke” verlassen. Unter seiner Leitung gelangen den Kölnern 15 Siege (zwei davon im DFB-Pokal), 13 Spiele endeten unentschieden und 26 Mal (einmal im Pokal) verließ der FC den Platz als Verlierer.
Die nackte Bilanz ist mehr als nur ernüchternd, in der Bundesliga reichte es in der Ägide des einstigen Hamburger und Hoffenheimer Trainers nur zu 52 Punkten aus 51 Spielen – mit einem Punkteschnitt von 1,02 pro Spiel ist Gisdol damit der elfschlechteste Coach in der Bundesligageschichte, die mindestens in 50 Spielen an der Seitenlinie standen. In der vergangenen Saison konnte der FC in erster Linie wegen einer starken Phase zwischen Dezember und März die Klasse halten, als acht Siege aus zehn Spielen gelangen. Nur die Partien gegen den FC Bayern München und Borussia Dortmund gingen in diesem Zeitraum deutlich verloren. Das Duo Jhon Córdoba und Mark Uth, dazu starke Konter und Standardsituationen – das waren die wesentlichen Zutaten für Gisdols beste Phase beim FC.
Auch 18 Spiele ohne Sieg waren kein Grund für eine frühere Trennung
Die „Geißböcke“ bauten dadurch ein beruhigendes Polster im Abstiegskampf auf, blieben aber nach der Unterbrechung durch die Corona-Krise saisonübergreifend 18 Spiele lang ohne eigenen Sieg. Erst im November 2020, als Gisdol bereits gehörig unter Druck stand und viele im Umfeld nicht mehr restlos von ihm überzeugt waren, gelang ein 2:1-Auswärtssieg in Dortmund. Die Erfolge gegen die direkte Konkurrenz aus Mainz, Schalke und Bielefeld und ein überraschender Derby-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach waren die einzigen Erfolgserlebnisse, die der FC seither feiern durfte. Unter dem Strich steht aktuell Rang 17 und ein Rückstand von drei Punkten auf das rettende Ufer – die Zahlen sprechen also deutlich gegen Markus Gisdol.
Die Trennung war daher nur folgerichtig, richtig überraschend kam sie für niemanden mehr. Viele Indizien hatten bereits zuvor darauf hingedeutet, dass Gisdols Zeit in Köln alsbald ein Ende finden würde, zudem hatte der 51-Jährige schon mehrere “Endspiele” überstanden. Problematisch daran, dass die “Geißböcke” sich nach dem 28. Spieltag ihrem Trainer den Laufpass geben, sind eher andere Dinge. Zu kritisieren ist zuvorderst, dass die sportliche Führung des 1. FC Köln den Zeitpunkt verpasste, in der Länderspielpause vor zwei Wochen für einen neuen Impuls zu sorgen. Heldt war zuletzt immer mehr von seinem Trainer abgerückt und hatte zwischen den Zeilen verlauten lassen, dass er sich auch eine Trennung im Sommer hätte vorstellen können. Nach dem 2:2 gegen den BVB vor der Länderspielpause hätte ein neuer Trainer mehrere Tage Zeit gehabt, um sich auf den Endspurt vorzubereiten.
Fußballerische Schwächen des 1. FC Köln sind seit Monaten bekannt
Nun warten in 12 Tagen drei Spiele auf den Feuerwehrmann Friedhelm Funkel, der dem Vernehmen nach für Gisdol übernehmen und laut Heldt einen “Impuls” bringen soll. Inhaltliche Arbeit auf dem Trainingsplatz wird durch die hohe Taktung der Spiele daher eher weniger möglich sein. Aus finanzieller Sicht schlägt diese Trennung nun noch ein weiteres Loch in die Planungen des FC, der im vergangenen Sommer völlig ohne Not den Vertrag mit Gisdol bis 2023 verlängerte und erst vor wenigen Tagen ein Minus von mehr als 20 Millionen Euro bekanntgab. Nun wird also wahrscheinlich eine Abfindung fällig, die Berichten zufolge im höheren sechsstelligen Bereich liegen soll. Nicht vergessen: Die Vertragsverlängerung geschah unter dem Eindruck von zehn Spielen ohne eigenen Erfolg und einem desaströsen 1:6 gegen Werder Bremen am letzten Spieltag der vergangenen Saison. Bereits zum damaligen Zeitpunkt waren mehrere Stimmen laut geworden, Gisdol von seinen Aufgaben zu entbinden.
