Eine Reise, die wir nie vergessen werden. Eine Erfahrung, die wir ohne den 1. FC Köln vielleicht nie gemacht hätten. Unser Autor erklärt nach seinen Eindrücken in und auf dem Weg nach London, warum die Spiele im Europapokal für tausende Kölner nicht nur als Fans, sondern vor allem auch als Menschen eine wahnsinnig tolle Sache sind. Danke effzeh für diese europäische Horizonterweiterung.
Einmal Düren – London und zurück, bitte. So oder so ähnlich hatte es die Dame mit kölschem Herzen gebucht. Von Düren mal eben nach Köln, wie so oft in ihrem Leben, dann ab in den Thalys nach Brüssel, und dann direkt weiter in den Eurostar, quasi unter Wasser rüber auf die Insel, nach London. Stadt wahrgewordener kölscher Europapokal-Träume. Eine Mega-Reise! Ging auch alles gut. Bis Brüssel.
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Hier gab es dann für einige Kölner Fans überraschend, einen strengen Check-In wie am Flughafen. Die noch inneneuropäische Grenze von Belgien über Frankreich nach England, Großbritannien, wird wesentlich intensiver überwacht als einfache Grenzübertritte auf dem europäischen Festland. Die Dame aus Düren nun hatte sich darauf verlassen, dass die Grenzpolizei es mit den Kontrollen nicht ganz so genau nehmen würde, der Führerschein, der reicht doch auch. Reicht er nicht. Der Einstieg in den Eurostar wurde ihr verweigert.
Geld spielt keine Rolle!
Ebenso wie einigen anderen, die zwar vor Abfahrt eintrafen, aber nach Beendigung des Check-Ins samt Passkontrolle. Allesamt wurden auf den übernächsten Zug nach London umgebucht (ohne zusätzliche Kosten!). Die Dürenerin war einen kurzen Moment lang der Verzweiflung nahe. 25 Jahre Warten auf diesen Moment, das Ticket fürs Stadion des Arsenal FC im Rucksack und jetzt sollte sie in Brüssel stranden? Weit gefehlt! An ihrer kleinen Geschichte zeigt sich, wie weit die Liebe zum 1. FC Köln reicht, wie sehr die Menschen sich mit diesem Club identifizieren, welche Verantwortung die effzeh-Chefetage hat, mit diesem Verein ordentlich umzugehen.
Denn die Dürenerin entschied schnell und entschlossen. Ab in den nächsten Zug zurück nach Düren. Ab nach Hause. Es war gerade kurz vor 9 an diesem Morgen in der belgischen Hauptstadt, noch genug Zeit bis der umgebuchte Zug um 15 Uhr gen London aufbrechen würde, inklusive ausführlichem Check-In. Also ab nach Düren, den Ausweis einsacken und schnell zurück. Kosten? Scheiß egal! Wir spielen wieder im Europapokal. Und die Dürenerin, sie war dabei. Sie wird diesen Tag niemals vergessen. Und sie hatte auf dem endgültigen Heimweg nach dem Spiel zig neue Geschichten im Gepäck. Wir auch.
Diese von der Dame aus Düren, bei der ich beim Schreiben eine Gänsehaut bekomme, weil sie mich berührt hat. Aber es gibt noch weitere. Geschichten aus Europa, über Europa, von Europäern und solchen, die es bald nicht mehr sein könnten, fußballerisch aber immer bleiben werden. Was ein Jammer!
Ein ganz normaler Donnerstag
Stellen Sie sich vor es ist ein ganz normaler Donnerstag, ein Arbeitstag wie jeder andere. Und Sie, Sie arbeiten in der belgischen Hauptstadt Brüssel. Immer viel los rund um den Gare du Midi, klar, aber was ist das? Was zum Teufel singen die da? Deutsche, das müssen Deutsche sein, die trinken alle schon, um 10 am Morgen. Der Cafébesitzer am Gare du Midi war vorbereitet auf seine kölschen Gäste. Seine Freundin, eine Deutsche aus Hamburg, durch sie und sein Interesse für Fußball wusste er, was kommen würde. Schnell hatte er fünf, sechs große belgische Bier gezapft. “Klar wusste ich, dass ihr kommt!” Die Kölner, die sind da. Klar.
