„Wollen Sie mit mir deutscher Meister werden?“ Die Worte von Franz Kremer liegen wie ein Fluch über dem Verein. Auch weil der Boss immer alles erreicht hat, was er erreichen wollte. Er war ein Visionär, der geradlinig sein Ziel verfolgte und dabei keine Gefangenen machte. Er erkannte, dass Köln einen großen Verein brauchte, er erkannte, dass eine Liga dem deutschen Fußball gut tun würde und letztendlich war er es, der den ersten Fußballer hauptberuflich einstellte, also den Weg zum Profifußball ebnete. Ein starker Mann, der alle Fäden in der Hand hatte, der aber auch sehr rigoros war. Wer schlecht spielte musste privat bei ihm „antreten“. Was dort passiert ist nicht öffentlich dokumentiert. Und ihm wird nachgesagt, dafür gesorgt zu haben, dass Alemannia Aachen nicht in der ersten Saison der ersten Bundesliga dabei war. Natürlich sind das alles Anekdötchen aus dem nebulösen Umfeld.
„Wollen Sie mit mir den Umbruch schaffen?“ Diese Worte könnte man Werner Spinner fast genau 65 Jahre später in den Mund legen. Wir stehen vor einer ähnlichen Situation wie das Nachkriegs-Köln im Jahre 48. Es muss etwas passieren. Überall boomt der Fußball, die Stadt ist im wirtschaftlichen Aufschwung, einzig der größte Fußballverein tut sich schwer. Der große 1. FC Köln hat sich in den letzten Jahren in Grabenkämpfen verzettelt, die Fans sind zerstritten und einzelne Kölner halten die Fahne der sinnlosen Gewalt unter Fußballfans in ganz Deutschland hoch. Vereinzelt werden Stimmen im Lande laut, die den Verein in die Amateurwelt wünschen.
Werner Spinner sprach es nicht wortwörtlich aus, aber letztendlich haben alle Mitglieder seinem Vorhaben, einen neuen effzeh zu schaffen zugestimmt. Weg von Ausgrenzung der Fans, weg von Grabenkämpfen, weg von Söldnerwesen in der Profimannschaft. Ein transparenter Verein, der im Dialog mit seinen Fans steht, sich auch für deren Probleme interessiert, der mehrmals täglich informiert, was wann wie und wo passiert und der letztendlich die eigenen Jungs fördert oder Ausschau hält nach hoffnungsvollen Talenten, die den Verein weiterbringen und evtl. mal irgendwann gewinnbringend verkauft werden können. Von Anfang an wurde auch klar verkündet, dass spontaner Erfolg sekundär sei.
Und hier liegt ein großes Problem, vor allem in der Medienstadt Köln. Gemessen wird am sportlichen Erfolg, und der stellt sich zur Zeit nicht ein. Also werden alle positiven Gedankengänge über Bord geworfen und man verfällt wieder in alte Verhaltensmuster. Das Handeln der Verantwortlichen, das bisher von der Mehrheit unterstützt wurde, wird in Frage gestellt. Der Weg, der bisher als der einzig mögliche galt, soll auf ein mal der falsche sein. Die jungen Spieler sind einer solchen Situation gar nicht gewachsen, obwohl man vorher genau hier eine große Chance sah. Langsam tauchen auch Fragen auf, ob man die richtigen Spieler abgegeben und die falschen behalten habe. Letztendlich wartet man nur noch darauf, dass der Weg des Vereins zu mehr Transparenz und zum Fandialog kritisiert wird.
