Als wir an einem Freitagabend im März 2020 den Auswärtsblock des Paderborner Stadions verließen, ahnten wir nicht, dass dies der letzte Stadionbesuch für lange Zeit werden sollte. Quasi das letzte Spiel der alten Zeitrechnung, v.C. (vor Corona). Umso aufgeregter war ich, dass ich am vergangenen Samstag unter den glücklichen 200 normalsterblichen FC-Mitgliedern war, die sich gleich zwei Testkicks des ruhmreichen 1. FC Köln im heimischen Franz-Kremer-Stadion ansehen durften. Halleluja, endlich wieder Stadion, endlich wieder FC!
Die Tickets gab es sogar kostenlos, im Vorfeld mussten wir uns lediglich registrieren und persönliche Daten zur Rückverfolgung angeben. Bislang kannte ich es so, dass am Eingang Listen ausliegen, in die man sich eintragen muss. Und der gastgebende Verein muss hoffen, dass alle brav ihre richtigen Daten angeben. Und ich könnte theoretisch mitlesen, wer so im Stadion ist. Datenschutzrechtlich bestimmt eher schwierig, insofern hat der FC diese Hürde gut gemeistert, so mein erstes Zwischenfazit. Mit aufgesetzter Mund-Nase-Bedeckung und frisch desinfizierten Händen also rein ins Vergnügen…
Verrammelte Bierbude, abgesperrte Stehplätze: Leeres Franz-Kremer-Stadion gibt zu denken
Ich bin diesen Weg ins Stadion schon oft gegangen. Also rein in die gute Stube, vorbei am Toilettenwagen, an der Fressbude und am Getränkestand. Dann ein paar Stufen hinab, rechts neben mir hänge die Plakette, die an Franz-Kremer, den ersten Präsidenten und Namensgeber des Stadions erinnert, vorbei am Spielertunnel und schon ragt zu meiner linken die Tribüne auf, auf der ich meistens sofort Menschen sehe, die ich kenne. Ich bin sonst regelmäßig hier und schaue mir Spiele der Amateure oder der Jugend an, aber ich muss gestehen, der Anblick des (leeren) Franz-Kremer-Stadions machte mich etwas nostalgisch. Diesmal stand dort kein Pommes-Wagen, der Getränkestand war verwaist und verrammelt und viel schlimmer: keine Freunde, mit denen ich diese Erlebnisse teilen kann.
Doch zurück zum Programm: Angepfiffen wurde die erste Partie um 16 Uhr. Sparringpartner war der sympathische Oberligist SV Deutz, die den Weg von der Schäl Sick aus angetreten hatten. Im direkten Anschluss ab 18 Uhr trat unser FC gegen den niedersächsischen Oberligisten Blau-Weiß Lohne an. Dieser Doppler, für geübte Hopper ein ganz normaler Samstag, heißt für alle anderen: vier Stunden auf den ungemütlichen Sitzen im Franz-Kremer abhängen, bis der Hintern einschläft.
Foto: effzeh.com
Nicht der ersehnte Befreiungsschlag
Ich mach‘s kurz: Das lang ersehnte Wiedersehen mit meinem geliebten 1. FC Köln war nicht der ersehnte Befreiungsschlag, auf den ich gehofft hatte. Eventuell sind die ausbleibenden überbordenden Emotionen den Testspielen geschuldet, doch ich glaube, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Die Pandemie ist auch am Sonntag nach unserem Wiedersehen noch da und schränkt unseren Alltag weiterhin ein. Es war einfach nur ein stinknormaler Testspiel-Samstag in Zeiten von Corona: Das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung war zu jedem Zeitpunkt angesagt, sämtliche Stehplätze waren mit Flatterband abgesperrt und auch die meisten Sitzplätze waren abgeklebt und durften nicht besetzt werden. Selbst wer sich kannte, durfte nur in Zweiergrüppchen zusammensitzen.
Foto: effzeh.com
Und während ich da so saß und meine Gedanken schweifen ließ, da formierte sich ein Gedanke in meinem Kopf: Das, was für mich die Faszination 1. FC Köln ausmacht, ist nicht nur die Mannschaft, das reine Spiel und das Gewinnen. Was ich in der Corona-Zeit am meisten vermisst habe, das waren meine Freunde, mit denen ich zum FC fahre. Ich vermisse die farbenfrohe und verrückte Südkurve, ich vermisse Gesänge und Gegnerschmähungen, ich vermisse Flutlichtatmosphäre und ich vermisse die Energie, die Ekstase, in die wir uns und die Mannschaft singen können. Ich vermisse es, freudentrunken fremden Menschen in die Arme zu fallen und ja, verdammt noch mal, ich vermisse vielleicht auch ein bisschen die unfreiwilligen Bierduschen nach einem geilen Tor. Ich vermisse es, die Anspannung und die Freude einfach rausschreien zu können. Doch all das wird es nicht geben, bis ein Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt wird. Und das ist vollkommen okay so. Ich kann warten. Denn das ist die einzige Möglichkeit, die wir haben.
Erst wenn die Forschung einen Impfstoff gegen das Corona-Virus gefunden hat, so finde ich, können wir wieder mit gutem Gewissen in die Stadien zurückkehren. Wir werden eine Normalität während der Pandemie nicht mit personalisierten Tickets, Körperscannern oder Teileinlässen schaffen können. Das ist eine Illusion und dient einzig dem Zweck, die Maschinerie am Laufen zu halten. Mein Entschluss ist nach diesen Corona-Testspielen klarer denn je: Ganz oder gar nicht. Und solange es nicht „Ganz“ heißt, bleibe ich mit dem Arsch zu Hause.