Angekommen in St.Pancras, London. Zum Einchecken ins Hotel schnell ins Taxi, ist ja gar nicht mehr so viel Zeit jetzt, 5 Uhr. Die Anderen treffen sich schon zum Marsch, Mist, den verpassen wir. Aber da ist Ian, der Taxifahrer. Ian fährt uns zum Hotel, er ist Arsenal Supporter, sein Bruder ein noch Größerer. Wir tauschen uns aus. Er erzählt ganz beeindruckt von den tausenden Kölnern, die bereits in seiner Stadt sind.
Ian freut sich für uns. Er selbst ist eher enttäuscht. Wenger, der hat seine beste Zeit hinter sich, ein großer Trainer, ein Held auf ewig, klar. Aber wann ist er gekommen? Vor über 17 Jahren? Da war er so ungefähr 50. Ian lädt uns am Hotel ab, gibt uns seine Handynummer. Beeilt euch ein bisschen, dann fahre ich euch zum Stadion. Halber Preis! Und wenn ich nach Köln komme, dann rufe ich euch an! Alles klar.
“Have fun, guys”
Er gibt uns eine halbe Stunde, schaffen wir. Ian fährt uns fast bis vors Stadion. Er feiert Momente wie diese genauso wie wir es tun. Er ist etwa so alt wie wir, denkt wie wir. Europäisch. Ist es nicht wunderbar, wie nah wir uns sind? Ian glaubt noch nicht so recht an den Brexit, wie soll das nur werden für die Briten. Es wird ein wenig politisch, dann wieder Fußball. Der 1.FC Köln sei vielen in England immer noch ein Begriff. Balsam auf unsere Seelen, recht glauben können wir es eigentlich nicht. Have fun guys, wir sind da. Danke, Ian.
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Dann nur noch Singen. Denn hier hält man zusammen. In der Kurve im Emirates. In London. In Europa. Jhón Córdoba schießt das schönste Tor des Abends. War sonst noch was? Am nächsten Morgen trudeln die ersten Nachrichten ein. Unser Hotel ist nur etwa einen Kilometer vom Anschlagsort entfernt. Besorgte Nachrichten aus der Heimat. Alles gut? Soweit, ja. Wir sehen die Hubschrauber vom Hotelfenster aus. Gestern Abend noch schwebte einer bis spät in die Nacht über den euphorisierten effzeh-Anhängern. Jetzt ist der Ernst zurück.
Wir müssen nach Hause, hören auf dem Weg zum Bahnhof in London Radionachrichten. Der englische Sprecher erklärt, was für ein gefährlicher Vollhorst dieser Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein muss. Denn Trump hat bereits getwittert. Und dabei mal eben Informationen preisgegeben, die eigentlich nur der Geheimdienst haben kann. Oder er hat einfach mal wild spekuliert. Die englischen Radiomacher fragen sich, was eigentlich schlimmer wäre. So abgeklärt, so unaufgeregt, so intelligent.
Danke, lieber 1. FC Köln
Von wegen englische Medien sind Mist und pauschalisieren nur. Es ist wie bei uns, es kommt darauf an. In England hat die Zeitung mit den großen Lettern nur drei, statt wie bei uns vier. Lesen kann man doch eher andere Blätter. Wie bei uns. Sie sind uns ähnlich diese Briten. Sie denken wie wir. Europäisch. Sie sind Europäer, auch wenn sie die EU mit knapper Mehrheit nicht haben wollen. Danke, lieber 1.FC Köln, dass du uns diesen Trip geschenkt hast. Ich habe schon wieder Gänsehaut. Der 34-Jährige Matthias Lehmann! Im Europapokal! Im Ernst!