Das Glanzstück kölscher Fankritik spielt sich aber mal wieder zur Zeit in diversen Foren und sozialen Netzwerken ab:
Vor ein paar Wochen noch, hat sich eine Initiative gegründet. Angeregt vom Fall Pezzoni plädiert man hier für mehr Verständnis, Gewalt ist keine Lösung, die Spieler müssen besser geschützt werden. Zu lange hatte man den Spieler einer öffentlichen Kritik ausgesetzt, zu lang wartete man auf den einen spielentscheidenden Fehler im Spiel. So lange, dass der Spieler Angst hatte im heimischen Stadion aufzulaufen und als Folge dieser Hetzjagd sogar privat bedroht wurde. Zu lange hatte man die Sau durchs Dorf getrieben. Sie war gebrandmarkt und zum Abschuss frei gegeben. Durch überlegtes Handeln aller Seiten konnte sie vor dem Schlachter bewahrt werden. Und nun haben die „Fans“ offensichtlich ein anderes Problem: keine Sau mehr! Was liegt da näher als sich eine zu besorgen? Nachdem beim letzten Heimspiel sich langsam Adil Chihi als nächste Sau herauskristallisierte ist es nach dem Spiel bei Union offensichtlich. Miso Brecko, der Kapitän, ist der Schuldige für alle Missstände in und um Köln. Seine 2 Fehler in dem Spiel werden dazu führen, dass der effzeh am Ende absteigt.
Spielanalyse
Ganz klar das schwächste Spiel unter Stanislawski, das gibt dieser auch unumwunden zu. Zu wenig Kampf, zu wenig Biss, zu wenig Einsatz, zu wenig Laufbereitschaft. Und das obwohl man vorher wusste, was einen in der alten Försterei erwartet. Stani ist resigniert, enttäuscht von seinen Spielern. Und das zurecht. Und ich denke die Spieler wissen das, jeder einzelne, nicht zuletzt Miso Brecko, der sich bisher immer vorbildlich verhalten hat, immer mit Einsatz bei der Sache war. Zwar gestern auch seinem Gegenspieler unterlegen was das angeht, aber letztendlich lagen die Fehler nicht an seinem Einsatz. Er hat sich zwei mal verschätzt, zwei mal hat er spekuliert und ist bestraft worden. Zwei mal hat er im Bruchteil einer Sekunde eine Entscheidung treffen müssen und die falsche getroffen. Offensichtlich muss das in Köln so sein, dass individuelle Fehler Spiele entscheiden. Und irgendwie scheinen es die Fans im RES auch zu wollen. Ich sehe sie schon, hauptsächlich sitzend, das muss man gestehen, und wartend, dass dem Miso der nächste Ball über den Schluppen rutscht, der zu einem Gegentor führt, um dann zu sagen „hab ich schon vor 3 Jahren gesagt, dass der nix bringt“ – damit ich mich mal wieder umdrehen kann und sagen: „Super, Schlaumeier, du bist mein Held, auf dich baut Köln, ach was Deutschland, die ganze Welt, wer so scharfsinnig ist, hat es eigentlich gar nicht verdient sich so etwas anschauen zu müssen, also warum gehst du nicht einfach?“
Das Spiel hat die Mannschaft verkackt, das kann man sagen. Aber die Mannschaft hat jetzt etwas gut zu machen. Darauf hoffe ich. Weil das haben die Jungs bereits gelernt, wenn sie sich den Arsch aufreißen, kommt auch etwas zurück. Und wenn sie nicht vollkommen verblödet sind, wissen sie wie sie die Fans zurückbekommen.
Spieler im Fokus fällt aus, weil wir keine Säue durchs Dorf treiben wollen. Einzig Timo Horn kann man eine tadellose Leistung attestieren.
Ausblick
Wir brauchen stahlharte Nerven. Es wird eine härtere Saison als viele sie erwartet haben. Aber so läuft das. Durchhalteparolen bringen uns nicht weiter, aber einzelne Spieler als Schuldige öffentlich anzuprangern bringt uns auch nicht weiter. Der effzeh ist gut aufgestellt, die Mechanismen auf vereinspolitischer Seite greifen, das Vereinsleben nimmt neue Formen an. Auch auf sportlicher Ebene wird sehr gute Abreit geleistet, das darf man natürlich hinterfragen, aber ich komme hier deutlich zur Antwort ja. Einzig, der sportliche Erfolg fehlt, und daran wird man leider gemessen. Ich wage den Ausblick, dass sich dieser spätestens beim nächsten Heimspiel einstellen muss. Muss. Muss.