Für fast 50 Jahre war Rolf Herings ein wichtiger Bestandteil des 1. FC Köln. Der ehemalige Speerwerfer gehörte zu dem effzeh wie der Dom zu Köln. Ein Nachruf.
Da saß er mir also gegenüber, Rolf Herings. Eine Institution des 1. FC Köln! Er hat selbst nie professionell Fußball gespielt, gehörte aber zu diesem Verein wie der Dom zu Kölle oder wie Geißbock Hennes in das FC-Wappen. Wir wollten im Sommer 2016 über das berühmte Double von 1978 reden, Filmemacher Frank Steffan befragte den ehemaligen Deutschen Meister im Speerwurf und der rüstige Herings antwortete, plauderte und gab herrliche Anekdoten aus dieser Zeit zum Besten. Was konnte dieser Mann nicht alles erzählen? Logisch, er war schließlich der fleischgewordene 1. FC Köln.
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Rückblende: Es ist 1972 und ich stehe als achtjähriger Steppke hinter dem Tor des 1. FC Köln. Ab und zu geht ein scharf geschossener Ball vorbei und ich darf das Leder (damals war es tatsächlich noch aus Leder) zurückwerfen. Im Tor steht Gerd Welz, die Nummer 1 des 1. FC Köln und muss sich mächtig strecken. Einen hammerharten Schuss nach dem anderen bekommt er um die Ohren geballert. Oft gehen die Bälle rein, Welz muss Schwerstarbeit verrichten, hat aber vielfach keine Chance, obwohl er ein anerkannter Top-Torwart der Liga ist. Der Schütze ruft ihm etwas zu, Welz dreht sich ab. Er flucht, er ist unzufrieden, dass er so wenige Bälle parieren konnte.
Ein Unikat in Diensten des 1. FC Köln
Ins Tor geht ein etwas zappelig wirkender Jüngling. Es ist die Nummer, 2, Harald Schumacher heißt er und er war in der Folge zu bedauern. Denn der Mann, der dank seiner extrem ausgeprägten Oberschenkelmuskulatur so hart schoss, war eben dieser Rolf Herings und der nahm ihn nun besonders ran. Dies alles war ein Novum in der Bundesliga, denn Torwarttrainer gab es praktisch nicht. Offiziell nannte sich Herings auch Konditionstrainer, aber irgendwer musste sich um die Schlussmänner kümmern und das machte eben auch der ehemalige Leichtathlet und Olympia-Teilnehmer im Speerwurf.
Rolf Herings sah viele Trainer kommen und gehen. Er aber blieb dort bei seinem effzeh und erlebte unter anderem einen seiner ehemaligen Studenten von der Sporthochschule, wo der gebürtige Rheydter ebenfalls aktiv war. Der Name des ehemaligen Studenten war Peter Neururer, der seinen vormaligen Dozenten und Vorgesetzten sogleich damit konfrontierte, dass dieser zwar Torwart-Trainer bleiben könne, aber als Co-Trainer nicht mehr zum Einsatz kommen sollte. Neururer schrieb die Reaktion von Herings in seinem Buch nieder: „Hür ens, Pitter, dat eine sach ich dir. Ich han he beim FC 19 Trainer üvverläv. Un dich, dich üvverläv ich och noch.“ Er sollte damit recht behalten und die Anzahl der überlebten Trainer sollte sich noch steigern.
Als Interimstrainer die Bayern niedergerungen
Aber Herings konnte nicht nur die Spieler schleifen oder die Torhüter scheuchen, Herings konnte auch Cheftrainer. Immer wenn es beim effzeh einmal auf dieser Position eng wurde, sprang er ein. Dabei wurde ein Spiel unter seiner Regie zur Legende. Am 12. April 1972 spielte der effzeh in der alten Radrennbahn das Rückspiel im DFB-Pokal gegen Bayern München, der Trainer der “Geißböcke” hieß zu diesem Zeitpunkt Rolf Herings. Dieser hatte die Mannschaft heiß gemacht wie selten, schließlich war das Hinspiel gegen die Gäste mit 0:3 verloren gegangen.
Mittelfeldspieler und effzeh-Ikone Heinz Flohe erinnerte sich in einem seiner wenigen Interviews mit dem Autor Bernd Imgrund noch lebhaft an die Begleitumstände: „Da hatten wir das Hinspiel in München 3:0 verloren. Ein astreines Tor von Glowacz war uns aberkannt worden, weil der Franz (Beckenbauer) auf den Schiedsrichter eingeredet hatte. Denen haben wir schon da gesagt: Wenn ihr nach Köln kommt, dann kriegt ihr Rames. Anfang der 2. Halbzeit führten wir 4:0, am Ende stand es 5:1 und wir waren im Halbfinale.“
Mentor für Schumacher und Illgner
Letztlich füllte Herings aber die Rolle des Torwarttrainers immer konsequenter aus, machte aus dem ehemaligen „Zappelphilipp“ Harald „Toni“ Schumacher einen der weltbesten Torhüter der achtziger Jahre. Auch Schumachers Stellvertreter Gerald Ehrmann formte er zu einem Topmann zwischen den Pfosten, der seine Künste aber erst in Kaiserslautern unter Beweis stellen konnte, da er schlichtweg an dem kölschen Platzhirschen nicht vorbei kam. Als Toni dann plötzlich abdanken musste, stand aber mit Bodo Illgner wieder ein von Herings entwickelter Top-Torwart zur Verfügung und reifte ebenfalls zur internationalen Klasse, wurde Weltmeister und gewann später mit Real Madrid die Champions League.
Mit Rolf Herings verliert der 1. FC Köln nun einen erfolgreichen Trainer, der natürlich auch seinen Anteil an Pokalsiegen und der Meisterschaft hatte. Er verliert aber auch ein großes Stück Seele des Vereins, denn es sind die Menschen, die den Club ausmachen. Für mich persönlich bleiben zwei Bilder: die zu Herings zurückgeworfenen Bälle und die kurze Begegnung bei den Dreharbeiten zum Double. Dazwischen lagen 44 Jahre, in denen Herings und der 1. FC Köln eine Symbiose bildeten. Er war eben immer da! Dass dem nun nicht mehr so sein soll, ist kaum zu glauben und macht sehr traurig.
Danke, Rolf Herings! Für ein Leben für den effzeh. Ruhe in Frieden.