Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln werden wir in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen stellen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Wir sind nicht nur gespannt, wieviel effzeh in den Anhängern der anderen Bundesligisten steckt, sondern erwarten auch eine Einschätzung zur Situation der eigenen Mannschaft.
Das letzte Spiel bei Werder Bremen dürfte vielen effzeh-Fans in Erinnerung geblieben sein. 2:0 zur Pause im Weserstadion geführt – und dank des wunderbaren Schiedsrichters und eines Dreierpacks von Claudio Pizarro ohne Zähler nach Hause zurückgeschickt. Bittere Erinnerungen: In Bremen gewann der glorreiche effzeh zuletzt gefühlt durch eine Monstergurke von Monstergurke Stefan Kohn. Genug in der Vergangenheit geschwelgt: Vor dem Duell beim Tabellenletzten aus dem hohen Norden sprachen wir mit SVW-Fan Steffen, Blogger bei HB-People und als Fanreporter in der Werder-Vorbereitung aktiv gewesen, über die aktuelle Situation an der Weser, Michael Weiner, das große Plus im Abstiegskampf und die Schwierigkeiten des effzeh-Logos.
effzeh.com: Tabellenschlusslicht, 0:6-Schlappe in München, Diskussionen um den Trainer und den Aufsichtsrat – wie viele Michael Weiners braucht ihr am Freitag für einen Heimsieg?
Steffen: Dem Weiner lastet man in Köln heute noch den Platzverweis für Sereno mit dazugehörigem Elfer an? War ein tolles Spiel damals mit 3:2 für uns nach 0:2. Wir sollten alle froh sein, dass weder Weiner noch Dr. Drees am Freitag pfeifen. Glück mit dem Schiri würde Werder eigentlich mal wieder zustehen, aber so wollen wir am Ende dann auch nicht gewinnen. Für die ganze angespannte Situation momentan wäre ein überzeugendes Spiel mit 3 verdienten Punkten jedenfalls deutlich hilfreicher und bis auf das Spiel bei den Bayern war Werders Leistung insgesamt nicht so unterirdisch, dass man ausschließlich auf die Hilfe des Schiedsrichters bauen müsste.
effzeh.com: Vor kurzem habt ihr “10 Jahre Double” gefeiert, Werder gehörte lange zu den absoluten Spitzenklubs des Landes, jetzt ist der Verein ein Abstiegskandidat. Eine Entwicklung, die sehr an den effzeh in den Neunzigern erinnert. Was hat Euch bloß so ruiniert?
Steffen: Bei der Frage kommt einem Werderfan direkt das vielzitierte vom dicken Klaus (Allofs, Anm. d. Red.) angeblich hinterlassene „bestellte Feld“ in den Sinn. Werder hat recht unvorbereitet 2004 den Sprung vom Mittelklasseteam in die Champions League geschafft, Ailton und Krstajic direkt ablösefrei verloren und ab dem Sommer 2004 dann Gehälter und Transfersummen bezahlt, die dem Umsatz dieser erfolgreichen Zeiten zwar angemessen, aber mit denen der Doublesaison und den eigentlichen Möglichkeiten Werders nicht ansatzweise vergleichbar waren. Allofs hatte mit Diego noch einen Supertransfer, aber danach ließ seine Erfolgsquote deutlich nach, was auch daran lag, dass sich die Gegner mit den Jahren immer besser auf die Schaafsche Spielweise einstellten. Wenn man 2007 die Meisterschaft mit dem Bombenkader am Ende nicht so fahrlässig in Bielefeld und gegen Frankfurt verspielt hätte, wäre eventuell eine nachhaltigere Entwicklung möglich gewesen, danach ging es dann zunächst spielerisch und später auch in der Tabelle bergab. Als dann die Einnahmen des Europapokals fehlten, war das Runterschrauben der Kosten schwierig, zumal genau in die Zeit auch noch der Stadionumbau mit seinen Belastungen fiel. Man darf nicht vergessen, dass Bremen am Ende keine WM-Stadt wurde und somit im Vergleich zu den Städten und Vereinen, die ihre Stadien nicht vollständig auf eigene Kosten zukunftsfähig machen mussten, deutlich im Nachteil ist. Allofs hat keine gesunde Anpassung an die neuen Gegebenheiten geschafft, von daher sucht man das bestellte Feld an der Weser noch heute. Jetzt ist Werder durch die verantwortungsbewusste Arbeit von Eichin und seinen Kollegen dem Vernehmen nach wieder auf einem Gehaltsniveau, das zum Umsatz passt, allerdings nicht die großen sportlichen Sprünge verspricht. Trotzdem bin ich der Meinung, dass Eichin und Dutt einen Kader zusammengestellt haben, der absolut bundesligatauglich ist und mit den nachrückenden Nachwuchsspielern Mut für die Zukunft macht.
