Es gibt Niederlagen, die kommen durch das Eingreifen einer höheren Macht zustande. So geschehen vergangene Woche, als der effzeh denkbar unglücklich mit 0:1 gegen Hannover 96 den Kürzeren zog. Dann gibt es Niederlagen, die einfach und allein durch die irdische Macht des Gegners zustande kommen, wie es gestern in der Allianz-Arena zu München zu beobachten war.
Statistikfreunde und –nerds stellten sich vor dem Spiel die Frage, ob es a) den 1000. Sieg des FC Bayern oder b) den 200. Auswärtssieg des effzeh in der Bundesligageschichte geben würde. Man musste kein allzu großer Prophet sein, um zu erkennen, dass die Chancen auf Letzteres vergleichsweise gering waren und nur die kühnsten Optimisten (respektive Träumer) rechneten mit einer Wiederholung des Brosinski-Moments aus dem Jahr 2009. Die Unausweichlichkeit einer Niederlage in München brachte der ansonsten nicht unbedingt für philosophische Bonmots bekannte Ex-Bremer Sebastian Prödl in der vergangenen Saison treffend auf den Punkt. Für seine Aussage „München ist wie ein Zahnarztbesuch. Muss jeder mal hin. Kann ziemlich wehtun. Kann aber auch glimpflich ausgehen.“ erhielt er vergangenen Freitag verdientermaßen den Preis für den besten Fußballspruch des Jahres. Dadurch verstärkte er den Eindruck, dass der effzeh am selben Tag eher zu den Wurzelbehandlungen unter den Auswärtsspielen aufbrach.
Unerwartetes
Wenn wir schon mit Fußballzitaten umherschmeißen, können wir auch auf Sepp Herbergers Zitat „Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht“ hinweisen, denn jedes Spiel beginnt bekanntlich bei 0:0. Dass Peter Stöger in Anbetracht der schieren Qualität des FCB jetzt kein Offensivfeuerwerk des effzeh plante, war wenig überraschend. Die Stärken des effzeh liegen definitiv woanders, hohe Kompaktheit und sauberes Verteidigen sind seit dem Wiederaufstieg die wesentlichen Charakteristika seiner Mannschaft. Ein hohes Angriffspressing wäre also nicht das geeignetste Mittel gegen den FCB gewesen. Dementsprechend gab Stöger das Credo der totalen Defensive aus, woraufhin Osako, Olkowski und der verletzte Bittencourt aus der Mannschaft rotierten. Vogt und Maroh rückten als Verstärkung der Defensive ins Team; Letzterer rückte zwischen Heintz und Sörensen, während Vogt zusammen mit Matthias Lehmann ein extrem defensives Mittelfeldzentrum bildete. Flankiert wurden beide auf den Außenpositionen von Yannick Gerhardt und Simon Zoller, welche die Außenverteidiger Hector und Risse in der Defensivarbeit unterstützen und mit schnellen Gegenangriffen die Bayern unter Druck setzen sollten. Anthony Modeste fungierte als einziger Stürmer, der dem effzeh-Spiel die nötige Entlastung und Tiefe geben sollte.
Nichts unerwartetes auf dem Feld
Dieser Plan ging auch bis zur 35. Minute und dem ersten Tor der Bayern auf. Köln arbeitete gut organisiert und überließ den Bayern Ball und Raum, um dann knapp 20m vor dem eigenen Tor den Riegel zuzuschieben. Dabei hatte der effzeh neben aller Münchner Dominanz auch einige Kontersituationen, welche nicht mit letzter Konsequenz zu Ende gespielt wurden. In einigen Gleich- und sogar Überzahlkontern fehlte den effzeh-Spielern wohl einerseits die Kraft, aber andererseits auch das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, woraufhin Peter Stöger nach dem Spiel zurecht bemängelte, dass man aus eben jenen Situationen zu wenig gemacht habe. Die Umschaltspieler Gerhardt und Modeste sorgten noch für die meiste Entlastung, doch meistens fehlte der letzte Pass in die Spitze, sodass Manuel Neuer nur einmal gegen einen Schuss von Simon Zoller eingreifen musste.