Horst Heldt und sein Kollege Alexander Wehrle hatten sich aber dennoch dazu entschieden, mit Gisdol als Trainer in die neue Saison zu gehen. Im Sommer wurde viel Geld investiert, um kostenintensive Neuverpflichtungen wie Sebastian Andersson, Ondrej Duda oder Dimitrios Limnios nach Köln zu holen. Wirklich überzeugen konnte bisher nur der Slowake. Torgefährliche Spieler in der Offensive fehlen dem FC, die besten Torschützen sind momentan neben Duda dessen Mittelfeldkollegen Ellyes Skhiri und Elvis Rexhbecaj mit je fünf Toren. Fußballerisch fanden die “Geißböcke” 2020/21 nicht mehr in die Spur, das Fehlen einer klaren spielerischen Identität wurde begleitet von häufigen Formationswechseln zwischen Dreier-, Vierer- und Fünferkette sowie der Degradierung und „Begnadigung“ von Akteuren, die in einer Woche noch in der Startelf standen und in der nächsten Woche auf der Tribüne saßen.
Der 1. FC Köln braucht auch jenseits der Trainerposition Veränderungen
Die Folge daraus waren mehrheitlich inkonstante Leistungen und teilweise bemerkenswerte Unterschiede in der Wahrnehmung der Spiele. Während die Spieler bisweilen kritisierten, dass es so nicht zum Klassenerhalt reichen würde, lobte Gisdol seine Spieler für ihren Einsatz – so zum Beispiel nach dem 0:5 in Freiburg. Öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wie die Strafversetzung einiger Spieler verpufften, die Leistungen der Mannschaft blieben wechselhaft. Heldt betonte dauerhaft, dass er weiterhin an Gisdol festhalten wolle. Die immer lauter werdende Kritik an Spiel- und Herangehensweise des FC konterte der Sport-Geschäftsführer damit, dass er mehr Ahnung habe – und dass der Klassenerhalt in dieser Saison das einzige Ziel sei.
Der #effzeh hat einen neuen Cheftrainer. Bis zum Saisonende übernimmt Friedhelm Funkel.https://t.co/ve0C8WGXpi
— 1. FC Köln (@fckoeln) April 12, 2021
Dieses Ziel ist derzeit stark gefährdet. “Feuerwehrmann” Funkel soll nun retten, was noch zu retten ist, ansonsten steht nach 2018 der nächste Abstieg bevor. Dass die Trennung von Gisdol nun zu spät erfolgte, ist das geringere Problem: Der 1. FC Köln muss sich zwingend mit der Frage auseinandersetzen, mit welchem Führungspersonal er in den kommenden Jahren arbeiten will. Heldt und Alexander Wehrle sind für die Geschäfte verantwortlich und voneinander abhängig – jetzt, wo Heldts Trainer beurlaubt wurde, steht auch die Geschäftsführung mehr denn je in der Kritik. Sie trägt die Verantwortung für die sportliche und finanzielle Situation und war maßgebliche Treiberin, Gisdols Vertrag zu verlängern.
Markus Anfang, Achim Beierlorzer, Markus Gisdol – so lauten die Namen der Trainer, die den 1. FC Köln seit der Zweitligasaison 2018/2019 coachten. Niemand von ihnen konnte langfristig arbeiten. Der FC bleibt ein Verein im ständigen Alarmzustand mit Professionalisierungsbedarf auf vielen Ebenen und es ist dringend notwendig, dass auch jenseits des Trainerpostens über personelle Veränderungen gesprochen wird. Vielleicht ist es daher ganz gut, dass Funkels Zeit auch im Sommer schon wieder endet, sodass eine komplette Neuausrichtung einfacher wird.