effzeh.com: Wie wird die aktuelle Krise bei Euch im hohen Norden aufgenommen? Beim effzeh brannte es in der Vergangenheit ja immer recht schnell im Umfeld.
Steffen: Es gibt natürlich die üblichen Facebookhasskappenträger und Leute, die nun in jeder Kleinigkeit den großen Untergang sehen. Ich habe in den letzten Wochen festgestellt, dass der Unmut allgemein steigt und sollte Werder gegen euch nun verlieren, bin ich im negativen Sinne auf die Reaktion gespannt. Nach der ALLEzGRÜN Aktion Ende der 12/13er Saison und der großen Unterstützung z.B. in Leverkusen und Mainz nach den Spielen in der letzten Saison haben wir Werderfans quer durch Deutschland große Anerkennung erfahren. Es kamen aber zuletzt auch Stimmen auf, die in die Richtung gehen, dass nur positiver Druck und eine gewisse Kuschelmentalität auch kontraproduktiv sein können. Trostschokolade unter den Scheibenwischern der Spieler ist mir diese Saison jedenfalls noch nicht aufgefallen. Insgesamt finde ich es aber gut, dass hier nicht mit hasserfüllten Gesichtern von den Zäunen gebrüllt und der Support verweigert wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Werder in einem der letzten beiden Jahre ohne die Unterstützung der Fans abgestiegen wäre und dieses große Plus im Abstiegskampf sollten wir uns bewahren.
effzeh.com: Was sind denn für dich die wenigen positiven Aspekte des bisherigen Saisonverlaufs? Abgesehen von der aktuellen Situation: Hälst du den moglichen Abstieg für realistisch?
Steffen: Der Abstieg ist realistisch, dafür muss man nur auf die Tabelle schauen. Die Saison ist aber erst 8 Spiele alt und wenn man sich exakt diese 8 Spiele aus der Vorsaison ansieht, dann stellt man fest, dass Werder dort nur einen Punkt mehr holte als jetzt. Nun sollte man aber nicht dem Spielplan nachweinen, sondern die Arbeit fortsetzen, die zu Saisonbeginn für Hoffnung sorgte. Ich war mit Werder für eine Woche als Fanreporter im Trainingslager und was ich da an Übungen zu Spielzügen, Pass- und Laufwegen und Pressingsituationen gesehen habe, macht wirklich Hoffnung auf Besserung. Ansatzweise, ganz besonders in Leverkusen, hat man diese Elemente auch schon in Werders Spiel gesehen und das muss jetzt dringend gefestigt werden. Klappt das nicht und bekommt man die individuellen Fehler in der Defensive nicht in den Griff, wird es diese Saison wahrscheinlich nicht reichen, da man sich nicht jedes Jahr darauf verlassen kann, automatisch 6 Punkte gegen den HSV zu holen.
effzeh.com: Meinst du, dass Marco Bode als neuer Aufsichtsrats-Boss neue Impulse für die weitere Entwicklung des Vereins setzen kann? Oder hast du Bedenken hinsichtlich seiner langen Werder-Historie und einer möglichen Betriebsblindheit?