Ansonsten dominierten aber die Münchner und hatten gefühlt 120% Ballbesitz. Manuel Neuer stand in der vielzitierten realtaktischen Aufstellung wahrscheinlich noch höher vor dem Tor als der tiefste Kölner, meistens Dominic Maroh. Mit zunehmender Spieldauer bewies Guardiola einmal mehr seine großen Fähigkeiten in Sachen In-Game-Coaching, seine punktuellen Anpassungen (vorallem die veränderte und fortan dynamischere Rolle David Alabas) brachten noch vor der Pause die Vorentscheidung zum 2:0. Beim 1:0 reagierte Arjen Robben im Strafraum am schnellsten, er nahm einen losen Ball im Strafraum nach einer Maroh-Grätsche gegen Lewandowski auf und schloss eiskalt ab. Dem 2:0 ging ein Tempodribbling des jungen Franzosen Kingsley Coman voraus, bei dem der effzeh es verpasste, ihn in eine Unterzahlsituation zu zwingen. Im Eins-gegen-Eins gegen Marcel Risse konnte sich Coman durchsetzen und den Ball in den Rücken der Abwehr legen, aus dem Vidal zur Vorentscheidung in diesem Spiel abschloss.
Der zweite Durchgang verlief dann etwas ruhiger, allerdings natürlich mit derselben Grundtendenz. Der effzeh veränderte seine Grundordnung nicht, verteidigte aber in letzter Konsequenz ein wenig unkonzentrierter als noch am Anfang. Das 3:0 erzielte Lewandowski ziemlich freistehend nach einer Standardsituation, selbst einem Stürmer geringerer Qualität sollte man in der Bundesliga nicht so viel Platz lassen. Dem 4:0 ging ein Foul von Dominic Maroh an Robert Lewandowski voraus, welches allerdings auch vermeidbar war, da Lewandowski in Unterzahl Richtung Torauslinie dribbelte und eigentlich keine unmittelbare Gefahr von ihm ausging. Unter dem Strich endete das Spiel mit dem standesgemäßen Ergebnis von 0:4 aus Kölner Sicht, wesentlich schlimmer in den Auswirkungen könnten allerdings die Verletzungen von Leonardo Bittencourt im Vorfeld des Spiels und von Yannick Gerhardt sein, der nach einem Pressschlag mit dem alten Raubein Philipp Lahm auf Gehstützen aus dem Münchner Stadion humpelte. In Hinblick auf das Auswärtsspiel im Pokal gegen den SV Werder Bremen fehlen dem effzeh wahrscheinlich zwei wichtige Stammkräfte.
Ohne Emotionen
Abschließend noch ein paar Überlegungen zum Dasein eines Bayern-Fans, welche einzig und allein mit der Frage in ein Spiel gehen, wie hoch ihre Mannschaft denn heute gewinnen wird. Wenn eine unglückliche und auch unverdiente Niederlage gegen ein europäisches Topteam wie den Arsenal FC (der seinerseits auf ähnlich schlechte statistische Werte kam wie der effzeh) bereits als mittelschwere Katastrophe abgetan wird, erkennt man gut die Kräfteverschiebungen im deutschen und europäischen Fußball. Da Fan-Sein aus (nicht nur) effzeh-Sicht in erster Linie Leiden bedeutet, kann man ruhig mal nachfragen, worüber man sich als Bayern-Fan denn so aufrege, denn zugegenermaßen gab es in der Vergangenheit dazu wenig Grund. Es geht hier nicht um eine Neid-Debatte, vielmehr um die Emotionalität der Fans und den Umgang mit Erfolg. Ich bin sogar bereit zu sagen, dass ein unerwarteter Auswärtssieg (wie auf Schalke) für effzeh-Fans wahrscheinlich mehr Wert zu sein scheint als drei aufeinanderfolgende Siege der Bayern. Man wird mir Neid vorwerfen, vielleicht auch mit Recht, denn schließlich ist ultimativer sportlicher Erfolg ja das Ziel allen Strebens, aber Imperfektion hat auch ihren Charme. In allen Lebensbereichen und vor allem beim effzeh.
Dennoch Gratulation an den FCB und „Champs-Elysées“, wie dessen Vorstandsvorsitzender sagen würde.