Steffen: Bode ist nach meiner Einschätzung nicht betriebsblind, sondern wohl einer der aufrichtigsten und intelligentesten Menschen, die sich im deutschen Fußball je bewegt haben. Werder kann wirklich froh sein, dass Bode nun mehr Verantwortung übernimmt. Neue Impulse kann er als Aufsichtsratsvorsitzender sicher setzen, allerdings ist er in der Rolle ja nicht Herrscher über das operative Geschäft. Ich erhoffe mir trotzdem, dass er durch die richtige Mischung aus fußballerischem und wirtschaftlichem Sachverstand für die Geschäftsführung ein gefragter Ansprechpartner sein wird, dessen Wort Gewicht hat. Ich kenne außerdem keinen Bremer, der sich nicht mit Bode an einen Tisch setzen würde und da er im Gegensatz zu Lemke, der durch seine UN-Verpflichtungen häufig außer Landes ist, rein räumlich näher dran sein wird, kann er seine Rolle hoffentlich etwas weitreichender ausüben.
effzeh.com: Ein Blick nach Köln: Was verbindest du mit dem glorreichen effzeh? Und worum beneidest du den Klub?
Steffen: Mit dem 1. FC Köln verbinde ich schon etwas mehr, als das bei den meisten anderen Clubs der Fall ist. Deshalb freue ich mich auch, dass ihr zurück in der Bundesliga seid und hoffentlich bleibt ihr nun auf Dauer. Als Kind habe ich mir in jeden Sommerferien das Kicker Sonderheft geholt und die Wappen der Tabelle nachgezeichnet. Dortmund, Hamburg, Kaiserslautern waren da wenig anspruchsvoll, Werders W war nicht mehr ganz so leicht, aber der Kölner Geißbock und der Dom erfüllten mich schon immer mit einem gewissen Stolz, wenn ich sie dann halbwegs sauber zu Papier gebracht hatte. Darüber hinaus war ich immer ein großer Fan von Bodo Illgner und somit habe ich mich über Kölner Punkte zu seiner Zeit immer gefreut. Auch in meinem Freundeskreis tauchen immer wieder Köln-Fans auf, mein HB-people Kollege Pascal ist z.B. eingefleischter Fan, weshalb wir vor dem Spiel am Freitag schon ein kurzes Fußballduell bei uns auf der Seite hatten. Ihr könnt meinetwegen also sehr gerne fleißig Punkte sammeln, nur nicht unbedingt diese Woche.
effzeh.com: Der effzeh besiegte vergangenes Wochenende den BVB, während ihr in München chancenlos wart. Wie groß ist die Angst vor dem amtierenden Zweitligameister
Steffen: Ich habe leider diese Saison noch kein Kölner Spiel über 90 Minuten unabgelenkt verfolgen können, daher fällt mir eine tiefere taktische Analyse schwer. Ich sehe insgesamt aber eine Mannschaft, die defensiv sehr vernünftig steht und sich sinnvoll verstärkt hat. Mit langen Bällen werden wir euch am Freitag nicht schlagen können, daher hoffe ich auf eine kreative Besetzung von Werders Mittelfeldzentrale. In Köln wird offensichtlich gut gearbeitet, Stöger ist ein Original und ein Fachmann zugleich und bis jetzt muss man sich nach den bisher gezeigten Auftritten weit weniger Sorgen um den 1. FC Köln als um den SV Werder Bremen machen. Von daher ist auf jeden Fall großer Respekt da. Angst möchte ich nicht sagen, da Werder dann wahrscheinlich die Leistung von München wiederholt.
effzeh.com: Zum Abschluss: Dein Tipp für die Partie!
Steffen: Wenn Werder es spielerisch und kreativ probiert, die langen Bälle unterlässt und sich hinten konzentriert, dann gewinnen wir. Spielt Werder mit der bisherigen Taktik, muss man auf ein ungeschriebenes Gesetz hoffen: Werdertrainer retten sich grundsätzlich mit einem Sieg, wenn gerüchteweise ein Endspiel ansteht. Von daher: 3:2 für Werder, dieses Mal gibt di Santo den Pizarro und erzielt alle 3 Tore.